Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Festtagsschmaus. Filet im Teig oder Fondue Chinoise. Das sind unsere Weihnachtsessen. Eine Gans landet bei Herr und Frau Schweizer eher selten im Ofen. Das ist Sache unserer deutschen Nachbarn. Dabei lohnt sich dieses Festtagsessen, wie 16-Punkte-Chef Sebastian Rösch beweist. Der junge Chef aus Bayern mag für sich zwar keine Signature Dishes bestimmen, doch die Gans in der Vorweihnachtszeit hat sich irgendwie aufgedrängt. Die Gänse-Ravioli stehen jedes Jahr auf der Winter-Karte und sind bei den Gästen äusserst beliebt. «Ravioli mit Kalbfleisch macht ja jeder», sagt Rösch. Der Chef schmort die Keulen, wodurch der Fond jede Menge Power kriegt. Das gezupfte Fleisch wird nochmal mit Fond und Gänsefett abgeschmeckt, so dass die Füllung schön saftig ist.
Extensive Rasse. Rösch bezieht die Tiere vom Geflügelzüchter seines Vertrauens: Roman Clavadetscher. Der Bauer hält auf seinem Hof 30 Gänse – die exklusiv für Rösch und das «Mesa» sind. Bei den Tieren handelt es sich um Dithmarscher Gänse. «Das ist eine sehr robuste Rasse, die langsam wächst», erklärt Clavadetscher. Rösch macht sich gerne selbst ein Bild von den Tieren. Bei seinem Besuch Ende Oktober sind die Gänse fünf Monate alt. Geschlachtet werden sie auf das Martinifest und in einer zweiten Etappe auf Weihnachten.
«Gägägägägägäää!», ruft Clavadetscher. «Kömed, Gägelis!» Die Gänse folgen. Schliesslich gibt’s was zu futtern. «Am Anfang essen sie Weizen und Mais. Im Sommer eigentlich nur Gras.» Ab und zu gibt’s noch einen Leckerbissen in Form einer vom Baum gefallenen Birne oder Zwetschge. Für Rösch ist das wie eine Reise in die Vergangenheit. «Das erinnert mich an früher, an den Hof meiner Oma», sagt der Chef. Gänse sind in der Schweiz aber nach wie vor ein Nischenprodukt. «Ich halte die Gänse aus Freude, nicht weil es ein wirtschaftlicher Faktor ist», sagt Clavadetscher. Sein wichtigster Zweig ist der Knoblauch. Daneben baut er Wein, Zwiebeln, Süsskartoffeln und Mangold an. Und er ist einer der wenigen, die Bruderhähne aufziehen.
Bruderhähne. Die männlichen Bibeli werden auf gewöhnlichen Geflügelfarmen getötet – sie legen bekanntlich keine Eier und setzen zu wenig Fleisch an. Sprich: Sie bringen zu wenig Ertrag. «Das ging mir immer gegen den Strich», sagt Clavadetscher. Also nahm er sich vor rund acht Jahren dem Projekt an. «Wir haben mal mit 100 Stück angefangen. Heute haben wir 20'000.» Das klingt nach viel, verglichen mit anderen Hühnerfarmen ist das aber ein Klacks.
Keine Medis. Auch bei den Bruderhähnen handelt es sich um eine extensive Rasse: Sie wachsen langsamer, aber dafür länger. Robust sind die Tiere ebenfalls, sie brauchen keine Medikamente. Und wenn doch, kann man mit etwas Natürlichem wie Steinmehl behandeln. Doch auch eine solche Zucht muss eine Rentabilität herstellen können. Und das geht nur über den Eierkonsum. Das heisst, der Kunde bezahlt für die Eier etwas mehr und ermöglicht somit die Aufzucht männlicher Küken.
Hals & Herz. Auch Sebastian Rösch bezieht Bruderhähne fürs «Mesa». Doch aktuell dreht sich alles um die Gans. An einem Abend anfangs Dezember gibt es im Zürcher Lokal ein komplettes Gänsemenü. Die Tortellini sind fix. Daneben macht Rösch ein Brioche mit Gänselebercreme und Trüffel vom Käferberg. Oder Gänsebrust mit Semmelknödel. Dafür lässt der Chef das Fleisch auf der Karkasse und reibt es mit Honig und Gewürzen ein. Auch Herz und Hals landen auf dem Menü. «An so einem Abend kann ich das machen. Aber es gibt Stammgäste, die explizit danach fragen.» Wer das Gänse-Dinner verpasst, geht aber nicht leer aus: Bis Weihnachten hat Rösch sicher immer etwas mit Gans auf der Karte.
>> Alles von der Malanser Gans: am 2. Dezember im Restaurant Mesa.