Text: GaultMillau Schweiz Fotos: Kurt Reichenbach
Spektakel im «Stübli». Seit über 25 Jahren betreibt die Familie Salzano ihr charmantes Landhotel bei Interlaken mit Erfolg – nicht zuletzt dank der Arbeit ihres ambitionierten Küchenchefs Stephan Koltes, der seit Mai 2017 für das gastronomische Angebot verantwortlich ist. Der 36-Jährige kreiert eine «naturnahe Erlebnisküche», die im rustikalen «Stübli» des 3-Sterne-Hotels spektakulär daherkommt. Dabei schickt Koltes‘ kleine Brigade nicht nur das anspruchsvolle Menü in bis zu sieben Gängen (Fr. 145.–), sondern auch ein ganz normales A-la-Carte-Angebot. Dass dies die Küche an die Grenze der Belastbarkeit bringt, merkt der Gast beim Blick auf die Uhr, fast fünf Stunden dauert das Erlebnis.
Nicht jede Idee gelingt. Nach in Petit d’Arvine eingelegtem Rhabarber mit Erdbeer-Vinaigrette wird ein kleiner Kasten aufgetragen, Rauch dringt daraus hervor und der Box entnommen werden wunderbare, saftige und geräucherte Buns mit Spareribs. Nicht jede Idee gelingt, bei der Lachsforelle mit Yuzu und Kräutersorbet auf einem zu gross geratenen Holzlöffel ist zwar die Absicht erkennbar, aber die Kleinigkeit lässt sich schwer essen, das Sorbet ist schon geschmolzen und die Aromen verbinden sich unzureichend.
Avantgardistisch und gekonnt. Lobenswert sind unter anderem das Roggensauerteigbrot mit Tannenessenz und Trüffelbutter, die Kombination aus Randen und Geisskäse oder der knackige Spargel mit knusprigen Pistazien-Canneloni und Bärlauch-Espuma. Die Saucen sind fast durchgehend avantgardistisch geprägt, aber handwerklich gekonnt umgesetzt wie beim aromatische heissen Pilzschaum mit Brennnessel-Sponge und verschiedenen Pilz-Texturen oder beim alpinen Saibling (Leber sowie Tatar im Mangoldblatt) an Saiblings-Dashi. Nur zum gar minimalistisch portionierten Kalbsfilet im Kräutermantel mit Haferrisotto und Milken gibt es etwas klassischen Jus. Geschmacklich dominieren aber die Kräuter, die vermutlich durch das Erwärmen unangenehme Bitternoten entwickeln. Abgesehen davon ist auch das ein überraschender, hochkreativer Gang. Wie schliesslich das Dessert, das aus dem Flüssigstickstoff-Nebel erscheint und in der Form von Steinen Sanddorn, Veilchen und Hagebutte mit Pistazieneis und Brennesselbiskuit vereint.
Fazit: Es scheint bisweilen, als ob Stephan Koltes vor lauter Kreativität kaum weiss, wohin damit. Gerichte werden in handgemachter Keramik, auf Steinen und in Holzkästchen serviert, man wird mit so vielen Techniken und Aromenkombinationen konfrontiert, dass vor lauter Aufregung wenig Raum für die Wahrnehmung bleibt. Das ist insofern schade, als dass diese einmalige, hervorragend gemachte Naturküche in einer etwas weniger dynamischen Menügestaltung vermutlich besser zur Geltung käme.