Text: David Schnapp Fotos: Valeriano Di Domenico
Marc Langenbrinck, Sie sind CEO von Mercedes-Benz Schweiz, aber wir treffen uns hier in einer Küche. Da besteht Klärungsbedarf, nicht?
Für unsere Masterclass brauchte Sven Wassmer einen Küchenjungen, ich bin maximal untalentiert, da war mein Team der Ansicht: «Da muss der Chef ran!» Ernsthafter: Ich koche persönlich nicht aussergewöhnlich gut, aber sehr gerne. Und einem Profi auf diese Art über die Schulter gucken zu können, ist einfach sensationell. Mit Sven zu kochen, ist wie mit Roger Federer Tennis zu spielen.
Mercedes ist der neue Partner des GaultMillau. Aus Ihrer Sicht: Wohin soll die Reise gehen?
Ich hoffe natürlich, dass wir zusammen lange kulinarisch unterwegs sind. Wenn es um gutes Essen geht, ist der GaultMillau in der Schweiz führend. Und Mercedes-Benz ist es bei den Premiumfahrzeugen. Es tun sich also zwei zusammen, die in ihren jeweiligen Bereichen ganz vorne sind. Für uns geht es darum, unseren Kunden besondere Erlebnisse und Entdeckungen, Events und Roadtrips zu tollen Restaurants zu bieten – die Möglichkeiten sind so vielfältig wie die Küche an sich.
Die Frage ist banal, aber liegt doch auf der Hand: Was haben gutes Essen und schöne Autos gemeinsam?
Sehr viel, es geht in beiden Fällen um Genuss. Wer zu schätzen weiss, was eine Premium-Automarke mit all ihren Dimensionen – vom Design, über die Fertigung bis zum Kundenservice –bieten kann, hat auch einen Sinn für gute Küche. Unser Slogan lautet «Das Beste oder nichts», und das gilt für einen Spitzenkoch genauso. Es geht in beiden Fällen um handwerkliche Exzellenz, es geht um Innovation und Tradition: Man muss sein Handwerk beherrschen und gleichzeitig dank seiner Kreativität für immer neue Wow-Effekte sorgen können.
Können Sie ein Beispiel machen?
Viele unserer Kunden fahren Mercedes-Benz, weil sie unsere Autos einfach schön finden. Und manche Gerichte sind so ästhetisch, dass man sie kaum essen möchte. Diese Art von Wow-Effekt verbindet uns. Und schliesslich muss man ja zu jedem Restaurant irgendwie hinkommen…
Mit Sven Wassmer und Guy Ravet haben Sie zwei Markenbotschafter engagiert, die beide jung, erfolgreich und ein Versprechen für die Zukunft sind. Aber es sind auch sehr unterschiedliche Kochtypen. Was verbindet die beiden mit Mercedes-Benz?
Wie wir wollen auch Sven und Guy Spitzenleistungen vollbringen, jeder auf seinem eigenen Weg auf höchstem Niveau. Wer auf der Stufe von 18, 19 Punkten kocht, möchte kreieren, nicht kopieren. Uns war es auch ganz wichtig, Botschafter aus verschiedenen Landesteilen zu haben, um die kulturelle Vielfalt der Schweiz abbilden zu können. Wenn ich die Passion und Leidenschaft sehe, mit der Guy und Sven ihr Handwerk betreiben, bin ich stolz darauf, mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Und beide wissen, was sie können, aber sind trotzdem bescheiden. Auch das passt zu uns: 70 Prozent der Mercedes-Benz Kunden lassen die Modellbezeichnung am Heck entfernen. Sie wissen, was ihr Auto kann, müssen das aber nicht offensiv zur Schau stellen.
Welche Rolle spielt Tischkultur in Ihrem eigenen Leben?
Meine Frau ist halb Italienerin, halb Französin, wir haben sieben Jahre in Paris gelebt, und ich hatte das Glück dort fast alle Zwei- und Drei-Sterne-Häuser der Stadt kennenlernen zu dürfen. Aus jedem Urlaub bringe ich ausserdem zum Leidwesen meiner Frau immer ein Kochbuch mit. Kurz: Tischkultur spielt eine wichtige Rolle in unserem Leben und für mich bedeutet es letztlich, Menschen um mich zu haben, die mir viel bedeuten, und mit Ihnen etwas zu geniessen. Da reicht auch mal frisches Sauerteigbrot, das ich dank Svens Mutterhefe mittlerweile selber backen kann, ein Stück Parmesan und ein Glas Wein. Es geht um das Erlebnis der Sinne. Meine Oma hat immer gesagt, «s’muss schmecke, Bub!».
Wie sieht das Sonntagsessen bei Familie Langenbrinck aus?
Wir essen abends grundsätzlich warm, und am Wochenende kocht gerne die ganze Familie zusammen. Meine Tochter und ich sind fürs Salzige zuständig, meine Frau macht Dessert und Salat. Dann gibt’s zum Beispiel Wolfsbarsch aus der Salzkruste mit Ratatouille und zum Schluss einen cremigen Schokoladenkuchen ohne Mehl oder eine klassische Bavaroise.
Wie hat Sie eigentlich das Leben in Paris kulinarisch geprägt?
Schon mein Vater hat gute Küche sehr geschätzt, als ich etwa 25 Jahre alt war, hat er mich zum Beispiel einmal zu Harald Wohlfahrt in die «Schwarzwaldstube» eingeladen, das habe ich bis heute nicht vergessen. In Paris wurde ich vermutlich noch etwas anspruchsvoller. Man begegnet dort oft dieser grossen klassischen Küche. Die ist zwar grandios, aber auch wenig überraschend. Ich mag es, wenn es den erwähnten Wow-Effekt gibt, wenn das Bewusstsein für die Tradition mit einem gut entwickelten Sinn für Innovation zusammengeht.
Woran messen Sie die gestiegenen Ansprüche?
Da geht es um kleine Dinge: Wir essen zum Beispiel sehr gerne Ziegenkäse zu Hause. Am liebsten französischen, das liegt in der Familie. Aber da mache ich mir dann halt die Mühe nach Colmar zu fahren zum Affineur meines Vertrauens um dort perfekt gereiften Käse zu kaufen.
Von der klassischen französischen Haute Cuisine bis zur avantgardistischen Küche von Sven Wassmer ist es ein weiter Weg. Was fasziniert Sie persönlich an der Arbeit von Spitzenköchen wie Sven oder Guy?
Diese kompromisslose Konsistenz einer durchgehenden Philosophie, finde ich sehr faszinierend. Dass Sven Wassmer sich auf eine natürliche, lokal verwurzelte alpine Küche konzentriert, die aber gleichzeitig unglaublich innovativ ist, macht es für mich aus. Aber auch die Art, wie er sein Team einsetzt, um eine Nähe zum Gast aufzubauen, macht ein Essen im «Memories» atmosphärisch aussergewöhnlich. Diese Nähe merkt man auch bei Guy Ravet im Ermitage, er verwendet ebenfalls vor allem lokale, authentische Produkte, ist aber enorm kreativ. Sein Credo lautet: Qualität. Genuss, Freude. Das kann ich nur unterschreiben, vor allem die Freude, wenn ich seine Teigwaren oder einen Risotto bei ihm geniessen darf.
Was macht für Sie ein gutes Essen im Restaurant aus, wann wird es zum Erlebnis?
Es gibt zwei Arten Erlebnisse. Zu einen, wenn du etwas Bekanntes auf exzellente Art und Weise umgesetzt siehst. Ich liebe zum Beispiel Currywurst, aber da gibt es verheerende Unterschiede. Aber es gab schon Momente, wo ich in Berlin drei Stück gegessen habe, weil die Wurst so grossartig geschmeckt hat. Die zweite Art von Erlebnis ist, wenn du etwas Unbekanntes kriegst, das aber auf überraschende Weise sensationell ist, wie zum Beispiel Svens Saibling mit gebranntem Rahm und Tannenöl. Wichtig ist mir persönlich, dass noch zu erkennen ist, was auf dem Teller ist.
Marc Langenbrinck, 52, ist seit 2017 CEO von Mercedes-Benz Schweiz AG. Davor war er unter anderem Präsident und Generaldirektor von Mercedes-Benz Frankreich und Managing Direktor von Smart. Langenbrinck stammt aus Freiburg im Breisgau, ist deutscher und französischer Staatsangehöriger und hat mit seiner Frau drei Kinder.