Text: David Schnapp

Tipp 1: Stefan Lünse, Lenkerhof, Lenk, 17 Punkte. Ohne Störungen auf der Strecke dauert es 2 Stunden und 37 Minuten, um von Zürich aus den «Lenkerhof» im Simmental zu erreichen. Das Gourmet- und Spa-Resort ist nicht zuletzt dank der konsequenten Arbeit von Chef Stefan Lünse die Reise wert. Schrittweise hat er in den letzten beinahe acht Jahren die Küchenleistung verbessert, fünfzehn Gänge stehen jeden Abend zur Auswahl, die 140 Gäste können à la Carte sechs Gerichte plus Supplement auswählen. «Das ist ein anstrengendes Konzept, aber wir versuchen uns immer wieder zu steigern», sagt der 40-jährige Küchenchef. Zurzeit gibt es zum Beispiel Ormalinger Schwein (geschmorte Keule und gebratener Rücken), Wirsing, Felchlin-Kakaofruchtsaft und Erdnuss. «Runder Geschmack, Säure und Crunch» seien entscheidende Elemente seiner Gerichte, sagt Lünse. Die wichtigste Zutat einer erfolgreichen Küche sei aber das Team: «Gute Fachkräfte zu finden, ist das zentrale Thema heute, deshalb bilden wir auch selbst gute Lehrlinge aus», so Stefan Lünse.

Stefan Lünse, Lenk, Lenkerhof, Restaurant Spettacolo, Nespresso Lounge

Er ist im Lenkerhof der wichtigste Mann: Küchenchef Stefan Lünse.

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Atlantik-Hummer, Hamburger, Bisque. By Stefan Lünse. 

Tipp 2: Hansjörg Ladurner, Scalottas Terroir (Hotel Schweizerhof), Lenzerheide, 16 Punkte. Auf der Lenzerheide ist Hansjörg Ladurner (grosses Bild ganz oben) gerade an den letzten Vorbereitungen für die Wintersaison. «Heute haben wir gerade zwei Turopolje-Schweine geschlachtet, und die Steinböcke aus der Herbst-Jagd habe ich schon zu Hamburgern verarbeitet. Bündnerfleisch-Spezialist Jörg Brügger macht aus dem Rest Trockenfleisch», erzählt der 50-jährige Koch. Ladurner arbeitet mit dem, was die alpine Natur hergibt – Roggen und Ackerbohnen vom eigenen Feld inklusive. Nur bei den Gewürzen macht er Kompromisse: «Meine Küche muss Sinn machen, Zimt und Kardamom gehören für mich nun mal an einen Steinbock-Pfeffer.» Unermüdlich sucht der gebürtige Südtiroler nach neuen Produkten und Techniken: «Jetzt habe ich zum Beispiel roten Chinakohl von meinem Gemüsebauer als Kimchi fermentiert», so Ladurner. Dank der Unterstützung der Familie Züllig, zu deren «Schweizerhof» das «Scalottas Terroir» gehört, hat der Küchenchef «fantastische Möglichkeiten», wie er sagt. «Ich bin noch noch nicht am Höhepunkt angelangt, es geht immer weiter», verspricht Hansjörg Ladurner.

Tipp 3: Stefan Rehli, «Löwen», Walenstadt, 16 Punkte. Der 44-Jährige Stefan Rehli ist «ein wenig schockiert vor lauter Freude», als er von seiner neuen Bewertung erfährt. «Mit unseren Möglichkeiten ist das eine wahnsinnige Ehre», sagt er. Rehli und sein einziger Mitarbeiter machen im «Löwen» alles zu zweit, «den Einkauf, den Abwasch und das Kochen selbst. Wir können nicht aus dem vollen schöpfen wie Kollegen in Bad Ragaz oder Zürich und Walenstadt ist kein einfacher Standort», erzählt der Koch. Gerade hat ihm Walensee-Fischer Hanspeter «Frosch» Gubser frische Felchen gebracht. Die pochiert Stefan Rehli und serviert sie für ein kleines Bankett in einer Riesling-Schaumsuppe – eine ehrliche Küche ohne Pinzetten-Feinarbeit, nennt er es selbst.

Küche Stefan Rehli mit Felchen auf dem Walensee.

Ohne Pinzette: Stefan Rehli frühmorgens auf dem Walensee mit frischem Felchen.

Stiva Veglia, Tino Zimmermann

Gastfreundschaft auf hohem Niveau: Tino Zimmermann in der «Stiva Veglia», Schnaus.

GM_Löwen_Menzingen_Franco_Körperich

«Ich kenne meine Gäste»: Franco Körperich vor dem «Löwen» in Menzingen.

Tipp 4: Tino Zimmermann, Stiva Veglia, Schnaus, 16 Punkte. Gastfreundschaft auf hohem Niveau und «kreative, ausgezeichnete Gerichte» zeichnen das Erlebnis in der «Stiva Veglia» in Schnaus aus, wie die GaultMillau-Tester aus dem gemütlichen Lokal von Koch Tino Zimmermann und seiner Ehepartnerin und Restaurant-Gastgeberin Cornelia berichten. Ein Signature Dish ist beispielsweise das Schnauser 45-Minuten-Ei mit Süsskartoffel, geröstetem Blumenkohl und Beurre-noisette-Schaum. Zum Erlebnis und zum hohen Grad der Gastfreundschaft gehört etwa auch, dass der Koch jedem Gast «fantastische Häppchen» all jenen am Tisch serviert, die nicht das ganze Menü bestellten, heisst es im aktuellen Guide. 

Tipp 5: Franco Körperich, Löwen, Menzingen, 16 Punkte. Schon fast rätselhaft gut war das Erlebnis unseres Testers im «Löwen», Menzingen. «Eine Küche voll Leidenschaft. Dramatisch tiefe Saucen. Teller angerichtet wie ein Gemälde. Ist da eine Brigade in Hochform? Fehlanzeige. Franco Körperich zieht sein Ding draussen in der Küche allein durch. Mit Pinzette, grossem Löffel und grenzenlosem Engagement», heisst es im GaultMillau 2022. «Ich fange am Morgen an und weiss genau, wie viele Leute abends kommen, und dann bin ich perfekt vorbereitet», verrät der Koch den Weg zum Erfolg. Das Geheimnis seiner Küche sei, dass es keine Speisekarte gebe: «Ich weiss, wer meine Gäste sind und stelle mich auf sie ein.» Das sei kulinarisch, aber auch wirtschaftlich sinnvoll, so Körperich.

Casanova Madulain

Immer neue Überraschungen: Bottura-Schüler Paolo Casanova in Madulain.

Rolf Fuchs. Panorama Hartlisberg, Steiffisburg BE; 20.09.2018, Foto Lucian Hunziker

Wie ein Fussballtrainer: Rolf Fuchs auf der Terrasse seines Restaurant Panorama.

Tipp 6: Rolf Fuchs, Panorama, Steffisburg, 17 Punkte. Jeune Restaurateur (JRE) Rolf Fuchs hat den Familienbetrieb mit Panoramablick auf den Thunersee im vergangenen Lockdown innenarchitektonisch auf Vordermann gebracht, aber auch in der Küche ist der dynamische Berner laufend daran, das Angebot zu verfeinern. «Ich koche heute einfacher und reduzierter als früher, der Aufwand geht mehr in den Geschmack als in die Optik. Da investieren wir viel Zeit und sind nicht so schnell zufrieden», sagt der 43-Jährige über den Stand seiner Kochkunst. Der Schlüssel zum Erfolg sei die Erfahrung: «Ich kann heute viel Arbeit schon vorab im Kopf machen, so dass es dann weniger Zeit in der Küche braucht.» Ausserdem ist der 17-Punkte-Koch auch ein gefragter Ausbildner. «Wir finden immer wieder tolle junge Leute, die jeden Morgen froh darüber sind, dass sie diesen Beruf ausüben können. Und weil wir ein kleiner Betrieb sind, müssen sie auch früh Verantwortung übernehmen. Ich bin da wie ein Fussballtrainer, ich muss meine Spieler auf dem richtigen Posten einsetzen», erklärt Fuchs seine Rolle als Chef eines jungen Teams mit Vorwärtsdrang.

Tipp 7: Paolo Casanova, Chesa Stüva Colani, Madulain, 16 Punkte. Er war eine Entdeckung des Jahres 2020 und überrascht Tester und Gäste zuverlässig mit ausgeklügelten Aromen-Kombinationen und technischen Finessen im Boutique-Hotel Chesa Colani in Madulain: Der Italiener Paolo Casanova koch im beschaulichen Oberengadin gut und immer wieder überraschend, wie unser Tester bei gleich zwei Besuchen feststellen konnte: «Da gab’s zum Beispiel ein Hirschtatar und eingelegte Wachteleier, Kartoffel-Nelken-Chip, Litschi, Currykraut-Gelee, Reiswaffel und Nori-Algen.» Seesaibling, auf Tannennadeln gegart, oder gebratenes Lammherz mit fermentierten Himbeeren – Casanovas Küche ist weit entfernt von gewöhnlich, aber aussergewöhnlich gut.

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Fotos: Digitale Massarbeit, Marcus Gyger, Ellin Anderegg, Lucia Hunziker