Text: David Schnapp Fotos: Fabian Häfeli
Rehrücken auf dem Rhein. Wir treffen Dario Ranza an einem ungewöhnlichen Ort. Nicht an seinem Arbeitsplatz in der «Villa Principe Leopoldo» über dem Luganersee sondern in einer Schiffskombüse auf dem Rhein. Der 61-jährige Küchenchef ist Gastkoch am «Excellence Gourmetfestival 2017». Während die 140 Gäste mit der «Excellence Princess» von Basel nach Strasbourg gleiten, serviert ihnen das Südschweizer Küchenteam Langoustine mit Stockfisch-Mousse oder Rehrücken mit Mark und Preiselbeeren.
Risotto um Mitternacht? Nur eines kocht «Risotto-König» Ranza heute nicht: Risotto. «Auf unserer Karte gibt es immer mindestens zwei verschiedene Risotti, und jeder erwartet das natürlich vor uns. Deshalb habe ich absichtlich darauf verzichtet», sagt er und lächelt verschmitzt. Für alle Fälle hat er trotzdem vier Kilogramm Reis im Gepäck: «Falls die Stimmung an Bord gut ist, und die Gäste spätnachts noch Hunger haben», sagt der «Aufsteiger des Jahres» 2016.
28 Jahre in der Villa. Dario Ranza kocht seit 28 (!) Jahren in der «Villa Principe Leopoldo» und kam als Neunjähriger in die Schweiz nach Genf. Die klassische, französische Küche ist ihm ebenso geläufig wie die mediterrane oder die norditalienische. Wer also könnte die Frage also besser beantworten, was denn die Tessiner Küche ausmacht? «Die Tessiner Küche gibt es ja eigentlich nicht», antwortet Ranza direkt. «Sie ist eine Mischung aus Piemonteser und Lombardischer Küche, die im 20. Jahrhundert durch die Einwanderer aus Süditalien zusätzlich unter mediterranem Einfluss stand. Der Risotto kam schon im 19. Jahrhundert ins Tessin. Aber nach hundert Jahren kann man schon von einer Tessiner Spezialität sprechen», sagt der Risotto-Spezialist mit feiner Ironie.
Von der perfekten Zubereitung der Reis-Spezialität hat einer wie Ranza, der in seiner Heimat Bergamo Risotto gewissermassen mit der Muttermilch aufgesogen hat, also klare Vorstellungen. Als erstes bestimme die Wahl der Reissorte die Qualität des Endprodukts: Carnaroli soll es sein, «der hat ein schönes Korn, so dass man immer noch sieht, was man isst».
Anrösten ohne Zwiebeln! Der erste wichtige Schritt sei danach das Anrösten («tostare»): Es passiert in Olivenöl, ohne Zwiebeln, aber unter ständigem Umrühren. «Die Zwiebeln verbrennen gern oder werden zu grob geschnitten, und beides mag ich nicht», sagt Ranza. Zudem sei die Zwiebel schon in jedem Fond oder jeder Brühe, die er verwende, vorhanden. Den Reis selbst wolle er als möglichst neutralen Geschmacksträger darstellen. Beim Anrösten können erste, grundsätzliche Fehler gemacht werden, die nicht wiedergutzumachen sind: Ist der Reis zu wenig oder zu viel geröstet, «explodiert das Korn später quasi oder verkocht schnell, weil es zu viel Flüssigkeit aufnimmt». Der richtige Zeitpunkt zum Ablöschen sei gekommen, wenn der Reis zu heiss werde, um ihn in die Hand zu nehmen.
Der Rahm-Trick! Abgelöscht wird mit Rot- oder Weisswein, den man einkochen lässt, um dann mit der Flüssigkeit fortzufahren, die zum gewünschten Endergebnis passt: Gemüse- oder Geflügelbrühe, Fisch- oder Krustentierfond. «Man muss darauf achten, dass nie zu viel Flüssigkeit im Topf ist, und dass sie immer leicht köchelt. Das ist wichtiger, als dass man ständig umrührt», erklärt Ranza weiter.
Leise köchelnd und immer wieder mit Brühe aufgegossen, sei der Carnaroli nach ziemlich genau 15 Minuten al dente. Dann kommt noch etwas Butter, Olivenöl und Parmesan hinzu, «und man lässt das Risotto nochmals zwei Minuten stehen», sagt der Koch. Je nach Beilage variiert Ranza: «Bei Fisch gebe ich nur wenig Parmesan sowie etwas mehr Olivenöl statt Butter hinzu.» Und dann verrät er noch einen Geheimtipp: «Bei grösseren Mengen und für ein luftigeres Ergebnis, hebe ich wenig geschlagenen Rahm unter den Risotto.»