Bei Sato, Wehrle & Ravet auf der Karte. Uhren, Schokolade und Taschenmesser. Beim Stichwort Schweizer Herkunft denkt man an viele Dinge – bloss nicht an Meeresfrüchte. Dabei haben sich hierzulande inzwischen eine ganze Handvoll Betriebe der Aufzucht von Shrimps verschrieben. Und fast noch eine Spur verblüffender: Starchefs wie Dominik Sato, Mike Wehrle oder Guy Ravet reissen sich um die Salzwasser-Delikatesse «made in Switzerland». Weshalb eigentlich?
Swissness auch bei Shrimps. Jonas Ingold vom Restaurant Löwen in Messen SO (16 Punkte) hat sich für Garnelen von «SwissShrimps» entschieden, weil sie «kompromisslos frisch und nachhaltig produziert sind.» Als er vor einigen Jahren erstmals von von der Farm in Rheinfelden AG gehört hat, bestellte er die «Meeresfrüchte» umgehend zur Degustation. Sie begeistern seither nicht nur ihn, sondern auch seine Kundschaft. Etwa als Tatar mit geschäumter Bisque, Wasabi-Mayo, Kimchi und Oona-Kaviar. Unschwer zu erkennen: Bei diesem Gericht kommen sämtliche Komponenten aus der Schweiz! «Das Erlebnis für unsere Gäste wäre nicht dasselbe», so Ingold, «wenn ich ‹Shrimps, Aquakultur, Vietnam› in die Karte schreiben müsste.»
Garantiert antibiotikafrei. Doch die Küchenchefs aus der Schweiz begeistern sich nicht nur deshalb für Crevetten aus der Schweiz, weil zig Transportkilometer und Flugmeilen wegfallen. Geschätzt wird ebenso das sichere Wissen, dass diese ohne Antibiotika produziert werden. «Einzig der Preis ist vergleichsweise hoch», sagt Luca Bianchi von der Bianchi AG, bei welcher Produkte von «Schlössli Shrimps» in St. Margrethen SG im Angebot sind: «Schweizer Shrimps kosten das Dreifache im Vergleich zur Ware aus Vietnam.» Und so kommen weiterhin über 99 Prozent aller Crevetten aus dem Ausland - was die Schweizer Garnelen umso exklusiver macht.
Schockgefroren wie frische Erbsli. Ob sie tiefgefroren werden oder nicht, scheint eine Glaubensfrage zu sein: Bei den «Schlössli Shrimps» werden die Garnelen aus dem Becken gefischt und sofort schockgefroren, so wie man es etwa von handelsüblichen grünen Erbsen her kennt. Bei «Swiss Shrimps» dagegen werden die Shrimps erst dann aus dem Wasser gezogen, wenn sie bestellt sind. Gekühlt werden sie in recyclebare Mehrweg-Boxen verpackt und sollen spätestens 24 Stunden später – ungefroren – beim Kunden ankommen. «Der nussig-süsse Geschmack kommt so in einem Ceviche oder Tatar besser zur Geltung», ist Mitbegründer und Marketingmann Rafael Waber überzeugt.
Salz vom Nachbar, Holz vom eigenen Wald. Nachhaltigkeit wird nicht zuletzt gross geschrieben, wenn es um das Beheizen der Zuchtbecken geht: Bei «Swiss Shrimps» nutzt man hierfür die Abwärme der benachbarten Schweizer Salinen, von denen übrigens auch die über 300 Tonnen Salz kommen, die man jährlich ins Wasser gibt. Bei «Aemme Shrimps» in Burgdorf BE, wo Landwirt Christian Kunz neben Ackerbau, Mutterkuhhaltung, Gemüse- und Obstbau auch Crevetten aufzieht, wird mit Hilfe von Solarpanels und einer Holzschnitzelanlage geheizt - betrieben notabene mit Brennmaterial aus dem eigenen Holzschlag.
Shrimps mit unreifen Erdbeeren. Vielleicht der einzige «Schönheitsfehler», den allen Anbietern gemeinsam ist: Es handelt sich durchs Band um reine Aufzuchtfarmen. Noch sei, so konstatieren gleich mehrere Farmen, die Reproduktion in Eigenregie zu aufwändig. Dies zu ändern scheint auch nirgends oberste Priorität zu haben. Bei den Starchefs bleibt das Interesse nichtsdestotrotz hoch. So kombinieren John Jezewski und Christian Brangenfeldt in ihrer «Villa Hundert» hoch über Engelberg Schweizer Shrimps mit gedämpften Broccoliblättern, Wollschweinemulsion und unreifen Erdbeeren. Nordic Cuisine «made in Switzerland» eben! Und Noémie Bernard vom bodenständigeren Restaurant Sternen in Walchwil am Zugersee setzt die Shrimps als Tatar mit Kürbiscreme auf die Karte. Der Markt scheint in der Tat noch nicht gesättigt zu sein. Oder in den Worten von Rafael Weber von SwissShrimps: «Wir könnten noch mehr ausliefern.»
>> Schweizer Shrimps-Farmen:
www.greenfish.ch (Schlössli Shrimps)
Fotos: Thomas Buchwalder / Pascal Grob / David Biedert / Digitale Massarbeit / Olivia Pulver / HO