Achtung, Tiefflug! Allzu schnell wird man kulinarisch enttäuscht. Und gerade in den Ferien ärgert man sich doch sehr darüber, wenn man statt einem kulinarischen Höhenflug zu erleben, in einer eher zweifelhaften Lokalität landet. Der GaultMillau-Channel hat bei vier Starchefs nachgefragt, an welchen Anzeichen zu erkennen ist, dass man ein Restaurant besser meiden sollte.
«Was mich abschreckt, sind Speisekarten, die in rund zehn verschiedenen Sprachen geschrieben sind. Da weiss man, dass es sich beim entsprechenden Restaurant um eine Touristenfalle handelt. Was ich ebenfalls nicht mag: Wenn diese kleinen Standard-Weingläser verwendet werden – wer keine guten Gläser hat, verkauft sicher auch keinen herausragenden Wein. Und noch ein Punkt, der mich stutzig macht: Wenn Olivenöl und Essig bei 35 Grad Lufttemperatur stundenlang auf den Tischen stehen. Dasselbe gilt für Brot, das meiner Meinung nach erst geschnitten werden sollte, wenn die Gäste sitzen. Generell gilt: In fremden Städten sollte man sich von der Nase leiten lassen! Wenn es nach ranzigem Öl riecht, sollte man die Flucht ergreifen. Wenn man aber feine Grillaromen wahrnimmt oder einen köchelnden Sugo riecht – nichts wie hin! So habe ich in Barcelona mal eine kleine Tapasbar entdeckt, dort gab es ein wirklich köstliches Ragout aus Eierschwämmchen, Calamares und Schweinsfüssen. Das habe ich dann gleich dreimal bestellt!»
Antonio Colaianni eröffnet in der zweiten Augusthälfte die Trattoria Freilager in Zürich.
«Meine Abschreckung Nummer 1 bei Restaurants in fremden Ländern: Wenn jemand vor dem Restaurant steht und mich ins Lokal hineinziehen will! Auch nicht so mein Ding: Wenn die Gerichte in Plastik nachmodelliert und in einer Vitrine ausgestellt sind, auch wenn das in Asien gang und gäbe ist. Oder wenn die Menükarte durchgehend mit Fotos bebildert und mit Folie laminiert ist. In Thailand mag das vielleicht «hui» sein, in Europa aber ist es «pfui»! Sonst schau ich auf die üblichen Punkte: Dass eine Gaststätte nicht auffällig leer ist. Oder dass es nicht unangenehm riecht. Mein Tipp fürs positive kulinarische Erlebnis in den Ferien: Fragen Sie in Bars oder an den Hotelrezeptionen nach guten Adressen, wo auch Einheimische essen. In Albanien wurde ich vom Airbnb-Check-In in ein Lokal geschickt, da wurde alles in Pfannen zubereitet, die man mitten in die offene Glut gestellt hat. Wir hatten einen Teigfladen mit Spinat- und Tomatenfüllung, und ich weiss noch heute genau, wie es geschmeckt hat! Ah, noch ein Ratschlag, wenn Sie keinen kulinarischen Tiefflug erleben möchten: Machen Sie in Mallorca einfach einen grossen Bogen um die «Schinkenstrasse». Unbedingt!»
Mitja Birlo war «Koch des Jahres 2022», er steht zurzeit im «The Counter» am Zürcher Hauptbahnhof am Herd.
«Nun gut, einigermassen voll sollte ein vertrauenswürdiges Restaurant eigentlich schon sein. Und hundert Gerichte darf es auch nicht auf der Karte stehen haben – sonst kann ja gar nicht alles frisch sein. Ansonsten finde ich, dass man in den Ferien schon etwas wagen darf! Ich war vier Monate in Asien unterwegs, besuchte Singapur, Thailand, Myanmar, Vietnam und noch eine Handvoll andere Länder. Ich habe dort allerlei Street Food gegessen, sass in Plastikstühlen, es gab auch mal Fisch bei 40 Grad ohne Kühlung. Und wenn da mal etwas Lippenstift am Glas klebte, auch kein Problem. Mein Motto: Nur wer das Risiko eingeht, erlebt auch etwas! Bloss ein einziges Mal habe ich mir in dieser langen Zeit den Magen verdorben – mit einem knusprig gebackenen Schweinebauch, der übrigens sehr gut geschmeckt hat!»
Marco Campanella, 18 Punkte, ist Küchenchef im «La Brezza» im Eden Roc, Ascona TI.
«Bei aller Neugierde, die ich in den Ferien in fernen Ländern immer mitbringe – wenn ein Restaurant Wiener Schnitzel, Sushi und Pizza gleichzeitig anbietet, ist das wohl kein gutes Zeichen. Sowieso sollte man die Speisekarten, die bei vielen Restaurants vor der Türe hängen, genau lesen. Wenn dann da italienische Spezialitäten falsch geschrieben werden, folgere ich daraus, dass da garantiert niemand arbeitet, der aus Italien kommt. Nicht die besten Voraussetzungen für ein Spezialitätenrestaurant… Gut, manchmal kann das auch lustig sein: So habe ich in Bangkok mal eine «Lasagne al porno» auf dem Menü entdeckt. Was auch nicht so meine Sache ist: Wenn die Kellner mit dem Portemonnaie herumlaufen. In einem Biergarten mag das in Ordnung sein, aber in einem Speiselokal mit Anspruch? Es mag mit meiner italienischen Herkunft und den dortigen Gepflogenheiten zu tun haben – aber ich finde, dass man sich auch für das Einkassieren genug Zeit nehmen sollte.»
Paolo Casanova ist «Green Chef of the Year 2024». Sein «Chesa Stüva Colani» in Madulain GR hat 17 Punkte.
Fotos: Horacio Villalobos / Getty Images, Valeriano Di Domenico, Lukas Lienhard, Roy Matter, Adrian Ehrbar