Text: Daniel Böniger I Fotos: Olivia Pulver
Sommelière aus der Babypause. Es half natürlich schon, dass Grandes Tables-Präsident Guy Ravet auffallend gut Deutsch spricht. Und in der Küche auch sonst die nötige Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Denn genau dies brauchte es angesichts des angesagten Four-Hands-Dinner im Igniv mit Daniel Zeindlhofer. Die Zahlen? 10 Köche für nur 34 Gäste, 24 verschiedene Gerichte aus ungefähr 60 ausgewählten Produkten, dazu 6 passende Weine… Bei letzteren setzen die beiden Küchenchefs auf Sommelière Ines Triebenbacher, die ihre Babypause für einen Abend unterbrach und eine Weinbegleitung mit Tropfen aus der Waadt und dem Kanton Zürich zusammengestellt hatte.
«Bitter Sweet Symphony». Zwei Köche, zwei Konzepte: Guy Ravet (zuletzt 19 Punkte mit seinem Vater Bernard in Vufflens-le-Château) setzt auf grosszügige Einzelgerichte. Daniel Zeindlhofer (17 Punkte) setzt, wie im «Igniv» üblich, auf Sharing; mehrere kleine Gänge werden gleichzeitig serviert. Was gefällt besser? Auch dieser Frage konnte im Rahmen des von der UBS organisierten Abends nachgegangen werden: Liess einen eher Ravets «Bitter Sweet Symphony» das Herz höher schlagen? Sprich: weisse Spargeln aus Chablais, die mit Honig und Grand-Cru-Kaffee kombiniert wurden, getoppt von einer Chimichurri-Nocke mit Peperoni? Auf jeden Fall war es beeindruckend, wie die verschiedenen Grade von Bitterkeit der einzelnen Zutaten zugleich auch deren süsse Seiten unterstrichen. Oder war man eher hingerissen von Zeindlhofers kleineren Gerichten wie dem nur «easy» marinierten Hamachi mit knackigem Stangensellerie und Tigermilk. Oder der Gänselebercreme auf Crêpeteig, dekoriert mit quer tranchieren Morcheln, die so geschnitten an kleine Zahnräder erinnerten?
Hilfe von Heilemann. Zum Igniv-Konzept gehören jede Menge hübsche Schalen und kleine Teller. Guy Ravet setzt für seine Kreationen auf klassisches weisses Geschirr. Die Zürcher Top-Chef-Connection funktionierte bestens: Stefan Heilemann vom «Widder» auf der anderen Seite der Limmat, steuerte unkompliziert die gewünschten grossen Teller bei. Etwa für den Zander aus dem Wallis, der mit einer Meurette angegossen wurde, also einer Rotweinsauce, die Ravet nur ganz dezent mit Champignons und Speck aromatisiert hatte. Dazu gab es leicht geräucherten Kartoffelstock und ein knuspriges Heu aus Shiro-Kombu-Alge. Ein Steilpass, den Ines Triebenbacher nutzte - und mit einem gereiften, fruchtig-blumigen Pinot Noir 2016 von Rico Lüthi am Zürichsee aus der Sechsliter-Flasche auftrumpfte.
Pastrami mit «Döner-Sauce». Bei den Hauptgerichten von Zeindlhofer kam weintechnisch im Gegenzug die Waadt dran: mit einem Plant Robez 2021 von Blaise Duboux. Der Gamay-Klon passte glänzend zum göttlich zarten Maibock aus Österreich, wozu es süsse, leicht angekokelte Zwiebeln und eine Estragoncreme gab, die dem Ganzen die Krone aufsetzte. Auf den weiteren Tellern: Kartoffelschnecken mit giftgrüner Schnittlauchcreme. Gegrillter Spargel mit leicht süsser Dörrbirne, knusprigem Federkohl und Liebstöckelpulver. Dünn aufgeschnittener Pastrami mit Rettich und einer türkisch gewürzten Joghurtsauce, keck als «Döner-Sauce» angekündigt.
Ravet rettet das Souffle. Gast Guy Ravet zeigte sein Können danach noch zweimal: Erst mit einem Gericht aus säuerlichem Schafskäse und Schafsmilch, kombiniert mit Kastanienhonig und Feldthymian, womit er geschickt die Brücke zwischen den salzigen und süssen Speisen schlug. Und schliesslich mit seinem dezenten Hinweis an Zeindlhofer, dass das (am Ende herrlich luftige) Sauerrahm-Soufflée, zum Igniv-Dessertensemble gehörend, dringend aus dem Ofen genommen werden sollte. Perfektes Teamwork, ein Four-Hands-Dinner, das durchs Band auf Begeisterung stiess.