Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Achtung, Talent! Der Mann fürs Süsse im «Ecco» im Giardino Ascona wirkt stets ein bisschen, als hätte er gerade ein paar seiner eigenen Petits Fours stibitzt. Hat er aber nicht. Denn Simon Unterholzner isst gar nicht so viel Süsses. «Ab und zu ein paar Haribo, mehr nicht», sagt der 26-Jährige. Nicht, dass er keine Süssspeisen mag – am liebsten isst er Vanilleglace mit frischen Himbeeren. Es wirkt eher wie eine gesunde Zurückhaltung. Und trotzdem hat Unterholzner seinen Weg als Pâtissier gemacht, ist eines der vielversprechendsten Talente im Land. Der Südtiroler begann seinen Weg ganz klassisch mit einer Lehre zum Konditor. Simon fertigte Torten und Gebäck. «Es war immer dasselbe, also war es bald Zeit, einen neuen Weg einzuschlagen.»
Angekommen. Dieser führt ins Hotel Castel in Tirol bei Meran zu Gerhard Wieser. «Er hat mich immer angetrieben. Bei ihm habe ich die Liebe fürs Detail entdeckt», sagt Unterholzner. Danach geht’s zu Martin Dalsass in St. Moritz-Champfèr und zu Joachim Wissler ins «Vendôme» nach Bergisch Gladbach. Vor drei Jahren heuerte er bei Rolf Fliegauf im «Ecco» an. Unterholzner ist gekommen, um zu bleiben: «Hier im Tessin fühle ich mich zu Hause. Ich verstehe mich toll mit meinem Chef und habe geniale Arbeitskollegen.»
Ziegenmilch vom «Blüemlisberg». Auch auf dem Teller kommt Simon Unterholzner ziemlich frech daher. Aktuelles Dessert? Mousse aus Ziegenmilchschokolade von Felchlin mit einem Ziegenmilcheis, Haselnüsse, Bergamotte (aus dem Giardino-Garten) und Kerbel. Unterholzner überrascht die Gäste mit etwas Neuem, ohne sie mit einem zu heftigen Ziegengeschmack zu überfordern. «Die Schokolade mit Milch vom Blüemlisberg schmeckt trotz dezenter Ziegennote noch nach Schokolade. Mit der Haselnuss und der Bergamotte bringe ich die Süsse und das Fruchtige rein.»
Wenig Zucker. Die Ideen für die Desserts stammen alle aus Unterholzners Feder, Fliegauf lässt seinem Pâtissier freie Hand. «Natürlich sprechen wir uns ab, damit die Desserts ins restliche Menü passen. Aber eigentlich kann ich tun und lassen, was ich will.» Im Zentrum steht meist ein Grundprodukt, dann wird drum herum gebaut. Verschiedene Konsistenzen kommen zum Zug. Simon spielt mit der Säure, hin und wieder baut er Kräuter mit ein. Zucker ist nicht so sein Ding. «Von meinen Desserts kriegt man keine Karies», scherzt er. In den Rezepten wird nur so viel Zucker verwendet wie unbedingt nötig.
Freestyle. Damit das funktioniert, tüftelt der talentierte Pâtissier viel rum. «Das Dessert startet im Kopf. Dann probiere ich einfach drauflos. Ohne Rezept.» Dabei heisst es doch immer, beim Backen sei Genauigkeit gefragt. «Man weiss ja ungefähr, welche Mengen man braucht, hat Grundrezepte im Kopf. Klar, geht so manchmal auch was in die Hose. Aber sobald ich mit einem Gericht zufrieden bin, rezeptiere ich es ganz genau», erklärt Unterholzner. Und das obwohl er der einzige ist, der in der «Ecco»-Küche die Desserts macht. «Natürlich kriege ich Hilfe, wenn ich welche brauche. Aber die anderen haben auch genug zu tun.» Also muss manchmal der Pâtissier bei anderen Aufgaben mitanpacken. «Ich bin mir für nichts zu schade. Nur so Knochen anrösten für einen Fond, das sollen die anderen machen.» Und wenn morgens die Fleischlieferung kommt, verzieht sich Simon in seine süsse Ecke – und zeigt, was seine Kernkompetenz ist. Er fertigt ein Macaron an mit einer Limettencreme. Dazu gibt’s ein Joghurtglace, frittierter Quinoa und einen Holundersud.