Text: Jennifer Segui
Zweimal Gewinnerin des «Service Awards». Was ist guter Service? Sarah Benahmed zögert nicht lange mit ihrer Antwort: «Er muss von Herzen kommen. Er soll authentisch sein, aufrichtig und elegant. Und man muss erkennen können, was ein Gast erwartet, um ihm ein massgeschneidertes Erlebnis zu bieten.» Um ihren Job gut zu machen, braucht es also sowohl Knowhow als auch persönliche Wahrnehmung. Dass die Serviceleiterin im «La Table de Lausanne Palace» dies alles mitbringt, ist auch dem Guide Michelin aufgefallen. Er hat Sarah Benahmed im Oktober den diesjährigen «Service Award» verliehen. Notabene: zum zweiten Mal – schon 2017 durfte sie die Auszeichnung entgegennehmen, damals war sie im Restaurant «Le Crocodile» in Strassburg (F) tätig.
Alle Gäste möchten dasselbe: eine gute Zeit! Neben der beschriebenen Aufmerksamkeit für jeden Gast ist der Partnerin von «Table»-Küchenchef Franck Pelux im Beruf ein warmes, menschliches Auftreten wichtig. Sie fordert dies auch von ihren Mitarbeitern: «Sie sollen die Kundschaft nicht wie Roboter empfangen, sondern sich selbst sein!» Schnell merkt man, Sarah Benahmed hält wenig von steifem Auftritt und unumstösslichen Codes, erst recht nicht, um den Testern der Gastroguides zu gefallen: «Bei uns soll es ungezwungen zu und hergehen, familiär, wie in einer währschaften Gaststätte!» Was sie an solchen einfachen Restaurants mag: Die gute Hausmannskost. Dass Wirtsleute die Kinder der Gäste aufwachsen sehen. Dass man am Ende des Abends ein Glas zusammen trinkt. Die Geräusche im Raum. Und das pulsierende Leben dort: «Und auch die Tester wollen am Ende nichts anderes, als im Restaurant eine gute Zeit verbringen», sagt die 33-Jährige.
Service oder doch Küche? Dass die Gäste zu Tisch eine gute Zeit bei ihr haben, das treibt Sarah Benahmed seit ihrer Kindheit an. Als älteste von drei Schwestern, aufgewachsen im französischen Département de la Drôme, musste sie jeweils die Mahlzeiten für ihre jüngeren Geschwister zubereiten, wenn die Eltern wegen der Arbeit abwesend waren. Mit 15 Jahren entschied sie sich – gegen den Willen ihres Vaters, der sie eher als Ärztin oder Anwältin sah – in die Hotelfachschule Tain-L’Hermitage einzutreten. Dort schwankte sie zwischen Küche und Service, entschied sich schliesslich für Letzteres: «Ich mag beides, fühle mich jedoch wohler bei den Gästen. Vielleicht ahnte ich tief in mir drin ja schon, dass ich mich mal in einen burgundischen Koch verlieben würde!»
Beim zweiten Treffen war’s Liebe auf den «ersten» Blick. Diesen Koch traf sie dann zum ersten Mal während eines Praktikums im Restaurant Le Charlemagne in der Nähe von Beaune. Konzentriert auf ihr Studium und erst 16 Jahre alt, blieb die Begegnung folgenlos. Zwei Jahre später trafen sich die Franck Pelux und Sarah Benahmed erneut – und da war es plötzlich Liebe auf den «ersten» Blick. Das Paar arbeitete von da an in den gleichen renommierten Häusern, er in der Küche und sie im Service, bei Yannick Alléno in Courchevel oder bei Arnaud Donckele in Saint-Tropez. Im Jahr 2015 zogen sie sogar eine zeitlang nach China; im Restaurant Temple in Peking nutzte die Gastgeberin die Gelegenheit, die seit ihrer Kindheit gehegte Leidenschaft für Asien auszuleben.
Erfolg im französischen TV, dann in Lausanne. Im Jahr 2019 schafft es Pelux ins Finale der belgisch-französischen Sendung «Top Chef», was das Paar über eine Rückkehr nach Frankreich nachdenken lässt. Es folgt das bereits angedeutete Engagement im Strassburger «Le Crocodile» (inklusive einem Michelin-Stern). 2020 zieht das Paar in die Hauptstadt des Kantons Waadt. Im «La Table du Lausanne Palace» ziehen sie fortan alle Register; er mit seiner grosszügigen, emotionalen Kochkunst, sie mit ihrem eleganten und herzlichen Service. Und von da an hagelt es Auszeichnungen, das Lokal ist inzwischen mit 17 Punkten und zwei Sternen dotiert.
Mutter und zugleich berufstätig sein! Doch das grösste Glück im Leben des Paars steht 2022 an: Sie begrüssen Tochter Siana in ihrer Mitte. Sarah Benahmed, die einzige Frau, die bei der letzten Michelin-Zeremonie ausgezeichnet wurde, liess es sich nicht nehmen, bei der Entgegennahme des Preises ihre Mutterschaft zu thematisieren. Sie wollte allen anderen Frauen zeigen, dass Leidenschaft für den Beruf und erfülltes Familienleben keine Gegensätze sein müssen: «Man kann alles erreichen, wenn man es wirklich will. Tut man es mit Leidenschaft, Herz und Aufrichtigkeit, zahlt sich das immer aus!»