Text: Stephan Thomas I Fotos: Olivia Pulver
Rinder, Esel, Hofschweine. Von der Power der Hitz-Schwestern in Churwalden GR würde man sich gerne ein Stück abschneiden. Sie als Rinderzüchterinnen zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Das tun sie zwar tatsächlich in erster Linie. Daneben aber betreiben sie eine Bergbeiz, ein Eventlokal, Campingstellplätze und mehrere Hoflädeli, metzgen, käsen, halten Alpschweine einer sehr seltenen Rasse. Sie päppeln Esel auf, die ihnen der Tierschutz zugewiesen hat. Für Kinder von der nahen Skipiste betreiben sie einen Mittagstisch. Das ist noch lange nicht alles.
«Wir verstehen uns ohne Worte.» Doch erzählen wir von vorne. Die Hitz-Schwestern sind zu viert: Nina, Lena, Luzia und Ursula. Sie sind in unterschiedlichem Mass im Betrieb engagiert, aber wenn Not an der Frau ist, stehen alle auf der Matte. Operativ sind vor allem Nina und Lena tätig. Nina hat vor zwölf Jahren die Verantwortung für den Hof von den Eltern übernommen. Sie weiss: «Die vielfältigen Aufgaben sind nur zu bewältigen, wenn man sich hundertprozentig aufeinander verlassen kann. Wir sind ein super Team, verstehen uns ohne Worte.» Ein Mann ist doch auch noch dabei: Ninas Freund Ruedi, der seit fünf Jahren mitmacht und vor allem zum Maschinenpark schaut. Die Hitz-Sisters schwärmen von ihrer Grossmutter. Sie war die erste Frau in Graubünden, die Latzhosen trug und auch sonst grosse Eigenständigkeit an den Tag legte. Heute ist sie noch mit einem Rezept für Schokoladekuchen präsent. Die Details dazu bleiben geheim.
Shiatsu-Massage für die Rinder. Die Rinder im Gemeinschaftsstall zwischen Churwalden und Parpan führen ein Herrenleben. Der Bau geräumig, Auslauf gibt es auf dem 60 Hektar grossen Gut reichlich. Sind die Rinder mal krank, hilft Tierhomöopathie; Lena Hitz ist Fachfrau auf diesem Gebiet. Stimmt etwas in der Umgebung nicht, wird auch mal ein Pendler beigezogen. «Wenn es den Tieren nicht gut geht, geht es uns auch nicht gut», sagt Nina, «wir beobachten sie ständig - ihr Fell, ihre Haare, ihre Ohren und Augen. Das sagt enorm viel aus.» Manchmal kriegen die Rinder sogar Shiatsu-Massagen, als wären sie Kobe-Rinder. Achtsamkeit widmen die Hitz-Schwestern aber nicht nur den Tieren, sondern auch den Menschen. Eines ihrer vielen Projekte heisst «Go offline». Hier sollen Handy-geschädigte Jugendliche in einem 66tägigen Entzug wieder Bodenhaftung bekommen. Nina hat eine entsprechende Coaching-Ausbildung absolviert.
«Wir kochen wie die Grosseltern, mit Butter und Rahm.» Was passiert nun mit den Wagyus, Hinterwäldern und raren Evolène-Rindern? Gastronomie und Metzger sind dankbare Abnehmer, ebenso viele Feriengäste aus dem Unterland, die auf dem Weg in Richtung Lenzerheide und Engadin an dem Stall vorbeifahren. In den Hoflädeli mit dem Label «7099 Egga» können sie sich nach Herzenslust eindecken. «Edelstücke sind eher Ladenhüter. Was läuft, sind die Second Cuts, Haxe, Leber.» Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Auch wenn Nina erzählt, was den Kindern am Mittagstisch geboten wird. «Wir kochen wie die Grosseltern, mit Butter und Rahm. Die Kinder schätzen das, lassen sich bis fünf Mal nachschöpfen.»
Hier kommen die Tiere auf die Welt. Hier leben und sterben sie. Ninas grosse Vision: «Wir wollen das ganze Leben der Rinder auf dem Hof stattfinden lassen. Die Tiere kommen hier auf die Welt, leben und sterben hier, werden hier veredelt und verkauft. Die Hoftötung läuft bereits, nun wollen wir eine Metzgerei angliedern. Ein alter Metzger hat mir alle seine Rezepte anvertraut unter der Bedingung, dass ich bei ihm das Handwerk lerne. Das habe ich getan. Eine harte Schule, aber es hat mich weitergebracht.» Für die Zukunft muss man sich keine Sorgen machen. «In unserem Gemeinschaftsstall sind wir keine Konkurrenz, sondern orientieren uns an den Stärken der anderen. Man soll sich sowieso immer am Guten ausrichten. Und wenn sich eine Tür schliesst, geht dafür eine andere auf.»