Text: David Moginier
NEUES LEBEN NACH ZWEI JAHREN. Brigitte Violier hat lange gebraucht, um dieses Buch zu schreiben. «Nach Benoîts Tod», erzählt sie, «war ich zwei Jahre lang vollumfänglich vom Restaurantbetrieb in Crissier in Beschlag genommen.» Erst ab 2018 habe sie mit ihrem Sohn Romain, der heute in Vevey visuelle Kommunikation studiert, ein neues Leben beginnen können. «Ich musste an mir selbst arbeiten und meine Trauer verarbeiten.» Als dann die Pandemie kam, habe sie mit dem nun vorliegenden Buch begonnen. Um den Aufstieg von und den Alltag mit Benoît Violier zu zeigen, tat sich mit der Autorin Valérie Penven und dem Fotografen Benny Tache zusammen.
MEHR ALS NUR «BESSERE HÄLFTE». Der Erzählstrang, in Ich-Form gehalten, folgt Brigittes Leben, von ihrer Kindheit bis ins Heute, von Narbonne bis nach Lausanne. Die kurzen Kapitel sind gut geschrieben, sie werden von Rezepten abgeschlossen, die sich auf das Erzählte beziehen: von der Pinienkerntorte aus dem französischen Gruisan-Plage bis hin zu den Gerichten ihrer lieben Freundinnen. Schnell merkt man: Brigitte war nicht bloss Benoîts bessere Hälfte. «Für frühere Generationen war es normal, dass eine Frau ihren Job aufgibt, um dem Mann zu folgen. Ich habe diese Entscheidung sehr bewusst getroffen, als ich die Kosmetikbranche verliess, um Benoît in Crissier zu unterstützen.» Denn sie wollte zeigen, wie man dem Ehemann - egal ob Koch oder Unternehmer - zur Seite stehen kann, indem man seine engste Mitarbeiterin wird.
DER ENORME DRUCK. Neben ihrer grenzenlosen Bewunderung für den Koch erzählt sie auch von den Schwierigkeiten, neben einem Mann zu leben, der so sehr für seine Leidenschaften lebte. Oft war er wegen Veranstaltungen oder der Jagd, die er so sehr liebte, abwesend. Brigitte Violier erzählt von dem privat zärtlichen und bei der Arbeit fordernden Benoît; von der Schwierigkeit, innerhalb einer Ehe von einer Welt in die andere zu wechseln. Schliesslich spricht sie den enormen Druck an, den der erste Platz in «La Liste» ausgelöst hatte, den Medienanfragen aus der ganzen Welt und den Ereignissen, die sich manchmal gegen seinen Willen überschlugen.
STRESS IST ANSTECKEND. Natürlich möchte jeder verstehen, warum das Wunderkind am 31. Januar 2016 seinem Leben ein Ende setzte. Brigitte erklärt es nicht, weil sie es nicht erklären kann. Sie habe lange gebraucht, um sich dies einzugestehen. Rückblickend schreibt sie: «Der Chef hat einen ansteckenden Stress. Er ist von seiner Arbeit wie betäubt, steht unter Adrenalin, kann nicht stillsitzen. Ich bin buchstäblich wie leergefegt. Benoît ist es auch. Nachts spüre ich, dass er nicht schläft.»
EIN BUCH OHNE GIOVANNINI. Sie erzählt auch von dem Restaurant de l’Hôtel de Ville, das man trotz des Schicksalsschlag am Leben erhalten musste. Und möchte damit nicht zuletzt Frauen helfen, «die wie ich eine solche Zäsur in ihrem Leben durchstehen müssen.» Wer dabei fast keine Erwähnung findet, ist Franck Giovannini, der das Geschäft heute mit viel Ruhe führt: «Der Fokus liegt auf unserer Geschichte, auf unserem Projekt und auf der Dimension von Benoît.» Er habe aussergewönlich viele Opfer und Arbeit investiert, um zu erreichen, was er erreicht hat.
>> Brigitte Violier: «Benoît Violier - Du Cœur aux Etoiles», Editions Glénat, 176 S., ca. 40 Fr. (nur auf Französisch erhältlich)
Fotos: HO / Julie de Tribolet