Text: Urs Heller I Fotos: David Birri, Alma Johanns
Drei Köche, zwei Restaurants? «Ich wollte schon immer einen Landgasthof», sagt Dietmar Sawyere, zuletzt mit grossem Erfolg in «The Chedi» Andermatt. Jetzt hat er einen: Das «Kreuz» in Dallenwil, die älteste Beiz im Engelbergertal (Baujahr 1570!). Der erfahrene Chef hat das «Kreuz» einer kleinen Schönheitskur unterzogen, wirtet mit seiner Frau Nicole und Sohn Otto. Der Start ist hervorragend geglückt, und in den nächsten Wochen wird auch das Konzept an Profil gewinnen. Lohnt es sich wirklich, zu dritt in der Küche zwei Restaurants zu bespielen? Im «Stübli» isst man zu stattlichen Preisen ausgezeichnet; ein zusätzliches asiatisches Überraschungsmenü im «Bijou» muss bei aller Liebe zu Japan nicht zwingend sein. Grosses Bild oben: Dietmar Sawyere mit seiner Frau Nicole.
Lardo von der schwarzen Alpensau. Sawyeres Trick in Dallenwil: Er entdeckt spannende Produzenten in unmittelbarer Umgebung, und weil er das Menü eh jede Woche neu schreibt, kommt er auch mit kleineren Mengen aus. Zeigt sich am Gang des Abends: Capuns mit Geschmortem vom schwarzen Alpschwein; wann der Kleinbauer die nächste Sau ins Haus liefern kann, ist offen. Über den Capuns hauchdünne Lardo-Streifen, eingegossen wird eine Brühe aus fermentiertem Sauerkraut, eine Art Nidwaldner Kimchi. Elegant der zweite Fleischgang: Eine entbeinte Wachtel, erst gedämpft und in eine Salzlake eingelegt, dann gebraten, wunderbar zart und saftig. Das Schenkelfleisch steckt in einem hauchdünnen, Dim Sum-ähnlichen Ravioli. Eine «Sauce Albufera» (mit Foie Gras) gab’s dazu. Passte zwar nicht ganz zu den 30 Grad-Aussentemperatur, war aber technisch perfekt.
Wagyu-Schmalz & «Geissä Chugle». Und vor Sau und Wachtel? Der weitgereiste Chef Sawyere, der in Dallenwil zum 35. Mal (!) ein Restaurant eröffnete, will nach oben (die Preise sind es schon). Also gibt er bereits beim Start Vollgas. Gesalzene Bergbutter und Wagyu-Schmalz (!) zum hausgemachten Sauerteigbrot. Bergbach-Forellen vom Sattel auf einem Kartoffel-Blini, mit Avocado-Gel und ein paar Körnern Kaviar. Knusprige Geisskäse-Rolle mit Pesto & Chili-Mayo. Und eine neckische Hommage an seine neue Heimat: Ein «Grafenort-Plättli» mit Rindstrockenwurst, Rohessspeck, Rohschinken, Wachtelei, Stangensellerie und Fenchel. Das Angus-Beef für ein XXL-Tatar mit Bergkartoffel-Crème stammt von Holzen am Bürgenberg, das «Accessoire» von einem Nachbarn: «Geissä Chugla», Nidwaldens Antwort auf die berühmte Belper Knolle.
Der Chef kann auch Fisch. Den Lostallo-Alpenlachs kriegten wir mit geräuchertem Aal im Kern, eingewickelt in gepickelten weissen Rettich und mit Oscietra Kaviar. Der Seesaibling war wunderbar sanft gegart. Gartenerbsen und Fichtensprossen-Beurre blanc passten gut dazu, der Grafenort-Landrauchschinken über dem zarten Fisch wirkte eher als Fremdkörper. Alternative: Gottardo-Zander und Aemme-Shrimps mit einer Champagner-Sauerampfersauce.
«Bijou»: Eine Reise nach Asien. Im gediegen eingerichteten «Bijou» serviert Sawyere, was ihn in Andermatt berühmt gemacht hat (17 Punkte in «The Chedi»): Asiatische Küche, dem europäischen Gaumen angepasst. Balfego-Tuna-Tatar mit Dashi-Gelee. Kakuni-Schweinebauch mit Wasabi-Mayo. Jakobsmuscheln mit Kaviari Kaviar in der exzellenten Beurre blanc. Lackierte Taubenbrust, Andermatter Wagyu. Neu für Dallenwil. Startkapital: 16 GaultMillau-Punkte.
PS: Luzerner Foodies reisen mit der Bahn an: Nur 20 Minuten Fahrt.