Text: David Schnapp | Fotos: Helge Kirchberger
«Jawohl, Chef!» Um 19 Uhr ist «Showtime». Executive Chef Martin Klein in weisser Kochjacke und akkurat gebügelter Schürze zieht sein Headset an und macht für sein zehnköpfiges Team die Ansage, damit jede und jeder weiss, was an diesem Abend zu erwarten ist: Anzahl Gäste, Allergien, Sonderwünsche und so weiter. «Jawohl, Chef!» ruft der Küchenchor laut zurück. Stefan Heilemann in schwarzer Kochjacke steht ebenfalls am Pass bereit, auch wenn Klein hier das Kommando hat, ist es die Show des 18-Punktechefs aus Zürich.
Restaurant im Flugzeug-Museum. Es ist der der dritte Abend des Gastauftritts des Küchenchefs aus dem Zürcher Hotel Widder (The Living Circle) im «Hangar 7» in Salzburg. Der zum Red-Bull-Konzern gehörende Komplex beim Flughafen ist zum einen Flugzeug- und Auto-Museum, zum anderen ein Glaspalast der Gastronomie. Ins Restaurant «Ikarus», das unter dem Patronat von Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann steht, werden jedes Jahr elf Gastköche eingeladen. Deren Menü Martin Klein dann originalgetreu während eines Monats kocht. Daneben wird immer auch ein «Ikarus»-Menü angeboten – in ziemlich beeindruckender Qualität übrigens und auf dem Niveau von zwei Sternen und 19 Punkten.
Klein und die Weltstars. Niemand weiss vermutlich mehr über die Starchefs der Welt und ihre Geheimnisse als der gebürtige Elsässer Martin Klein. Seit 20 Jahren ist er – erst als Head Chef und dann als Executive Chef – zuständig für den «Hangar 7» in Salzburg mit Gourmetrestaurant, Bar, Bistro und Grill. 250 Kollegen aus Europa, Asien, Süd- und Nordamerika hat der energische Franzose hier schon kommen und gehen sehen, hat sie in ihren Küchen zu Hause besucht, ihre Rezepte studiert und gekocht. Klein hat eine ziemlich dezidierte Meinung über den Zustand der Spitzenküche, nicht alles davon will er in Buchstaben formuliert sehen. Aber dass er etwa die Liste der angeblich besten Restaurants der Welt für überbewertet hält, dazu steht er. Und für Gerichte, zu denen der Gast gleich noch eine lange Geschichte und viele Erklärungen serviert bekommt, hat der Franzose ebenfalls nicht viel übrig.
Drei Ansätze für die Jus. «Am beständigsten ist die ehrliche, handwerkliche Küche», sagt Martin Klein. «Wenn jemand wie Stefan Heilemann eine Wildjus dreimal ansetzt, braucht es keine weiteren Erklärungen», sagt er. Die beiden Kollegen sind beide durch die harte Schule von Harald Wohlfahrt in der «Schwarzwaldstube» gegangen – allein dadurch sei schon eine Grundsympathie vorhanden. «Wir sprechen dieselbe Sprache und unsere gemeinsame Basis ist die französische Küche», sagt Stefan Heilemann. Und der 41-Jährige schwärmt von der Professionalität, mit der sein Auftritt in Salzburg vorbereitet, begleitet und ausgeführt wird. «Man ist als Gastkoch hier wirklich auch Gast», sagt er.
Beeindruckende Perfektion. Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, besucht Martin Klein ein bis zwei Monate im Voraus seinen Gast, isst in dessen Restaurant das Menü, begleitet ihn zwei Tage in der Küche und legt ein Dossier mit Rezepten und Fotos der Gerichte an, die er später kochen wird. Zurück in Salzburg werden dann kurz vor Start des neuen Gastkoch-Monats die Grundlagen gelegt, Küchen- und Service-Team geschult, Jus gekocht und andere Basiszubereitungen gemacht. Während der ersten drei Tage war Stefan Heilemann mit zwei seiner Köche sowie Patissier André Siedl dann ebenfalls dabei. «Es war beeindruckend, wie perfekt das vom ersten Teller an lief», sagt der Gastkoch. «Das war eins zu eins wie bei uns im Restaurant.»
«Der Chef» am Chefstable. Traditionell ist am ersten Samstag des Monats auch Eckart Witzigmann am Chef’s Table in der Küche zu Gast. Der 82-jährige gebürtige Österreicher und «Koch des Jahrhunderts» (GaultMillau) führte die «Aubergine» in München 1979 als erster Küchenchef in Deutschland überhaupt auf das Niveau von drei Sternen. «Witzigmann hat das ganze Menü gegessen und war sehr happy über die Gerichte», erzählt Stefan Heilemann. Am Tag danach sei «der Chef», wie ihn Köche mit einer gewissen Ehrfurcht nennen, gleich nochmals vorbeigekommen, um mit Heilemann über das Klappern der Pfannen in der Küche, das er vermisse, und andere kulinarische Themen zu plaudern. «Begegnungen mit Eckart Witzigmann sind für mich immer sehr emotional», sagt Heilemann.
Best of Heilemann. Und Witzigmanns Begeisterung für die Arbeit des Kochs aus der Schweiz ist verständlich. Heilemann serviert in Salzburg ein Best of seiner Gerichte, die oft unspektakulär erscheinen und gerne mit dem Löffel gegessen werden dürfen, aber in der höchsten Hubraumklasse des Geschmacks stattfinden. Etwa der kurz gebratenen Carabinero mit sauer-scharfer Tom-Yam-Sauce, Pak-Choi-Püree sowie etwas Erdnuss und mit einer perfekten Aromenbalance. Oder der gebeizte, konfierte und schliesslich scharf angebratene Atlantik-Steinbutt mit Artischocken, Kapern und Salzzitronen – klassische Küche, aber intelligent und präzise modernisiert.
Streetfood auf Top-Niveau. Der Höhepunkt dieses Reigens an Wohlfühl-Tellern ist der für 36 Stunden Stunden in einem komplexen Asia-Sud bei 68 Grad sous-vide gegarte Schweinebauch von Luma. Dazu kommt Broccoli, Yuzu und Wintertrüffel aus Australien. Die Zutaten- und Rezeptliste, die Stefan Heilemann und Martin Klein dafür ausgetauscht haben, ist zwei A4-Seiten lang. Am Ende bekommt man trotz des enormen Aufwands aber eine völlig unprätentiös angerichtete Schale serviert, die eher nach Street-Food-Lokal als nach Spitzenküche aussieht. Aber der Geschmack – und natürlich die Güte der Zutaten – machen daraus einen Heilemann-Klassiker, der ein grosses Publikum wie in Salzburg verdient hat.