«Fragen Sie den Metzger!». Am Tresen bin ich immer ein wenig ratlos. Rindshuftdeckel, Ochsenbacken, Kalbshaxen, Kalbschulterbraten. Was darf’s denn sein für den Sonntagsbraten? Faustregel Nummer 1: «Fragen Sie den Metzger», sagt Spitzenkoch Guy Ravet, der Präsident der «Grandes Tables Suisses», «Metzger helfen gerne, das geeignete Stück aus dem Sortiment auszuwählen und sind auch immer gute Ratgeber, was die Garzeiten anbelangt. Metzger sind leidenschaftliche Berufsleute und wollen, dass ihre Kunden beim Braten und Schmoren Erfolg haben.» «Fragen Sie den Metzger», sagt auch Thomas Huber von der «Krone» Sihlbrugg, fügt aber an: «…sofern Sie einen finden. Metzger ist leider ein aussterbender Beruf.» Für Tipps & Tricks bin ich immer zu haben. Ich fragte bei drei GaultMillau-Chefs nach. Grosses Bild oben: v. l. Guy Ravet, Thomas Huber, Antonio Colaianni.
Ravet: «Immer schön begiessen!» Guy Ravet, 17-Punktechef im «Grand Hôtel Du Lac» Vevey, weiss, wo Gefahr droht: «Man muss den Braten begiessen. Es muss immer Flüssigkeit in der Pfanne haben.» Ravet weiss auch, wo die Gefahr überschaubar ist: «Ich empfehle Teile, die nicht zu genau gegart werden müssen. Diese Teile sind immer zart, wenn sie lange genug mit einer Flüssigkeit gegart werden.» Seine Tipps: Short Rib, Ochsenbacke, gefüllte Kalbsbrust, Kalbshaxe, Lammschulter. Ravet: Diese Teile sind in der Regel auch günstiger als die Filets.» Wichtig: Das Fleisch ruhen lassen, wenn es aus dem Ofen kommt. Ein Stück, das drei Stunden gegart wurde, braucht mindestens 20 Minuten, bevor es serviert werden kann.» Ravets Lieblingsgericht am Sonntag: «Ein schönes Geflügel, aus Gruyère oder aus der Bresse. Das erinnert mich an meine Jugend: Nach einer strengen Woche haben wir uns am Sonntag im Garten getroffen und gemeinsam gegessen.»
Huber: «Kalbfleisch verzeiht mehr». Thomas Huber kocht in der «Krone» Sihlbrugg (16 Punkte), bildet begeistert Lernende aus und hat ein Herz für Hobbyköche. Sein Tipp für Einsteiger: «Im Sommer die Kalbsschulter, im Winter der Schulterspitz vom Rind. Gut ist auch der Kalbshals, aber der ist etwas fettiger.» Sous-vide ist fürs Kochen zu Hause kein Thema: «Da fehlt ja dann die Sauce. Zu Hause soll man braten und schmoren.» Und Lamm am Sonntag? «Zusammen mit Kräutern ist Lammfleisch wunderbar. Aber man muss es auf den Punkt braten, sonst wird das Fleisch trocken. Kalbfleisch verzeiht mehr.» Dreamteams? Huber: «Schmorbraten & Polenta. Kalbsbraten mit Kartoffelstock, Rüebli & Erbsli. Kalbshohrücken mit Risotto.» Hubers Kräuter-Warnung: «Was im Sommer auf einen Salat kommt, also Basilikum, Kerbel oder Sauerampfer, gehört nicht auf einen Braten. Da passen Rosmarin, Thymian und Ysop besser.»
Colaianni: Ein Brasato braucht Zeit! In der Welt von Antonio Colaianni (neu: «Freilager», Zürich) heisst der Sonntagsbraten Brasato! Ganz Italien mag ihn, und die Gäste in seiner Trattoria essen ihn begeistert auch unter der Woche. Eiserne Regel: «Ein Brasato braucht Zeit. Ein zu schnell und zu heiss gegarter Brasato wird trocken.» Wie weiss der Amateur, ob der Brasato gar ist? «Mit einer Fleischgabel einstechen. Wenn sich die Gabel ohne Druck löst, ist der Braten gar.» Colaianni wickelt das Fleisch in eine Plastikfolie, lässt den Braten so auskühlen. «Er behält die Form, und ich kann in der Zwischenzeit die Sauce perfekt passieren und binden. Die Fleischscheiben dann langsam in der Sauce erwärmen, so wird der Braten besonders saftig.» Tipp des Meisters: Kalbs- oder Rindsschulterspitz!
Fotos: Gabriel Monet, Lucia Hunziker, Thomas Buchwalder, Salvatore Vinci