Fotos: Roy Matter
Fussball und Küche. Gerade gestern hat Sascha Spring eine Halbzeit lang als Aussenverteidiger seines Vereins FC Schwarz-Rot Thun gespielt – ein Testspiel des Vereins aus der 4. Liga. Heute hatte er vor unserem Gespräch einen hektischen Mittag: «Seminarbetrieb, Bankette und der Rotary Club», sagt der erst 24-jährige Berner. «Alles unter einen Hut zu bekommen, ist eine grosse Aufgabe», sagt er dazu. Denn Sascha Spring gehört zu den auffälligsten Figuren der gehobenen Gastronomie im Land, im Hotel Seepark Thun ist er Küchenchef, ziemlich sicher einer der jüngsten in der Schweiz, und neben dem Kongress-Geschäft kocht er von Donnerstag bis Samstag auch noch auf beeindruckend hohem Niveau im kleinen Gourmet-Restaurants des Hauses unter dem Namen «Centric Dining».
Freundlich, aber bestimmt: Sascha Spring beim Anrichten am Pass des Hotel Seepark Thun.
Sascha allein zu Hause. Wir kommen gleich darauf zurück, aber angefangen hat letztlich alles damit, dass Sascha Spring, der als Einzelkind einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist, in der Schule oft «gehänselt und gemobbt» wurde, wie er heute erzählt. So viel Küchentischpsychologie im Wortsinn sei erlaubt: Weil seine Mutter oft arbeiten musste, war der junge Sascha oft allein mit dem Hund zu Hause und entwickelte dabei einen erstaunlichen Willen und eine Resilienz, die im festen Vorsatz mündete, sich nicht «brechen zu lassen». Zur Geschichte des jungen, talentierten Chefs gehört auch, dass er früh die Freude am Kochen entdeckt hat. «Für meine Mutter habe ich gern Spaghetti Carbonara gekocht, damals allerdings noch mit Rahm», sagt er lachend. Heute wird der italienische Klassiker nach Bilder- beziehungsweise Rezeptbuch mit Pecorino, Eigelb und Guanciale zubereitet. Dass er Koch lernen wollte, sei spätestens nach dem Hauswirtschaftsunterricht klar gewesen. Obwohl er sich während der Ausbildung in der Küche einer Klinik oft unterfordert fühlte und in der Schule auch mal eingeschlafen sei, wurde er von seinen Vorgesetzten gefördert und so hat sich Sascha Spring in kürzester Zeit einen Namen in der Szene gemacht.
«Centric Dining»: im Gourmet-Restaurant dreht sich alles um Gerichte und Geschichten.
Eine Chance für den Nachwuchs: Vincenzo Ciardo, General Manager im Hotel Seepark Thun.
Referenz an Dominik Sato: Pochierte Grillardeau-Auster Nr. 2 mit Stangensellerie, Apfel und Zitrusfrüchten.
Militärpolizei statt Küche. Spring wechselt in die grossen Küche des Vitalressort Deltapark in Thun, machte ein Zwischenjahr in der Küche einer Confiserie und verbrachte zehn Monaten in der Schweizer Armee – «bei der Militärpolizei, nicht in der Küche, weil ich die Herausforderung liebe». Danach wollte er mehr über «Fine Dining» lernen. Der «Seepark», wo ein gewisser Dominik Sato (heute: «The Chedi», Andermatt) damals auf dem Niveau von 17 Punkten und einem Stern kochte, schien dafür perfekt. «Aber als ich angefangen hatte, erfuhr ich, dass Dominik nur noch zwei Monate da sein würde», sagt Spring. Nach einigen Personalrochaden beschloss der dynamische neue Hoteldirektor Vincenzo Ciardo im August 2024 den auffällig begabten Koch gleich zum Chef zu machen. «Man muss den jungen eine Chance geben», sagt er heute zu dieser gelungenen Personalentscheidung.
Sichere Hand beim Abschmecken: Tatar von Oberländer Rind mit Randen-Yuzu-Sorbet, Meerrettich und Buttermilch.
Auster, Fondue, Taube. Springs Menü ist die relative Unerfahrenheit an keiner Stelle anzumerken, alles dreht sich um Gerichte und Geschichten. Für jeden Gang kommt jemand aus der Küche an den Tisch, erzählt und erklärt. So entsteht eine persönliche Atmosphäre, auch wenn das so genannte «Story Telling» keine Kochkunst ersetzt. Aber der 1. FC Spring überzeugt bei alledem auf einem selten gesehenen Niveau für einen Debütanten: Als Erfrischung gibt es eine Gillardeau-Auster No. 2 – eine Referenz an den erwähnten Dominik Sato und seine filigrane Kochkunst, wie Sasche Spring sagt. Dann wird es bodenständiger: Fondue im Beignet, ein Umami-reiches Pilz-Tartelette oder ein Tatar vom Schweizer (Oberländer) Rind mit Randen-Yuzu-Sorbet zeugen von einer sicheren Hand beim Abschmecken. Und für die Wildschwein-Salami zum Brotgang ist einer von Springs Köchen selbst auf die Jagd und zum Wursten gegangen. Kochen sei wie Fussball ein Teamsport, sagt Sascha Spring. Er arbeite gerne mit jungen Leuten, zum Team gehören zwei Lehrlinge, und er lasse seinen Köchen Spielraum für die Umsetzung eigener Ideen. In dieser Gemengelage und mit dem gleichzeitig ungebrochenen Willen des Küchenchefs, es ganz nach oben zu schaffen, entsteht offensichtlich ziemlich viel sehr Gutes.
Kochen ist Teamsport: die komplette Küchenmannschaft des Hotel Seepark Thun.
Erfrischender Ehrgeiz. Im Gespräch wirkt Sascha Spring, der im April 2025 seinen 25. Geburtstag feiert, freundlich, offen und zuvorkommend. Seinen Ehrgeiz verpackt er dabei trotzdem nicht in wollige Worte, sondern drückt ihn erfrischend klar aus: «Ich möchte der jüngste Sternekoch der Schweiz werden und in die Reihen der GaultMillau-Köche kommen», sagt er. Dass der 1. FC Spring kurz vor dem Aufstieg steht, zeigt sich bei genialen Löffelgerichten wie der Espuma von geräucherten Kartoffeln mit Lauch, Eigelb und Trüffel aus Oberhofen BE. Und dass der junge Mann auch Saucen kann, beweist er bei der sensationell samtenen Geflügel-Molken-Jus zur gebratenen Taube aus dem Reifeschrank von Alfred von Escher. Vier Ansätze sind notwendig, bis der Jus die gewünschte Intensität hat. Er sei Koch geworden, weil er sein Können unter Beweis stellen wolle und um sich messen zu können, sagt Sascha Spring rückblickend. Das Schönste sei für ihn aber, Gästen Freude zu bereiten. Bisher scheint dem jungen Berner all dies erstaunlich leicht zu gelingen.
>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben, für die Liste «Talente 2025». Fortsetzung folgt.