Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Die Kühe des Starchefs. Unten der Touristen-Hotspot Interlaken, 1300 Meter weiter oben keine Menschenseele. Fast keine Menschenseele. Auf der Nesslerenalp leben im Sommer zwei Männer, eine Frau, 63 Kühe und zwei Munis. Zwei der Kühe gehören Richard Stöckli, 16-Punkte-Chef im Hotel Alpenblick in Wilderswil BE (grosses Bild rechts). Stöckli besucht die Alp, an der er Alprechte besitzt, und schaut den Älplern über die Schulter, wenn sie seinen Käse produzieren. Dafür muss er sich einen Schurz umbinden. «Nicht vorne binden!», schimpft Chef-Käser Hans Schacher. Wir sind hier schliesslich nicht in einer Restaurantküche, der Käserschurz wird hinten gebunden.
Kraftakt. Die Milch vom Vorabend und dem Morgen ist schon im grossen Chessi. 500 Liter passen rein. Erwärmt wird sie über dem Feuer. Dann kommen Käsekultur und Lab in die Milch. Nach einer halben Stunde wird die Milch nochmals auf 52 Grad erhitzt. Wenn es soweit ist, kann man den Käsebruch mit Hilfe von Tüchern aus dem Becki nehmen. Alle müssen mit anpacken, auch Peter Wyss, ein gelernter Zimmermann, und Heilpädagogin Katharina Holl. Jetzt geht’s rassig. Die vollen Tücher sind schwer und müssen in die Ringe gehievt werden, die dem Käse die gewohnte runde Form geben.
Drehen, drehen, drehen. Dort knetet Peter Wyss den Käsebruch ein, damit sich die Masse schön verbindet. Dann wird der Käse gepresst und immer wieder gedreht. «Die ersten zweimal Kehren, das ist etwas heikel. Das muss man im Blut haben», sagt Schacher. Wenn Schacher sagt in zehn Minuten müsse er drehen, dann meint er auch zehn Minuten. Mit den Zeiten und den Temperaturen ist beim Käsen nämlich nicht zu spassen. Am Nachmittag wird weitergedreht. «Um 19 Uhr kommt er ins Bett», sagt Wyss. Am nächsten Morgen geht’s mit einem 24-stündigen Salzbad weiter.
Kein Wunschkonzert! Der «Käsekeller» befindet sich ebenfalls auf der Alp, aber ein paar Hundert Höhenmeter weiter unten. Der Frühsommer-Käse ist bereits im «Alpenblick» auf dem Frühstücksbuffet, er ist ganz fein und mild. Fürs Käsebuffet im Gourmetstübli darf der Alpkäse Nessleren ruhig noch etwas länger reifen. Was jetzt serviert wird, stammt noch vom letzten Jahr. «Ich lagere den Käse bei mir noch weiter und schmiere ihn einmal pro Woche mit Weisswein und Salz ein», sagt Stöckli. Auf die Herstellung hat Stöckli keinen Einfluss. «Der Alpkäse ist kein Wunschkonzert», sagt Schacher. «Er muss einfach gut sein», kontert Stöckli.
Käse-Apéro. Und gut ist er. Da hat der 16-Punkte-Chef nichts auszusetzen, schliesslich serviert er den Käse bereits seit fast 30 Jahren. Richard Stöckli war schon als Kind oft auf der Alp und schon da wusste er: «Wenn ich gross bin, möchte ich auch mal so eine Alp.» Das ist eigentlich gar nicht so einfach, doch der Koch hat Glück, kann Alprechte oberhalb von Saxeten erwerben. Als Nicht-Bauer sorgte das natürlich für etwas Aufregung. Doch Stöckli zieht das durch und setzt voll auf den Alpkäse. «Früher hat man hier einfach gelebt. Es ist kulinarisch gesehen eher eine arme Gegend. Deshalb setze ich auf diese einfachen Produkte und versuche, das beste heraus zu holen», so Stöckli. Heute hat sich der Alpkäse in seinem Betrieb etabliert. Ein Highlight: der Käse-Apéro. Den gibt es im Gourmetstübli und – in einer etwas einfacheren Version – auch im Bistro. Alpkäse-Sablé, Hobelkäse gefüllt mit Käsemousse, Meiringer-Käse-Meringue mit einem leicht gepfefferten Mousse oder auch ein mit Alpkäse gefülltes Ravioli.