Text: Max Fischer I Fotos: Gabriel Monnet
Der Wurstkönig von Lucens. Es ist morgens um 8 Uhr. Metzger und Patron Michaël Wyler und sein Lehrling sind in der Boucherie Wyler in Lucens VD am Vorbereiten fürs Wursten. «Pro Woche stellen wir etwa 40 Kilo Saucisson vaudois IGP und in Spitzenzeiten bis 200 Kilo Saucisse aux choux vaudoise IGP her», sagt Michaël Wyler. Mit Ziegenbart, kahlem Hinterkopf und voll tätowierten Armen begrüsst er: Auf den ersten Blick geht er als Hipster oder Bodybuilder durch. Er ist sich seines auffälligen Aussehens durchaus bewusst: «Kunden, die zum ersten Mal bei uns einkaufen, würden nie erwarten, dass ich der Patron bin.» Der 33-jährige Familienvater lacht. «Nach dem ersten Schock erinnern sie sich meist gut an mich.» Er lacht noch lauter. Er ist einer der Wurstkönige im Waadtland. Davon zeugen mehrere Medaillen an Meisterschaften. Die beiden bekannten Waadtländer IGP-Würste gehören zu seinen Favoriten.
Keine Schwarte in der IGP-Saucisson. Klar ist: Schnörrli & Co. haben keine Chance. «Gemäss Pflichtenheft darf in der Saucisson vaudois IGP keine Schwarte sein», so Wyler. Auch Sehnen, blutige Teile und Lymphknoten müssen die Metzger entfernen. In die Wurst kommen etwa zwei Drittel mageres Fleisch und ein Drittel Fett. «Die Grundgewürze sind Salz und Pfeffer», so Wyler. Jeder Metzger, der noch nach alter Tradition und Handwerkskunst arbeitet, fügt weitere Gewürze hinzu. «Die Rezepte bleiben geheim», sagt Wyler. Bei der Saucisse aux choux vaudoise IGP besteht die Fleischmasse aus magerem Schweinefleisch, Speck, gebrühter Schwarte – und natürlich aus Schweizer Kohl. Die verwendeten Schweine für die Herstellung beider Waadtländer Spezialitäten werden ebenfalls zwingend in der Schweiz gemästet und geschlachtet. Die beiden Metzger pressen die verquirlten Fleischmassen mit einer Maschine in die Schweine- und Rinderdärme. Und wie im Schlaf schnüren sie anschliessend die Würste zusammen. Die Saucisson vaudois kommt als dicklich-gerade Wurst daher, die Kabiswurst in gebogener Form wie ein U. Für etwa 24 Stunden werden die Würste getrocknet, danach bei 18 bis 28 Grad kalt geräuchert. Der Rauch entsteht durch das Verbrennen von Sägemehl und Laub- und Nadelhölzern. Fertig sind die goldbraunen Würste.
Diese Würste sind Kulturgut. Weshalb setzt er konsequent auf IGP? «Ich versuche, möglichst viele Schweizer und regionale Spezialitäten in meinem Sortiment zu führen», sagt er. Das IGP-Qualitätszeichen «Indication Géographique Protégée» biete dem Konsumenten die Garantie, dass die Produkte nach einem klar definierten Pflichtenheft in einer bestimmten Region hergestellt würden. Die Saucisson vaudois IGP und die Saucisse aux choux vaudoise IGP gehören zum Waadtländer Erbe. «Bei IGP-Produkten muss mindestens ein Schritt der Herstellung – meist die Verarbeitung – in einem abgegrenzten, historisch belegten geografischen Gebiet durchgeführt werden», präzisiert Alain Farine, Direktor der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP. Für ihn sind es diese einzigartigen Produkte aus Fleisch, Käse, Früchten und Getreide, die für Schweizer Herkunft, Schweizer Rohstoffe und lokale Identität mit Handwerk, Geruch und Geschmack stehen. «Echt Schweiz», sagt er lachend. «Sie machen unser. Genussland so unverwechselbar und vielfältig.» Lediglich 41 äusserst hochwertig-traditionelle Produkte dürfen das Qualitätszeichen tragen – sie sind im Bundesregister der AOP-IGP eingetragen. «Ein solches Qualitätszeichen lebt von der Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen. Deshalb greifen wir bei Missbrauch knallhart durch», sagt Alain Farine. «Dadurch können wir die Identität und das regionale kulinarische Erbgut aufrechterhalten.»
Das Geheimnis der Chabiswurst. Fans lieben die beiden Waadtländer IGP-Würste. Unbedingt probieren: das «Papet vaudois» – die würzigen Würste zusammen mit Lauch und Kartoffeln an einer Weissweinrahmsauce. Gemäss einer Legende hat die Saucisse aux choux vaudoise IGP ihren Ursprung im Jahr 879. Der deutsche Kaiser Karl und seine Gefolgschaft hielten sich mehrere Wochen in Orbe VD auf. Als das Fleisch knapp wurde, soll ein Bürger der Stadt auf die Idee gekommen sein, das Wurstfleisch mit Weisskohl zu strecken. Das Räuchern der Würste entstand später im Mittelalter. Damals entdeckte man, dass sie dadurch länger haltbar waren. Und heute sorgen gerade diese aromatisch-rauchigen Aromen für ein besonderes Esserlebnis.
>> Vom 3. bis 18. Februar können Geniesser in Restaurants in der ganzen Schweiz bei den «IGP-Gastrowochen» das kulinarische Erbe der Schweiz selber kennen lernen. Die teilnehmenden Köche bieten auf ihrer Karte mindestens drei IGP-Spezialitäten und zwei Schweizer Weine an.
>> www.igpgastrowochen.ch
>> www.aop-igp.ch
>> www.boucheriewyler.ch