Interview: Kathia Baltisberger | Fotos: Gian Ehrenzeller/Endemol Shine
Innereien-Lasagne & Tellersülze. Sven Wassmer gehört zu den besten Köchen der Schweiz mit 18 GaultMillau-Punkten und zwei Michelin-Sternen! Und seit Sonntagabend gehört er zu den Chefs, die Tim Mälzer bei «Kitchen Impossible» geschlagen haben. Die Aufgaben waren eine Herausforderung. Mälzer war im «Kle» in Zürich bei Zizi Hattab und bei Jakob Zeller und Ethel Hoon im «Klösterle» in Vorarlberg. Sven Wassmer landete in München bei Graciela Cucchiara, die ein italienisches Feinkostgeschäft führt und für ihre Innereien-Lasagne Vincisgrassi bekannt ist. Die zweite Wirkungsstätte: Die Metzgerei und Wursterei Peter Dirr in Endingen am Kaiserstuhl. Der Schweizer schlug sich tapfer. Er analysierte seine Gerichte souverän und seine Versionen überzeugten die Jury. Auch Mälzer kochte sehr gut - allerdings nicht gut genug. Sven Wassmer schlägt Tim Mälzer mit 14 zu 12,6 Punkten.
Herzliche Gratulation, Sie haben Tim Mälzer bei «Kitchen Impossible» geschlagen. Er gewinnt ja überdurchschnittlich oft. Hätten Sie mit einem Sieg gerechnet?
Tim hat das schon so oft gemacht, er hat so viel Know-how. Und es gibt ja praktisch nichts, was er noch nicht gekocht hat. Aber innerlich habe ich schon gehofft, dass ich gewinne. Dafür macht man ja mit. Ich bin happy, dass ich gewonnen habe. Und auch ein bisschen stolz.
Wie und wo haben Sie die Sendung geschaut?
Ganz gemütlich mit meiner Frau Amanda zu Hause.
Sie waren in einer Metzgerei und mussten Sülze kochen. Die andere Aufgabe war eine Innereien-Lasagne. Kommen Sie mit dieser bodenständigen Küche klar?
Eigentlich schon. Aber die Tellersülze, dieses Gericht würde ich mir nie bestellen. Das ist nicht meine Welt. Aber ich mag die Philosophie dahinter, dass man wirklich alles vom Tier verwendet.
Sie mussten sogar den Schweinskopf selber auslösen.
Das war ein Schreckmoment. Ich kam in diese Metzgerei, um dort einzukaufen. Ich dachte, die wollen mich verarschen, als ich das Schwein ausbeineln musste. Es ist schon etwas länger her, dass ich ein ganzes Schwein vor mir hatte. Aber das hat man schon mal gelernt. Hinzu kam noch, dass ich gleich wusste: So eine Sülze braucht enorm viel Zeit. Ich wusste, es wird ein langer Abend. Das hat mich extrem gestresst, aber ich musste cool bleiben.
Bei der Tellersülze haben Sie eine Bilderbuch-Analyse hingelegt. Wussten sofort, wie man sowas herstellt, obwohl Sie das nie essen und wohl auch kaum in ihren Restaurants kochen. Woher kommt das Wissen über die Funktion von Schweinefüssen?
Ich hatte das Glück, dass ich in meiner Lehre viele klassische Gerichte machen musste: Kalbskopf oder eine Schweineschnauze sind für mich nichts Fremdes. Und ich verarbeite ja auch gerne alles vom Tier. Ich bin jetzt nicht so der Innereien-Fan, aber sowas schreckt mich überhaupt nicht ab.
Apropos Innereien. Die Lasagne, die Sie in München nachkochen mussten, war ja voll mit Kalbsbries, Hirn, Darm, Leber und so weiter.
Was da alles drin ist, habe ich erst gemerkt, als ich mir die Sendung zusammen mit Tim Mälzer in Hamburg angeschaut habe. Während der Analyse habe ich gesehen, dass viel verschiedenes Fleisch drin ist und wusste, dass Leber mit reinkommt. Aber alles andere zu erkennen, ist unmöglich. Das Hirn zum Beispiel: Das gibt einen reichen fetthaltigen Geschmack, aber das verläuft auch und man kann es nicht mehr als Hirn erkennen. Also habe ich einfach meinen Weg eingeschlagen und probiert, die beste Lasagne zu kochen.
Was war insgesamt das Schwierigste? Wo kamen Sie an Ihre Grenzen?
Die Lasagne war schon eine fiese Aufgabe. Auch beim Pastateig: Ich habe gemerkt, dass ist kein normaler Teig. Dann gabs noch nicht mal eine Waage. Das ist ein Rezept, das über Generationen weitergegeben wurde. Wie willst du da rankommen? Das ist wirklich «Kitchen Impossible».
Haben Sie in irgendeiner Form für die Sendung geübt?
Ich habe mir im Vorfeld keine Gedanken gemacht. Ich habe mich einfach darauf eingelassen. Ich weiss, dass ich einen starken Geruchs- und Geschmackssinn habe. Ich bin mit dem nötigen Respekt an die Gerichte heran und habe sie Schritt für Schritt analysiert. Die Analyse ist das halbe Leben. Die muss man gewissenhaft machen und sich die Zeit nehmen. Je besser die Notizen, desto besser ist das Gefühl beim Kochen. Und man muss die Perspektive ändern, so wie Tim Mälzer das auch tut. Er weiss ja, dass er das nicht 1:1 nachkochen kann. Aber er weiss, in welche Richtung es gehen soll und wie er einen Geschmack nachkonstruieren kann.
Tim Mälzer hat Ihnen diese rustikalen Aufgaben in der Hoffnung gegeben, dass ein «Pinzetten-Koch» damit nichts anfangen kann. Hat er ein falsches Bild von Sterneköchen?
Es gab in der Vergangenheit sicher Spitzenköche, die an etwas Einfachem gescheitert sind. Weil man schon den Hang hat, kompliziert zu denken. Was er bei mir unterschätzt hat, ist dass ich von der klassischen Küche komme. Und auch bei der Küche, die ich mache, ist das Fundament der Schlüssel. Er dachte, ich bin ein junger, gehypter Koch. Aber ich setze mich ja mit unserem kulinarischen Erbe auseinander.
Sie haben Tim Mälzer zu Zizi Hattab ins «Kle» geschickt. Was war der Gedanke dahinter?
Er wird eher als Fleisch-Koch wahrgenommen. Im «Kle» wirken die Gerichte fleischig, haben viel umami. Ich dachte nicht, dass er einen Weg findet, diese Geschmäcker vegan nachzukochen. Aber einmal mehr hat er bewiesen, dass er ein gutes Gespür hat. Er kann ein Geschmacksbild nachbauen. Da habe ich noch gedacht, das wird eine knappe Sache.
Und wie haben Sie Tim Mälzer wahrgenommen? Ist er tatsächlich so derb wie er rüberkommt?
Ich habe ihn ja schon kennengelernt, als er bei Silvio Germann das Oeuf Royal nachkochen musste. Und bei «Ready to Beef» hatte ich dann noch mehr mit ihm zu tun. Ich schätze ihn sehr. Er ist geradlinig und direkt, du weisst immer, woran du bist. Er ist eine coole Socke, nimmt sich selber nicht zu ernst. Wir sind beide mit viel Respekt an die Aufgaben herangetreten. Und er hat ja auch gut abgeschnitten. Aber es kann nur einer gewinnen - und das bin ich. Aber er kann gerne eine Revanche haben.