Text: David Schnapp | Fotos: Adrian Bretscher
Der Ort prägt die Küche. Vom grossen Alain Ducasse stammt der Satz, dass ein guter Koch erst einmal in der Gegend um sein Restaurant schauen solle, wo er eigentlich sei. Der Ort, so die Überzeugung des französischen Jahrhundertkochs, prägt die Küche. Seit etwas mehr als einem Jahr arbeitet der gebürtige Luzerner Silvio Germann jetzt in der Thurgauer Gemeinde Freidorf. Von seinem Restaurant Mammertsberg, das er zusammen mit Andreas Caminada gepachtet hat, geht der Blick über eine sanftmütig wirkende Landschaft in freundlichen Farben bis zum Bodensee. Die Weite des Horizonts passt irgendwie ziemlich gut zur Persönlichkeit des 34-jährigen Kochs, der mit 18 GaultMillau-Punkten und zwei Michelin-Sternen zu den besten Chefs des Landes gehört – und zweifellos zu den sympathischsten.
Der Holzofen der Familie Oeler. Offenheit und Neugier sind zwei entscheidende Eigenschaften für einen Koch, der mit seiner Region ins Gespräch kommen will. Silvio Germann steigt in seinen Mercedes und schwärmt erst einmal über die technischen Vorzüge eines Dieselmotors mit Plug-in-Hybrid-System, das rund 100 Kilometer elektrische Fahrt ermöglicht: «Vollgetankt und geladen, komme ich damit über tausend Kilometer weit», sagt er. Dabei fahren wir bloss ein paar Kilometer auf einer geschwungenen Strasse an Obstbäumen vorbei bis zur Holzofen-Trocknerei der Familie Oeler. In Handarbeit trocknen sie rund 20 Sorten Birnen, bis die schrumplig-braun sind und betörend süss duften. Man kann sie lauwarm zu Käse essen oder wie Silvio Germann als Creme in ein Dessert integrieren.
Michael Vogts Hinterhofmetzgerei. Hingabe zur eigenen (Hand-)Arbeit und Sorgfalt zeichnen jeden aus, den der Koch auf seiner kurzen Tour de Suisse orientale besucht: Der 45-jährige gelernte Offsetdrucker Michael Vogt etwa hat irgendwann beschlossen, noch etwas Neues zu lernen, und betreibt jetzt mit grossem Erfolg seine Hinterhofmetzgerei mit Restaurant in Staad SG und ist unter Köchen bekannt für sein Fleisch von «alten Kühen», die er sorgfältig selektioniert und reifen lässt.
Die Büffel-Experten. Eine eigene Geschichte haben Lisbeth und Alois Gabler: Im Jahr 2010 hat sich das Landwirte-Paar in Muolen SG auf die Haltung von Büffeln spezialisiert und liefern die besondere eiweiss- und fetthaltige Milch für die Herstellung von Ostschweizer Mozzarella. Oder für Silvio Germanns Dessert, für das er in seiner Küche Büffelmilchjoghurt herstellt und das er als Mousse mit Zwetschgen serviert. «Die Milch holen wir einmal pro Woche selber auf dem Hof ab», erzählt er.
Hugos Tellerwäscherkarriere. Die Fahrt endet in Weinfelden TG bei Silvio Germanns Kollege Hugo Miguel. Der hat eine beeindruckende Geschichte zu erzählen: Der heute 36-Jährige begann 2009 als Tellerwäscher im «Epoca» in Flims GR, als Germann dort als Koch arbeitete. Einige Zeit später fing Miguel eine Kochlehre an, die er bei Silvio Germann im «IGNIV» in Bad Ragaz abschloss – als Kantonsbester! Und dann hat er sich mit dem Restaurant Siemis in Weinfelden buchstäblich seinen Traum von der eigenen Beiz erfüllt: «Siemis» ist Rätoromanisch und heisst übersetzt Traum.