Text: Urs Heller Fotos: Thomas Buchwalder, Marcus Gyger, Joseph Khakshouri, Hervé Le Cunff, Nils Hasenau, HO

Chicco Cerea und sein Statthalter. Kann man Klasse delegieren? Nur, wenn die berühmten Starchefs wirklich ihre besten Köche in die Filialen schicken – und auch immer noch selber nach St. Moritz kommen, um die Qualität zu sichern. Im «Carlton» isst man diesen Winter grossartig: Stefano Bacchelli arbeitet seit Jahren für die Fratelli Cerea im «Da Vittoria» in Bergamo. In St. Moritz stehen ihm die Rezepte des Hauses zur Verfügung – und auch die Produzenten: Was Signor Giovanni, der Fischer des Vertrauens, ins Engadin schickt, ist atemberaubend. Einen neun Kilo schweren Turbot beispielsweise, der am Vortag noch im Meer vor Sizilien geschwommen ist! Dreisterne-Chef Chicco Cerea fährt regelmässig über den Pass ins Engadin, unterstützt seinen jungen Statthalter und ist sich auch nicht zu schade, bei den Gästen am Tisch seine berühmten Paccheri im Tomatensugo zu wenden. Der 18. Punkt ist (nach einem kleinen Durchhänger im letzten Jahr) wieder zurück.

Die Formel Tim Raue. Der Berliner Kult-Chef Tim Raue (Höchstnote bei GaultMillau, zwei Sterne) baut sein Imperium stetig aus – und operiert mit einem kleinen Trick: Er hält die Karte knapp, vertraut seinen Bestsellern. Aber diese sind perfekt zubereitet, auch von seinen Resident Chefs vor Ort. «The K» im «Kulm» ist nach Berlin die Nummer 2 in Raues Reich – dank Lion Schirmer, der ganz genau weiss, wie es sein Chef haben will. Hammergang: Atlantik-Jakobsmuscheln, leicht gebeizt, mit Holunder-Vinaigrette und grünem Thai-Pfeffer. Wer das so hinkriegt, verdient den 17. Punkt. Im «Kulm» legt noch einer zu; Executive Chef Mauro Taufer klettert mit seinen Italo-Klassikern in «The Pizzeria» auf 14 Punkte.

 

Der GaultMillau ehrt «einheimisches Schaffen». Braucht es in St. Moritz «Gurus» aus dem Ausland, um hoch zu punkten? Muss nicht sein. Der St. Moritzer Fabrizio Zanetti kocht sich im Swiss Deluxe Hotel «Suvretta House» kontinuierlich hoch, sichert sich mit Riesenbrigade, Riesenfischen, Geflügel, Krustentiersuppe und Königskrabbe den 16. Punkt. Und eine Beiz mitten im Dorf finden wir auch ganz toll: Das «Dal Mulin»! Patron Danijel Krasnic (was für eine Weinkarte!) und sein junger Chef Luca Porro haben sich in die Herzen der St. Moritzer und der Feriengäste gekocht. Frechster Gang: «Rös-Putin», ein «Kuchen» aus Rösti, Crème fraîche und Kaviar! Neues Rating: 15 Punkte.

 

Die «Palace»-Power! Am meisten Punkte im Haus hat das «Badrutt’s Palace», das sich längst nicht mehr nur über den Glamour-Faktor definiert. Star im Haus ist Andreas Caminadas Statthalter Marcel Skibba, der seine 17 Punkte mühelos verteidigt. Er hat’s mit den Enten: Den Vogel vom Kloster St. Ottilia im Appenzellischen gab es diesmal als grandiose Suppe mit einem halben Dutzend Komponenten, bis hin zu Herz, Leberli und Lunge in einem Enten-Ravioli. Im «Matsuhisa» kam es zu einem abrupten Chefwechsel, aber der «Neue», der Grieche Panagiotis Tziourtzioumis, hat Mister Nobus Laden im Griff. Im «King’s Social House» hat Londons Star Jason Atherton eine aufregende Filiale eröffnet.

Ein «Fall für zwei» im Kempinski. Matthias Schmidberger hat einen ziemlich harten Job. Er verantwortet im «Kempi» alles, vom Frühstücksbuffet bis zu den drei Restaurants, und im «Ca d’Oro» sind 17 Punkte die Ansage. Seit diesem Winter ist alles etwas einfacher: «Chrampfer» Leopold Ott ist seine rechte Hand. Ein Spitzenmann! Er ging in Arosa selber auf Sterne- und Punktejagd (im «Tschuggen»), er unterstützte Mattias Roock im «Castello del Sole» in Ascona auf dem schnelle Weg nach oben. Jetzt vergoldet er das «Ca d’Oro». Sein Signature Dish: Ein «Beef Tea» zum Steinbutt, hergestellt in vier (!) Ansätzen.