Kochen als Denkweise. Es ist eine eher ungewöhnliche Kombination, die sich in der pittoresken Villa Sommerlust in den letzten Wochen ergeben hat: Zwei junge Spanier teilen sich den Posten des Küchenchefs: Dan Rodriguez-Zaugg (30) und Alejandro Perez Polo (25) haben sich im «Disfrutar» in Barcelona kennengelernt, welches eben bei den «World’s 50 Best» zur Nummer eins der Welt gewählt wurde. Rodriguez ist zwar auf den Kanarischen Inseln aufgewachsen, wo die Eltern ein 4-Sterne-Hotel geführt haben, kam aber mit 14 Jahren in die Schweiz, lernte Mundart und schloss hier die Schule ab. Aber wenn es ums Kochen geht, war ihm seine spanische Heimat schon immer am nächsten, wie er sagt: «Seit meinem zweiten Lehrjahr verfolge ich den Kochstil, den Albert und Ferran Adrià geprägt haben», so Dan Rodriguez-Zaugg. Dabei gehe es um viel mehr als bloss Techniken, «für uns ist das eine Lebens- und Denkweise.» Grosses Bild oben: Dan Rodriguez-Zaugg (l.) & Alejandro Polo.

Weisser Spargel als Tempura & vom Holzkohlegrill Miso-Butter, Vanille Beurre Blanc

Aus dem Frühlingsmenü: Weisser Spargel als Tempura und vom Holzkohlegrill mit Miso-Butter und Vanille-Beurre-Blanc.

Restaurant Sommerlust in Schaffhausen, SH 2022

Idylle pur: die Villa Sommerlust mit Garten, direkt am Rhein.

Butterzartes Angus Short-Rib von Luma Frühlingspilze, Lardo

Hauptgang: zart geschmortes Short-Rib vom Angus Rind (Luma) mit Frühlingspilzen und Lardo.

«Neue Wege.» Die Schaffhauser Gäste sind deshalb mit einem Menü konfrontiert, das schon spektakulär losgeht: Zum knusprigen Brot-Chip gibt es Butter-«Luft», das Sandwich aus Parmesan ist eine filigrane Umami-Bombe und die Kräutersuppe wird mit Zitrus-Tapiokaperlen aufgefrischt. Den beiden Köchen ist es aber wichtig, bei allen technischen Spielereien, dem Einsatz von Hydrokolloiden und anderen Hilfsmitteln zur Veränderung der molekularen Struktur, gewohnte Geschmacksbilder und die traditionelle Küche nicht völlig zu verdrängen. «Wir wollen neue Wege gehen, ohne die Tradition zu verlieren», erklärt Dan Rodriguez-Zaugg.

Katiuska Villalba Paredes, Patisserie-Chefin

Neuzugang aus Barcelona: Katiuska Villalba Paredes ist neu «Chef de Patisserie».

Katiuska Villalba Paredes, Patisserie-Chefin

Farbenfroher Stil: Petit Four-Auswahl am Ende des Menüs.

Viel zu tun. Der wilde Ritt durch die spanische Avantgarde kommt an, «die letzten Wochen hatten wir mit fast durchgehend 50 bis 60 Gästen fast zu viel zu tun», sagt Rodriguez-Zaugg. Die meisten Besucher lassen sich gerne auf die kulinarische Abenteuerreise ein und bestellen das grosse Menü in sieben oder acht Gängen, so der Küchenchef. Und bereits konnte Verstärkung engagiert werden: Seit kurzem arbeitet mit der Patissière Katiuska Villalba Paredes, eine weitere Spezialistin in spanischer Küchentechnik, im Team. Die 30-Jährige war davor im Drei-Sterne-Restaurant «ABaC» sowie weiteren Top-Adressen in Barcelona tätig. 

300 Gerichte in der Corona-Zeit. Für Dan Rodriguez-Zaugg war es hingegen eine Rückkehr, der 30-Jährige war vor der Corona-Pandemie schon einmal Chef in der «Sommerlust». «Als das Restaurant geschlossen war, hatten wir eine sehr kreative Zeit und haben rund 300 Gerichte entwickelt. Aber irgendwann fehlte mir die Perspektive, ich ging für einige Zeit nach Spanien und lernte schliesslich Alejandro kennen», erzählt er seine Geschichte. Auf die Frage, was das Duo erreichen wolle, gibt Rodriguez eine klare Antwort: «Die Villa Sommerlust soll ein angenehmer Ort sein, an den man gerne zurückkehrt. Und in unserem Menü wollen wir unsere spanische Heimat mit einem lokalen Bezug repräsentieren.» Was das bedeutet, zeigt etwa die in drei Varianten zubereitete Lachsforelle (gebeizt, als Tatar, als frittierte Kugel), die mit Gazpacho sowie Tomaten kombiniert wird, welche durch die Behandlung mit Kalk eine feste Aussenhaut sowie ein cremiges Inneres mit einem klaren süssen Geschmack erhalten.

Villa Sommerlust in Schaffhausen, SH 2024

Der neue Stil findet Anklang in Schaffhausen. Die «Sommerlust» ist auf jeden Fall eine empfehlenswerte Adresse.

Der Signature-Pulpo. Als Signature Dish hat sich im Restaurant, das nur durch eine Strasse vom Rhein getrennt ist, allerdings ein spanischer Klassiker etabliert, der seinen festen Platz im A-la-Carte-Angebot behalten werde, wie Dan Rodriguez-Zaugg versichert: Dafür wird Pulpo erst auf traditionelle Art gekocht, danach mit Rauchöl vakuumiert und sous-vide aromatisiert sowie abschliessend über Holzkohle scharf grilliert. «Dazu gibt es eine Mojo Rojo Nikkey mit Süsskartoffeln, Koriander und Chorizo-Creme – inspiriert von der südamerikanischen und japanischen Küche», sagt der Küchenchef. Mit Dan Rodriguez-Zaugg und Alejandro Perez Polo, soviel steht bereits fest, bekommt Schaffhausen und die ganze Schweizer Fine-Dining-Szene einen spektakulären Neuzugang mit einer wohl verspielten, aber auch geschmacksstarken Küche, die das Angebot gewinnbringend erweitert.

 

>> Villa Sommerlust
Rheinhaldenstrasse 8
8200 Schaffhausen
www.sommerlust.ch

 

 

Fotos: Lukas Lienhard, Marcus Gyger, HO