Lisa Bader, welche Parallelen sehen Sie als Sommelière bei Kaffee und Wein?
Kaffee ist bei uns eine Selbstverständlichkeit, die morgens auf Knopfdruck aus der Maschine kommt. Es ist uns zu wenig bewusst, dass Kaffee viele Ähnlichkeiten mit Wein hat. Es kommt auf die Sorte der Pflanze an, die Ernte und der Prozess der Fermentation sind zudem sehr komplex. Kaffee und Wein sind beides aussergewöhnliche Genussmittel, aber beim Kaffee ist man sich das viel weniger bewusst.


Sie waren auf Einladung von Nespresso vier Tage auf einer Kaffeefarm in Kolumbien. Was hat Sie da am meisten überrascht?
Unter einer Plantage stellt man sich bei uns ein gut organisiertes Feld oder einen Rebberg vor. Aber Kaffee ist eine wilde Pflanze, sie wächst in Kolumbien an steilen Hängen und wie in einem Dschungel. 


Was haben Sie Neues über die Verarbeitung von Kaffee gelernt?
Theoretisch wusste ich natürlich, wie Kaffee hergestellt wird, dies aber vor Ort live zu sehen, war dann doch noch einmal etwas ganz anderes. Beeindruckt hat mich die Organisation: Wie die Menschen da am gefühlten Ende der Welt wie eine grosse Familie zusammen auf diesen Plantagen leben, essen und arbeiten. Und es ist tastsächlich so, dass Firmen wie Nespresso viel zum Wohlergehen der Kaffeebauern beitragen. Um die Investitionen der Bauern in nachhaltige Qualität zu belohnen, zahlt die Schweizer Firma eine Prämie für Kaffee, der über das so genannte AAA-Programm bezogen wird. 

Kaffeebohnen Kolumbien

Mehrmals jährlich geerntet: reife Kaffeebohnen.

Lisa Bader

«Beeindruckende Organisation»: Lisa Bader bei der Kaffee-Ernte in Kolumbien.

Sie haben in den letzten Jahren immer wieder an Kaffee-Tastings teilgenommen. Worauf kommt es da an?
Ob man Kaffee- oder Weinaromen versucht zu schmecken, macht letztlich keinen Unterschied. Hat es mehr oder weniger Tannine, wie ist die Textur, hat es mehr oder weniger Fruchtsäure? Diese Fragen sind bei Wein und Kaffee gleich, Als Sommelier sollte man immer versuchen, sich nur auf die Sensorik zu konzentrieren. Wichtig ist, der Versuchung zu widerstehen, dass man erraten will, was es ist. Sonst verliert man den Fokus.


Wie meinen Sie das?
Es geht nur um den Geschmack und nicht darum, ob es jetzt ein Riesling ist beispielsweise. 


Produkte oder Geschmäcker zu analysieren und zu erklären, gehört zu Ihren Kernkompetenzen. Wie macht man das gut?
Indem man versucht, dass sich das Gegenüber auf das Produkt einlässt. Wenn man etwas so erklärt, dass der andere das gut versteht und nachvollziehen kann, klappt das man in meiner Erfahrung am besten. Wenn ich beim Kaffee beispielsweise von Fruchtsäure spreche, sind viele zunächst vielleicht erstaunt. Wenn ich dann aber erklären kann, wie das entsteht und worauf es beim Rösten ankommt, wird es verstanden.
 

Lisa Bader 2020

«Es geht nur um den Geschmack»: Lisa Bader als Sommelière des Jahres im The Dolder Grand (2020).

Kaffee am Ende eines Essens ist in der Regel ein schneller Espresso. Wie kann man mehr daraus machen?
Weil Kaffee, wie eingangs erwähnt, noch nicht den richtigen Stellenwert hat, gibt es gleichzeitig eine Riesenchance, daraus mehr zu machen. Mit Markenbotschaftern zum Beispiel kann – ähnlich wie beim Champagner – das Produkt nochmals ganz anders positioniert und viel stärker als Genussmittel dargestellt werden. 

 

>> Lisa Bader (35) war 2021 GaultMillaus «Sommelière des Jahres» und damals zuständig für alle Weinfragen im The Dolder Grand in Zürich. Heute ist sie selbständige Beraterin und freie Sommelière für Gastronomie, Weingüter oder Privatkunden.