Text: David Schnapp | Fotos: Claudia Link
Zu neuen Ufern. Eigentlich ist Moses Ceylan zurzeit eine Art Kapitän ohne Schiff. Der frühere Küchenchef an der Seite von Sebastian Zier im «Einstein Gourmet» in St. Gallen ist vor drei Jahren zu neuen Ufern aufgebrochen, arbeitet als Berater oder Störkoch. Zwar würde der Deutsche mit türkisch-aramäischen Wurzeln gerne in einem Restaurant seine kulinarischen Ideen verwirklichen. Solange diese Möglichkeit aber nicht am Horizont auftaucht, navigiert er auf anderen Wegen.
Willkommen, mein Freund! Noch bis zum 10. März 2024 ist Moses Ceylan der Küchen-Kapitän auf der MS Arenenberg, die fest vertäut auf dem Rhein bei Schaffhausen liegt. «Ahlan Habibi» (Willkommen, mein Freund!) heisst es auf einem Plakat beim Eingang des Flussschiffes, die Stimmung an Bord ist gemütlich-familiär und das Essen, welches der hochbegabte Koch mit seinem kleinen Team in der kleinen Kombüse zubereitet, ist es letztlich auch: Serviert wird die arabische Variante des Fondue Chinoise, und viele der Rezepte und Würzmischungen, die Moses Ceylan verwendet, sind Familientraditionen.
Koch-Elite Deutschlands. «Ich bin in familiärer Geborgenheit und in einer Welt der Gewürze aufgewachsen. Essen war von morgens bis abends das bestimmende Thema. Das ist Teil unserer Kultur, die türkische, aramäische, christliche und deutsche Einflüsse hat», sagt Moses Ceylan über seine prägenden kulturellen Wurzeln. 2001 hat der heute 43-Jährige erstmals bei Armin Karrer in einem Sternerestaurant gearbeitet, danach folgten Stationen bei Christian Jürgens, Joachim Wissler, Sven Elverfeld und Juan Amador, die alle zur absoluten Koch-Elite Deutschlands gezählt werden dürfen. Es gibt kaum einen anderen Koch in der Schweiz mit einem vergleichbaren Lebenslauf.
Levante-Küche auf hohem Niveau. Heute will Moses Ceylan, «einen kulinarischen Ausdruck in meiner Kultur zu finden», wie er sagt. «Ich bin ein intuitiver Koch und liebe es, mich selbst jeden Tag neu zu entdecken. Gleichzeitig kann ich mich selbst sehr gut disziplinieren. Das sind die beiden Herzen in meiner Brust: das deutsche und das levantinische.» Dass es möglich ist, das kulinarische Erbe seiner Familie mit der Spitzenküche zu kombinieren, sei ihm klar geworden, als im «Einstein» Kebap und Ayran als Vorspeise oder Appenzeller Ente auf syrische Art serviert wurde, und das Restaurant dennoch mit 18 GaultMillau-Punkten und zwei Michelin-Sternen bewertet worden sei. «Ich würde gerne eine Levante-Küche auf hohem Niveau darstellen. Ich glaube, dass das möglich ist», sagt Moses Ceylan.
Wärme und Sonnenschein. Auf dem Schiff in Schiffhausen, die unweit der legendären «Fischerzunft» vor Anker liegt, ist zu sehen (und zu schmecken), in welche Richtung das gehen könnte. Auch wenn es hier um «Comfort Food» geht, hat das Essen dennoch ein aussergewöhnliches Niveau an geschmacklichen Feinheiten. Die Grundlage für das Levante-Fondue bildet eine syrisch-aramäische Brühe mit fermentierten Limetten, Paprika, Isop und vielen weiteren Gewürzen. Darin gart man Stücke vom Ribbelmais-Poulet mit Schawarma-Gewürz, der Kundelfinger Lachsforelle mit «Five Spice» oder von der Schweizer Rindshuft mit Baharat-Mischung. Gewürzbulgur, aramäischer Grillgemüse-Eintopf, Muhammara-Paprikapaste mit Baumnuss-Pesto, Minzjoghurt mit Zitrone sowie ein fermentierter Mango-Dip gibt es als Beilagen, die auch an einem trüben Wintertag auf dem Wasser für geschmackliche Wärme und ein Gefühl von innerem Sonnenlicht sorgen.
Purzelbaum statt Salto Mortale. Das Pop-up auf dem Schiff ist in Zusammenarbeit Renato Blättler entstanden, den Moses Ceylan bei der Weiterentwicklung der Küche im Seminarhotel Greuterhof in Islikon TG berät. Ceylan sieht das schwimmende Restaurant als gute Gelegenheit, diese andere Seite von sich zu zeigen: «Ich kann mich mittlerweile in mehreren kulinarischen Sprachen ausdrücken, das habe ich gelernt. Manchmal macht man einen dreifachen Salto, manchmal reicht auch einfach ein Purzelbaum», findet er und zeigt bei den Vorspeisen, was damit gemeint sein könnte: Statt Zehn-Komponenten-Teller serviert er eine betörende Mezze-Auswahl mit warmem Fladenbrot oder das vermutlich beste Schawarma nördlich des Mittelmeers. «Das Grundrezept stammt von meiner Grossmutter aus dem Libanon», erklärt Ceylan. Der levantinische Fast-Food-Klassiker besteht aus mit Zimt und Nelkenpfeffer mariniertem Schweizer Poulet, Tahini-Hummus, und einer leicht fermentierten Ambasauce mit Mango.
Langer Weg als Koch. «Ich kenne die klassische Haute Cuisine, die Avantgarde-Küche und bin jetzt daran, die Küche des Nahen Ostens für mich zu erschliessen», sagt Moses Ceylan über seinen langen Weg als Koch. Dass darin eine interessante, wenn auch zurzeit noch unbestimmte Zukunft liegen kann, zeigt sich auf diesem unscheinbaren Flussschiff in Schaffhausen ziemlich überzeugend.
>> Pop-up «Ahlan Habibi by Moses» noch bis 10. März 2024
www.ahlan-habibi.ch