Text: Elsbeth Hobmeier Fotos: Fabian Häfeli
Stiva heisst gute Stube. Eine Stiva veglia ist eine alte gute Stube. Der Name passt perfekt zum urgemütlichen Gasthaus in Schnaus. Schnaus? Ein kleines Dorf in der Bergwelt der Surselva, nur wenige Autominuten weg von Ilanz und gar nicht so weit von Chur, Vals, Flims und Obersaxen. Alles hier ist stimmig: Viel Holz, Kerzen, schön aufgedeckte Tische, im Entrée eine Berkel-Aufschnittmaschine. Eine Augenweide ist das alte Büffet mit Stall, wo einst die Stubenkücken lebten. Heute kommen die Hühnchen wie möglichst alle Lebensmittel von regionalen Betrieben. «Das ist mir wichtig», erklärt Tino Zimmermann, «wir wollen eine erdverbundene, realistische Küche mit stimmigen Produkten.» Und so gibts auf der Karte der Stiva Veglia denn auch kein Hummer, keine Entenleber, keine Meeresfrüchte und kein Meerfisch, obwohl das Restaurant von Tino und Cornelia Zimmermann in einer hohen Liga spielt und mit 15 GaultMillau-Punkten und dem einzigen Michelin-Stern in der Surselva ausgezeichnet ist.
Lieblingskartoffel early rose. Raritäten wie Safran aus Sagogn, Saibling aus dem Lumnez, Bergkartoffeln aus dem Albulatal, Wagyu-Rindfleisch aus Alvaneu sind in Zimmermanns Küche hochwillkommen. Er gerät ins Schwärmen, wenn er von seiner Lieblingskartoffel Early Rose erzählt, die er nur mit Butter und Salz gewürzt auf den Teller presst, Sauerrahm aus Brigels drauf häuft und mit Kaviar vom Tropenhaus Frutigen krönt. Oder vom Ziegenfrischkäse aus Curaglia, «ein richtig schönes weiches Käsli, das ich mit etwas Fleur de sel und Olivenöl würze - super». Eine innige Beziehung pflegt Zimmermann zum Safran aus Sagogn. Die violett blühenden Felder entdeckte er einst zufällig. Heute geht mit 100 Gramm die Hälfte des gesamten Ertrags in die Stiva-Veglia-Küche.
Jeder will sein Ei. «Den feinfleischigen Saibling aus der Familie der Lachse habe ich immer auf der Karte, mal als Vorspeise, mal als Hauptgang». Tino Zimmermann bezieht ihn direkt und topfrisch aus einer Zucht im Val Lumnezia mit umweltfreundlicher Aquakultur. Eine Erfolgsgeschichte sind das Kalbstatar und das Schnauser Ei, das er 45 Minuten bei Niedertemperatur gart. Er rechne schon zum voraus für jeden reservierten Platz mit einem Ei, «denn das will einfach jeder!».
In Schnaus ist man auf dem Land. Besonders auf der Terrasse, wo einem die Trauben und die Früchte fast in den Mund wachsen. Ein Reichtum an Kirschen, Äpfeln, Zwetschgen, Aprikosen, Trauben und Quitten reift in Griffnähe. Und alles wird in der Küche verarbeitet, zu feinen Desserts, zu Gelée, zu Sorbets. Da kann Tino Zimmermann aus dem Vollen schöpfen - und Cornelia Zimmermann am Tisch stets wieder neue Kreationen anbieten. Sehen lassen kann sich auch der Weinkeller mit Trouvaillen aus der Schweiz und Europa, viele davon in Magnumgrösse. Und wer es lieber ohne Alkohol mag, wählt einen Vertschi, den Durstlöscher aus Verjus.