Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Abgelegen. Wenn der Morgen in Riemenstalden SZ erwacht, steht Robert Gisler schon auf der Terrasse seines Restaurants Kaiserstock und blickt ins Tal. «Dieser Moment ist etwas vom Schönsten», schwärmt der Koch. Das Gasthaus ist wahrlich eine Augenweide. Über und über voll mit roten und pinken Geranien steht es an der Hauptstrasse im 90-Seelen-Dorf – als wolle es dem dichten Nebel mit geballter Fröhlichkeit trotzen. Viel Zeit, um all das Erhabene zu geniessen, hat der 15-Punkte-Chef aber gar nicht. «Wir leben hier wirklich im Paradies, doch wir tun auch einiges dafür.»
Frischer Zopf, alte Geräte. Das fängt beim Brot an. Gisler ist ursprünglich gelernter Bäcker-Konditor. «Dass ich das Brot selber backe, hat mit einem gewissen Berufsstolz zu tun.» Er macht Zopf und Holzofenbrot, ja sogar die Gipfeli sind handgemacht. Statt moderner Küchengeräte benutzt Gisler fast schon antike Gerätschaft. «Meine einarmige Knetmaschine läuft seit 80 Jahren einwandfrei!» Röbi – wie ihn alle nennen – lässt dem Teig viel Zeit zum Aufgehen, deckt ihn zu, kontrolliert wieder. «Der Morgen ist für mich sehr entspannend. Ich kann mir den Tagesablauf zurechtlegen, ein paar Dinge überdenken und auch die Inspiration kommt am Morgen.» Dann kommt das Brot in den Kachelofen. «Die Schamotten müssen die Hitze gut speichern können und dann gleichmässig ans Brot abgeben. Die abfallende Hitze ist das Geheimnis eines guten Brots», erklärt Gisler.
Der Sohn als Lehrling. Das frische Brot ist für Gäste, die in einem der drei zauberhaften Zimmer übernachtet haben. Oder für Wanderer, die sich vorab stärken wollen. Und für die eigene Familie. Robert Gisler führt den Kaiserstock zusammen mit seiner Frau Vroni. Sohn Joël, 17, ist im zweiten Lehrjahr zum Koch, macht die Ausbildung zu Hause im elterlichen Betrieb. Angelina ist 13 Jahre und geht in die erste Oberstufe. Und dann ist da noch Julian-Andrin. Der Eineinhalbjährige Knirps hält die Familie zusätzlich auf Trab. «Momentan muss man ihm ständig hinterherrennen», sagt Vroni Gisler. Dass der Älteste die Lehre in Riemenstalden macht, freut den Vater. «Das gibt ihm noch etwas mehr Halt und Geborgenheit. Aber er bringt auch mehr Einsatz als ein anderer Lehrling. Für ihn ist fast nichts zu viel.»
Büezer & Businessman. Der «Kaiserstock» ist kein Wanderrestaurant. Er ist auch keine Landbeiz. Und kein Gourmetrestaurant. Der «Kaiserstock» ist alles zusammen und lässt sich in keine Schublade pressen. Ein Cordon bleu zum Zmittag, ein Kalbssteak zum Znacht – wenn man es vorher anmeldet, kocht Robert Gisler auch ein Gourmetmenü. Freestyle. Worauf er gerade Lust hat. «Ich schätze dieses buntgemischte Publikum. Vom einfachen Arbeiter bis zum Businessman kommen alle hier her. Und das Geld beider ist für mich gleich viel wert», sagt Gisler.
Moralische Verpflichtung. Doch Geld ist hier oben nicht alles. Das merkt man, wenn man in die Speisekarte schaut. Hier gibt es noch Vorspeisen für weniger als zehn Franken. Das Kalbsgeschnetzelte mit einer knusprigen Butterrösti bekommt man für gerade mal CHF 31.50. «Ich habe auch eine moralische Verpflichtung: Jeder soll hier ein gutes Produkt bekommen, ohne dass er ruiniert ist. Die Preise sind so berechnet, dass wir etwas verdienen, Geld steht aber nicht im Zentrum.» Wer noch ein paar Batzen im Portemonnaie hat – bezahlen kann man nämlich nur bar im Kaiserstock –, der sollte sie ins «Lädeli» investieren. Das frisch gebackene Brot vom Morgen, Salatsauce, Suppen oder selbstgemachte Pasta kann man hier für zu Hause einkaufen.
Bachforelle & Austern. Die Produkte im «Kaiserstock» sind nicht nur von guter, sondern von hervorragender Qualität. Wilde Heubeeri und Pilze aus der Region. Die Bachforellen kommen aus dem eigenen Teich. Genügend Fleisch gibt es im Riemenstalder Tal nicht, doch wenn der Metzger ein schönes Tier aus dem Tal hat, geht es auch wieder dahin zurück. Kohlrabi, Salat oder Randen kommen aus dem eigenen Garten. Dogmatisch regional ist Gisler aber nicht. «Im Winter, wenn es nur noch Rüebli und Sellerie gibt, dann kann man sogar frische Austern aus der Bretagne im Kaiserstock essen. Das ist vielleicht ein bisschen verrückt, aber irgendwie auch schön.» Stammgäste wissen: Prima essen kann man im «Kaiserstock» immer. Wer ein Überraschungsmenü will, sagt es zwei Tage vorher, dann kauft der Chef im Tal zusätzliche Produkte ein. «Bei Anruf Gourmet», gewissermassen.
Metzgete mal anders. Bis es soweit ist, gibt es noch zwei weitere Highlights: Wild und Metzgete. Angfangs September geht die Hochwildjagd los. Dann landen Hirsch, Gämse oder auch mal ein Murmeltier auf dem Teller. Im Oktober kommt das Reh hinzu. Die Metzgete folgt kurz darauf. Wer jetzt aber an riesige Schlachtplatten denkt, liegt falsch. «Man kann alles in kleinen Portionen bestellen. Man bestellt dann verschiedene Sachen – ein bisschen wie bei Tapas.» Sogar eine Mini-Bratwurst mit Mini-Rösti gibt es.
Wild: 14. September bis 3. November
Metzgete: 6. bis 24. November