Text: Daniel Böniger I Fotos: Gabriel Monnet
Das Gute liegt so nah. «Besuche bei den Produzenten sind für mich der schönste Teil meiner Arbeit!» Das sagt Nicolas Darnauguilhem, Küchenchef mit 16 Punkten in der «Pinte des Mossettes» in Cerniat, Kanton Freiburg. Seine Kreationen sind zeitgemäss inszeniert, basieren aber stets auf Produkten aus der nahen Umgebung. Gemüse und Kräuter pflanzt er selbst, Milchprodukte und Fleisch bezieht in der nahen Region. Klar, dass wir den 42-Jährigen auf dem Hof «De la Chenaux» treffen, eine Viertelstunde vom Restaurant entfernt. Von hier bezieht er sein Rindfleisch. Der Bauer, Pascal Tercier, züchtet die eher selten anzutreffende Rasse «Hinterwälder».
Kein Soja, keine Antibiotika. Pascal, mit wachen blauen Augen und einem schwarzen Schlapphut, erzählt, wie er auf die Rasse gekommen ist: Eigentlich habe er ursprünglich auf «Simmentaler» gesetzt, die hätten aber aufgrund von Züchtung in den letzten Jahren ihr Gewicht durchschnittlich verdoppelt, auf bis zu 900 Kilogramm pro Tier. «Das ist nicht, was ich will – nur schon um den Boden auf meinen Alpwiesen zu schonen!» Zeitweise habe er daran gedacht,«Black Angus» zu halten, doch die Rasse sei ihm dann doch «zu amerikanisch» gewesen, meint er und lächelt. Als er von den «Hinterwäldern» hörte, den kleinwüchsigsten Kühen Mitteleuropas, wusste er: Das ist es! Er verzichtet auf das Füttern mit Mais oder Soja, und seit 2008 sogar auf Antibiotika.
Brot mit Heu-Aroma. Davon beeindruckt war auch Nicolas von der «Pinte des Mossettes», als er die Bekanntschaft mit dem Bauern machte. Inzwischen verstehen sich die beiden – Produzent und Gastgeber – als Freunde. So sei der Preis fürs Fleisch beispielsweise niemals ein Thema! «Es geht um Vertrauen!» Und so bezieht Nicolas nicht nur Fleisch bei Pascal, sondern auch das Heu, das auf Alpen in ungefähr 1800 Metern über Meer gewonnen wird. Der Küchenchef aromatisiert damit das Wasser, mit dem er sein Brot zubereitet. Es riecht, vergleicht man es mit Heu aus tieferen Lagen, weniger nach Fussballwiese, sondern merklich komplexer, mehr nach Minze, Kräuter, Erde... Und das Beste daran: Man riecht diese Aromen tatsächlich auch im fertig gebackenen Brot.
Der beeindruckende Stier. Weniger Vertrauen als zu Pascal hat Nicolas Darnauguilhem zum Stier, der hier auf der Weide hinter dem Hof über seine Kühe wacht: Stets behält der Starchef das mächtige Tier im Auge. Sogar noch als Koch und Bauer auf ein Kalb treffen, das gerade erst am Vorabend geboren wurde. «Ich musste auf dem Hof der Nachbarn meiner Eltern mal vor einem Stier flüchten, darum bin ich geprägt!», erklärt er. Erst als die beiden fast wieder aus dem Gehege raus und die Kühe gut 200 Meter entfernt sind, entspannt sich Nicolas. Pflückt lässig einen Apfel von einem der Bäume, die es hier auf der Weide gibt. Mit seinem Taschenmesser schneidet er ihn in Stücke und schiebt diese in den Mund. Die beiden Männer - oder sollte man besser sagen: Vertraute – verabschieden sich. Und Nicolas steigt in seinen schwarzen Jeep.
Viel Arbeit im geschlossenen Restaurant. Die «Pinte des Mossettes» ist heute Mittag geschlossen. Was aber nicht heisst, dass es dort nicht äusserst geschäftig zu und hergeht. Schnell merkt man, was Nicolas Darnauguilhem gemeint hat, als er sich als eine Art Dirigenten beschrieben hat. Eine Mitarbeiterin ersetzt die Blumengedecke. In der Küche wird geschnitten und gekocht. Im Keller ist Sommelier Olivier Dopke zugange. Er schaut nach den Weinen, die er hier am Fusse des Jaun-Passes mit Walliser Trauben keltert. Nicht genug: Im Garten ist einer dran, die Hochbeete fürs Gemüse mit frischem Kompost zu bedecken. Sogar im Teich hinter dem Haus ist jemand mit der Reinigung beschäftigt - etwas ungewöhnlich in dieser bergigen Umgebung: mit Taucheranzug. Der Küchenchef will dieses Mikrouniversum noch erweitern – er erzählt von Hühnern, die er züchten will. Und weiteren Gemüsebeeten, die er rund ums Haus anlegen möchte. «Bei Salat und anderem Grünzeug gilt: Es darf keine Zeit vergehen zwischen Ernte und dem Verzehr!» Dass der gebürtige Genfer nach nur drei Jahren hier in der malerischen Umgebung mehr angekommen ist, merkt man an allen Ecken und Enden.