Text: Kathia Baltisberger
Die Mega-Show von S.Pellegrino. Eines muss man S.Pellegrino lassen: Sie scheuen keine Kosten und Mühen, um jungen Köchen eine Plattform zu bieten. Das Finale des Kochwettbewerbs S.Pellegrino Young Chef ist gross und laut. 15 Talente aus der ganzen Welt kochten während zwei Tagen in Mailand. Sie kamen aus Singapur, Mexiko oder Australien. Eingeflogen wurden auch Journalisten und Influencer aus der ganzen Welt, um dem Wettbewerb die grösstmögliche Aufmerksamkeit zu geben. «Es ist schon wichtig, denn durch Kochwettbewerbe können wir junge Menschen für eine Karriere in der Gastronomie motivieren», sagt Guy Ravet, 17-Punktechef im Grand Hôtel du Lac in Vevey und Mentor des Schweizer Kandidaten Raúl Garcia. Getoppt wird die Veranstaltung mit einem Gala-Dinner im Pirelli HangarBicocca, einem gigantischen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst.
Grosses Bild oben: Raúl Garcia (links). Und rechts der strahlende Sieger: Young Chef Nelson Freitas aus Portugal mit seinem Mentor Filipe Carvalho.
Perfekte Details. Mittendrin in diesem Spektakel: Raúl Garcia vom Park Hotel Vitznau (Swiss Deluxe Hotel). Der Schweizer machte einen souveränen Job. Er kam unfassbar gut vorbereitet nach Mailand, nahm alle Zutaten und alle Küchenutensilien aus der Schweiz mit. Die Firma Bianchi stellte Raúl für seine Fahrt nach Mailand einen Bianchi-Lieferwagen zur Verfügung. Während der fünf Stunden, die er gekocht hat, entstand vermutlich nicht eine Schweissperle auf seiner Stirn. «Ich hatte genügend Zeit und einen super Commis, der mir geholfen hat», sagt Raúl nach dem Wettbewerb. Die Komplexität seines Gerichts liegt im Detail. «Alle Komponenten müssen perfekt zubereitet sein: der Fisch, die Artischocken, die Muscheln. Wenn ich etwas zu kurz oder zu lange gare, merkt das die Jury sofort. Entweder es ist perfekt oder eben nicht.» Und genau das hat der erst 21-Jährige so gut im Griff. Die Jury lobte das Gericht beim Tasting für die perfekt ausgeführten Gartechniken und die harmonischen Aromen.
Geschmack oder Geschichte? Was beim Kochwettbewerb aufgefallen ist: Die Finalistinnen und die Finalisten hatten sehr viel Zeit, um ihr Gericht vorzustellen und darüber zu philosophieren. Die Köchin Yi Zhang aus China, die ursprünglich Designerin war, kochte nicht nur ihre Erinnerungen an einen chinesischen Wald, sondern zeichnete eben diesen auch noch auf essbarem «Papier». Der Franzose Camille Sain-M’Leux erlaubte sich, sein Gericht erst vor der Jury fertigzustellen – sehr eloquent und mit viel Show. Ian Goh aus Singapur hat in seiner Küche eine Reihe Lammschädel aufgetürmt. Da stellt sich schon die Frage, ob Storytelling heute wichtiger ist als Geschmack. Die Jury winkt diesbezüglich ab. Geschmack sei das Wichtigste, beteuern alle unisono. Vicky Lau präzisiert, worauf es ihr ankommt. «Klar, wir haben eine Liste mit verschiedenen Kritierien, die wir berücksichtigen sollen. Aber mir sind vor allem die Details wichtig.» Ihre Kollegin Nancy Silverton betont, dass das Niveau extrem hoch ist. «Es ist einfach, ein schlechtes Gericht zu bewerten. Wir haben so viele aussergewöhnliche Gerichte gekostet. Das macht es wesentlich schwieriger.»
And the winner is... Während des Gala-Dinners und der Award-Show wurden nochmals grosse Geschütze aufgefahren. Für die Moderation kam der englische Gastro-Kritiker Jay Ryaner, der an diesem Abend wirklich alles «fantastic» und «brilliant» fand. Auch Starchef und Kochlegende Massimo Bottura darf bei einem Event dieses Kalibers nicht fehlen. Er kam für eine inspirierende Rede, seine Crew kochte für die geladenen Gäste. Bei so viel Show ging fast eines vergessen: Einer von den 15 Kandidatinnen und Kandidaten muss noch zum Sieger gekürt werden. Das Rennen machte am Ende der Portugiese Nelson Freitas. Er überzeugte die Jury, weil er seine Heimat und das Meer auf den Teller brachte. Das Siegergericht? Meeräsche, Seeigel und schwarzer Knoblauch.
Trostpflaster. Für Raúl Garcia reichte es nicht zum erhofften Sieg. «Schade!», sagt er kurz und knapp, wie man es sich vom 21-jährigen Ostschweizer gewohnt ist. «Natürlich bin ich enttäuscht. Vielleicht hätte ich auch noch mehr Storytelling machen müssen», sagt er. Immerhin: Der König des Storytellings unterschreibt dem jungen Koch nach der Award-Show noch die Kochschürze. Obwohl Raúl während der Tage in Mailand fast alles alleine gemeistert hat, ist er dankbar für seine Unterstützung aus der Ferne. «Ich möchte mich bei Bianchi für den Zander, die Muscheln und den Lieferwagen bedanken. Und auch bei Rahel Heimberg für die Blumen.» Sein grösster Dank gilt aber seinem Chef. «Patrick Mahler hat mich immer unterstützt, dafür bin ich ihm sehr dankbar.» Und der Chef ist besonders stolz auf seinen Schützling. «Unglaublich, was er mit seinen 21 Jahren abgeliefert hat.»
Fotos: Darya von Bergen, S.Pellegrino, Olivia Pulver