Fotos: David Künzler
Eine Familienangelegenheit. Das bestimmende Thema des Tages war das Wetter, das wichtigste Accessoire der Regenschirm, aber keines von beidem konnte in irgendeiner Weise die gute Stimmung bewölken. Zum achten Mal wurde in Fürstenau das herbstliche Erntedankfest im Caminada-Stil ausgetragen. «Fall in Love» heisst der Genussmarkt, der längst eine Familienangelegenheit ist: Während Andreas Caminada, mit schwarzem Schirm in der Hand, VIP-Gäste durch die engen Gassen der «kleinsten Stadt der Welt» führt, ist Sarah Caminada die ordnende Hand im Hintergrund und die beiden Buben Finn und Cla haben jetzt einen eigenen Stand: Es gibt Zuckerwatte in bunten Farben.
Schaufenster für die Region. «Für uns ist das ein Höhepunkt im Jahr», sagt Andreas Caminada. Der Aufwand sei zwar enorm, aber lohne sich unbedingt. Trotz der eher herbstlichen Witterung ist das abgemähte Feld kurz vor dem Ortsschild Fürstenau, das für den Tag als Parkplatz genutzt wird, mit Hunderten von Autos und Wohnmobilen besetzt. Der Genussmarkt hat sich zu genau dem entwickelt, was er sein sollte: Ein kulinarisches Schaufenster für die Region. «Es kommt zu unglaublich vielen Begegnungen, es sind so viele bekannte Gesichter hier», sagt Caminada. Mit dem Genussmarkt und der Eröffnung der «Casa Caminada» im Jahr 2018 als seine Version der Bündner Beiz sei es gelungen, vielen Leuten die Schwellenangst zu nehmen, für die Fürstenau bisher bloss Standort eines weltbekannten Restaurants mit drei Sternen und 19 Punkten gewesen war.
Maluns & Capuns. Jetzt gibt es – für pauschal fünf Franken pro Portion – eine überraschend grosse Auswahl an Essen mit vorwiegend bodenständigem Charakter, zubereitet von bekannten Köchen oder von bewährten Gastwirten. Maluns und Capuns, so etwas wie die beiden Ikonen der Bündner Küchen, werden gleich nebeneinander serviert: Hansjörg Ladurner und René Bissig vom «Scalottas» auf der Lenzerheide machen ihre Maluns natürlich mit Bergkartoffeln von Marcel Heinrich: Maikönig, Röseler, Granola, Blaue Anneliese, Heiderot, dazu Ruch- und Buchweizenmehl kommen in die Mischung. «Der Herbstmarkt ist mein Familientreffen», sagt er. Seine Nachbarn am Stand sind die «Weltmeister der Capuns»; 130'000 der Mangoldwickel werden von Danilo Braccini und seiner Partnerin im Hotel Alpsu jährlich verkauft.
Käse, Wurstsalat, Hot Dog. Gegenüber treffen wir Martin «Floh» Bienert von der Käserei Andeer, der zum Start in den Tag ein Stück Andeerer Gourmet empfiehlt, und ein paar Schritte weiter richtet Joël Ellenberger («Igniv by Andreas Caminada» im Grand Resort Bad Ragaz) ein raffiniertes kleines Sommergericht aus Tomaten, dehydrierten Wassermelonen und Chili an. Nicht zuletzt diese Vielfalt macht den unwiderstehlichen Charme des Herbstmarktes aus. An einem Stand leuchtet das Gemüse vom Biohof Tusch mit Besitzerin Claudia Hanimann und ihren Söhnen Ignaz und Luzi. Am anderen schichtet Mathias «Mottel» Kotzbeck, Küchenchef der Casa Caminada, Lyoner, Gurken und Kräuter sowie und ein Senfdressing zum herzhaften Wurstsalat an. Selbst aus der Schlossküche kommt Bodenständiges: Küchenchef Marcel Skibba hat Spare Ribs für den Big Green Egg mariniert und einen Hot Dog mit Wienerli und viel eingelegtem Gemüse aus dem Schlossgarten vorbereitet.
Jäger in Tarnjacke. Vor allem aber bekommen Produzenten und Gourmethandwerker hier eine kleine Bühne, um ihren Spezialitäten gewissermassen ein Gesicht zu geben. Roger Zogg etwa, der Jäger des Vertrauens von Starchefs wie Andreas Caminada oder Roger Kalberer («Schlüssel», Mels) serviert in berufstypischer Tarnjacke seinen grandiosen Wild-Fleischkäse: «Ich durfte mal einem Metzger beim Fleischkäse machen zuschauen. Da habe ich beschlossen, dass ich lieber meinen eigenen herstelle», sagt er lachend. Seine Version werde aus reinem Wildfleisch hergestellt – «ohne Hirn, Augen und auch ohne Pökelsalz in der Mischung». Im Gedränge ist auch Dominik Flammer auszumachen. Der Autor («Das kulinarische Erbe der Alpen») und unermüdliche Foodscout hat kürzlich den Zigerklee von Othmar Caviezel entdeckt. Der Safran-Bauer züchtet auch das würzige Kraut züchtet und trocknet es zu Pulver. «Das passt zu Salat, Kartoffeln und vielem mehr», sagt er.
Fideriser Weltkulturerbe. Selbst kulinarisches Weltkulturerbe gibt es zu probieren, denn dazu gehört die «Fideriser Torte» aus einem Haselnussteig, der mit Himbeerkonfitüre gefüllt wird. Peter Gujan und seine Schwester Celli bieten diesen speziellen Kuchen an: «Das gibt es nur bei uns», sagt sie. Ohnehin ist jetzt Zeit für Süsses und ein erfrischendes Tonic von Swiss Mountain Spring. Getränke-Erfinder Michael Schneider hat unter anderem die neue Sorte «Peppered Cherry» dabei, als Bestseller habe sich mittlerweile «Salty Grapefruit» erwiesen. Und vis-à-vis lächeln Barkeeper Sarah Madritsch und Küchenchef Daniel Zeindlhofer aus dem polierten Foodtruck von V-ZUG. Sie serviert als Drink einen herbstlich passenden «Pumpkin Spice», er als Dessert eine Kombination aus Aprikosen und Gewürzmilch, die im Steamer gedämpft wird – bunte Vielfalt bis zum Schluss.