Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Thomas Buchwalder
Ohne R kein Rauch. Welches ist die wichtigste Zutat für Ihre Küche? Pascal Melliger, neu mit einem ersten Michelin-Stern ausgezeichneter Küchenchef im «Wein & Sein» in der Berner Altstadt, muss nicht lange überlegen: «Der Rohess-Speck aus dem Bauernrauch der Metzgerei Jaun. «Dieses Raucharoma ist einzigartig. Dazu braucht es einiges an Fingerspitzengefühl.» Claudia Jaun, die soeben Fleisch und Speck in die Restaurantküche geliefert hat, nickt. «Ja, man muss schon ziemlich Erfahrung mit dem Bauernrauch sammeln, das ist nicht ganz einfach.» Ihre Familie räuchert Schinken, Speck und Wurst selbst, im Dachstock eines behäbigen Bauernhauses mit Jahrgang 1780 bei Neuenegg. Hier ist auch das Metzgerfachgeschäft Jaun zuhause. Um den Laden kümmert sich jetzt Tochter Claudia, die gelernte Fleischfachfrau. Und verrät eine Erfolgsformel: «In den Monaten ohne R kommen keine grossen Stücke wie Beinschinken oder Speck in den Rauch. Da wird nichts Gutes draus. Von Mai bis August hängen wir einzig Würste in die Rauchkammer.» Aber jetzt ist Herbst, und der Dachstock mit den vom jahrhundertelangen Räuchern glänzend schwarzen Wänden ist gut gefüllt. Jede Nacht sorgen glimmende Sägespäne im Ofen für das perfekte Aroma. Grosses Bild oben: Claudia (l.) und Daniela Jaun.
Man lernt nie aus: «In Monaten ohne R kommen bei uns keine grossen Stücke in den Rauch», sagt Daniela Jaun.
Hausspezialität der Metzgerei Jaun: Rohess-Speck! Das Raucharoma ist einzigartig.
Eine Familiengeschichte. Daniela Jaun, die ältere Schwester, ist Pächterin und Chefin des Restaurants Wein&Sein an der Berner Marktgasse. Claudia Jaun tritt als gelernte Fleischfachfrau in die Fussstapfen ihrer Eltern Kurt und Marianne, die im Januar «30 Jahre Metzgerei Jaun» feiern können. Daher liegt nahe, dass das «Wein & Sein» alle Fleisch- und Wurstwaren aus dem elterlichen Geschäft in Neuenegg bezieht. Oft sind dies auch ganze Tiere, die Chef Melliger von «Nose to Tail» verwertet: Mal ein Rind, mal drei Rehe, die als Edelstücke, aber auch als Pfeffer mit allen klassischen Wildbeilagen auf den Teller kommen. Und der viel gelobte Rohess-Speck? Wir finden ihn in den Ravioli, die im Älplermagronen-Stil mit Speck- und Käsefüllung, Apfel und Sellerie zubereitet werden. Die sind so beliebt, dass ihn Stammgäste gerne als zusätzlichen Menügang bestellen. Melliger outet sich auch als grosser Saucenfan. Seine Jus kann er bei Jauns in der Metzgerei ansetzen; seine Küche in der Berner Altstadt ist derart winzig, dass er für die lange brodelnden Fleischextrakte auf seinem Herd kaum Platz hätte.
Schweizer Fleisch aus der Familienmetzgerei: Daniela und Claudia Jaun, mit Küchenchef Pascal Melliger («Wein & Sein», Bern).
Schweizer Fleisch aus der Region. Die Metzgerei Jaun bietet nahezu ausschliesslich Schweizer Fleisch an, wo immer möglich aus der nächsten Umgebung. Wenn einmal eine Ausnahme gemacht werden muss, etwa bei Lamm oder bei Ross-Entrecôte, dann wird das auf dem Preisschild auch so vermerkt. «Wir kennen unsere Bauern. Wir wollen wissen, wie die Tiere leben, die wir verarbeiten», sagt Daniela Jaun. Geschlachtet wird von einem Metzger im nahen Biberen, die junge Fachfrau hat sich auf die Veredelung der Fleischstücke spezialisiert. «Ich kreiere gerne neue Produkte, richte die Fleischtheke ansprechend her, berate die Kunden bei Fragen zur Zubereitung und betreue unser Catering». Dieses Catering ist ein wichtiges Standbein. Beliefert werden Familienfeiern, aber auch das örtliche Oktoberfest: Backhendl, Weisswürste und hausgemachter Kartoffelsalat für 1000 Personen! Eine Jaun-Spezialität sind die «Schlossbeindeckeli», ein fein marinierter Special Cut vom Schweinsstotzen. Claudia Jaun gibt ihr Fachwissen gerne weiter, als «Abwechslung zum Alltag». Sie trainierte die Schweizer Kandidatin für die Euro Skills und gibt Kurse im Ausbildungszentrum Spiez. Sie selbst errang 2013 an den Swiss Skills und 2015 an den Euro Skills eine Silbermedaille.
