Text: David Schnapp | Fotos: Atelier Mai98, Philippe Vaures Santamaria
Ducasse und starke Partner. Es ist ein Experiment auf Zeit, 100 Tage lang insgesamt finden fünf gastronomische Akteure in Paris zusammen, um einen «Dialog zwischen den Kulturen» und das «Streben nach Harmonie» zu ermöglichen. Der französische Weltstar der Küche, Alain Ducasse, spannt im ADMO zusammen mit seinem Küchenchef Romain Meder und Patissière Jessica Préalpato, mit Vincent Chaperon, dem Kellermeister von Dom Pérignon, sowie mit seinem spanischen Kollegen Albert Adriá, der erst als Chef-Patissier im legendären «El Bulli» berühmt wurde und heute mit Restaurants wie «Tickets» oder «El Barri» in Barcelona Furore macht. (Grosses Bild oben: Jessica Préalpato, Albert Adrià, Vincent Chaperon, Alain Ducasse und Romain Meder, v.l.n.r.)
Spanisch-französische Freundschaft. Über das harmonische Zusammenspiel von französischer Klassik und spanischer Avantgarde sagt Alain Ducasse: «Unsere Freundschaft geht auf das Jahr 1990 zurück, als Albert, sein Bruder Ferran und ihr Maître Juli Soler nach Monaco reisten, um im «Louis XV» im Hôtel de Paris zu dinieren. Die Begegnung der verschiedenen Küchenstilen ist ein zentrales Element des ADMO-Projekts, das Offenheit und das Streben nach Harmonie zwischen starken kreativen Persönlichkeiten zum Ziel hat.» Was fast mehr nach Kunst- als nach Kulinarik-Projekt klingt, versteht der Küchenweltstar aus Paris auch so: «Wir sind der Meinung, dass ein gehobenes Restaurant zwangsläufig ein kultureller und künstlerischer Akt ist. Dies ist eine unserer starken Überzeugungen und der Grund, warum ADMO in Les Ombres, im Restaurant des Museums Quai Branly – Jacques Chirac, integriert ist. Die Nähe zu einem so bedeutenden Museum ist eine unerschöpfliche kreative Ressource, die das gesamte Projekt durchdringt», erklärt Ducasse
Weltkarriere nach Flugzeugabsturz. Alain Ducasse beeinflusst die Spitzenküche seit Jahrzehnten, und der 65-Jährige ist ein Pionier der globalisierten Chefs. Nach einem Flugzeugabsturz, den er 1984 als einziger überlebte, stellte er fest, dass man – ein gewisses Talent und gute Organisation vorausgesetzt – nicht in der Küche stehen muss, um ein guter Koch zu sein. Der Franzose begann die Arbeit an einem Imperium, das ihn zum ersten Koch überhaupt mit drei verschiedenen Drei-Sterne-Restaurants machte. Dabei blieb Ducasse seiner französischen Produkteküche, einer direkten «cuisine brut» immer treu, entwickelte sie gleichzeitig aber konsequent weiter.
Getreide, Gemüse, Fisch. Deshalb passt auch dieses Projekt hervorragend zum «Rembrandt der Küche» (Ducasse über Ducasse). Im ADMO wird seit Anfang November eine nachhaltige europäische Küche erprobt. Während der «Schweizer Ducasse» in New York, Daniel Humm, die Zukunft der Spitzenküche auf Pflanzenbasis entwickelt, setzen Ducasse, Adria & Co auf Getreide, Gemüse und nachhaltige Meeresprodukte, verzichten aber auf Fleisch. Ein Konzept, das unter der Küchenleitung von Romain Meder zuvor schon im «Plaza Athenée» praktiziert wurde, bevor der Ducasse-Gruppe der Vertrag für das Restaurant gekündigt wurde. Im ADMO zum Beispiel verschwindet der Wolfsbarsch im Januar aus dem Menü, weil dann die Brutzeit des Fisches beginnt.
Ein Dom Pérignon in jedem Pairing. Teil des Experiments in Paris ist ausserdem Dom Pérignon-Kellermeister Vincent Chaperon, welcher den Rosé Vintage 2008 in das Projekt einbringt. Der Wein, dessen Herstellung nicht weniger als dreizehn Jahre gedauert hat, wird erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. «Der Dom Pérignon Rosé Vintage 2008 ist die symbolische Verbindung zwischen allen Beteiligten dieses Experiments. Dieser Wein ist exklusiv und experimentell, weil er so schwer zu produzieren ist. Er ist somit ein Spiegelbild des Projekts. Wir haben entschieden, dass er in jedem unserer Pairings erscheint, und im Pairing Icon wird er zu drei verschiedenen Zeitpunkten im Menü in unterschiedlichen Gläsern und bei unterschiedlichen Temperaturen präsentiert, was seine ganze Vielseitigkeit zeigt. Ein avantgardistisches Experiment wie ADMO verdient einen aussergewöhnlichen Wein», erklärt Alain Ducasse die Verbindung zwischen Essen und Champagner.
Ständige Neuerfindung. Dass ausgerechnet Alain Ducasse im Projekt ADMO eine führende Rolle übernimmt, ist kein Zufall. Der Autor der mehrbändigen Enzyklopädie «Grand Livre de Cuisine» erfindet sich seit Jahrzehnten immer wieder neu. «Ich bin ständig auf der Suche nach einer Küche auf der Höhe der Zeit. Bereits 1987 habe ich das erste Gemüsemenü ‹Les Jardins de Provence› für das ‹Louis XV Alain Ducasse› geschrieben und lege auch heute noch grundlegenden Wert auf die pflanzliche Küche. Seit 2014 arbeiten Romain Meder und ich an einer französisch inspirierten Naturküche, die weniger tierisches Eiweiss, Zucker und Fett benötigt, ohne dass wir gleichzeitig die Suche nach dem vollen Geschmack aufgeben. Die Neuerfindung und das Hinterfragen stehen also im Mittelpunkt meines kulinarischen Ansatzes.»