Text: Urs Heller Chefredaktor GaultMillau
Chesa Veglia? Warteliste! In St. Moritz ist die Dichte an Weltklasseköchen (und deren Statthalter) enorm. Aber den grössten Erfolg haben die Ragazzi in der «Chesa Veglia» mitten im Dorf. Wer erst jetzt anruft und in diesem Jahr noch einen Tisch will, schafft es allenfalls noch auf die Warteliste. Es sei denn, er ist tatsächlich ein echter VIP und Stammgast. In der «Chesa» (gehört zum «Badrutt’s Palace») ist die Speisekarte in Stein gemeisselt und seit Jahren unverändert. Aber die Hausklassiker sind heiss begehrt und hervorragend zubereitet: Bretagne-Hummersalat (pro Gast ein ganzer Krebs; der Panzer wird am Tisch mit dem Handrücken geknackt). Bresse-Poularden am Spiess, grilliert am offenen Feuer. Die berühmteste Pizza im Engadin: «La Dama Bianca». Taleggio und Trüffel statt Tomaten. Chef Andrea Panatti (links) und Maître Alessandro Bellan (rechts) sind die (Umsatz-)Stars im Dorf.
Spaghetti im Modehaus. St. Moritz hat eine lebhafte Foodie-Szene, die Lifestyle-Liste www.gaultmillau.ch/pop wird jeden Winter länger. Aufregendster Neuzugang: «Scarpetta 2.0», ein Ristorante am Dorfplatz, mitten in einem Modegeschäft. Ein paar lange Holztische, ein paar unkomplizierte Gerichte auf der Karte. Der «cuoco» (Koch) heisst tatsächlich Cuoco Wir mögen Rinos Pappardelle mit frischer Bolo, seine Spaghetti Carbonara und die freundliche Bedienung. Die «Scarpetta No. 1», untergebracht in einer ehemaligen Schuhmacherei, gibt es noch immer: Antipasti und Pasta – allerdings nur bis 21 Uhr. Die Nachbarn halt. Auch das «Balthazar» gibt’s jetzt doppelt: «Balthazar downtown» mit japanischem Koch. Die sicherste Bank im Dorf: «Dal Mulin»! Luca Porro kocht, Hausherr Danijel Krasnic entkorkt die unglaublichsten Weine.
Die Stars und ihre Statthalter. Die wunderschönen St. Moritzer Fünfsterne-Paläste liefern sich ein faszinierendes «Kitchen-Battle». Wer hat den berühmtesten Star unter Vertrag? Man müsste die Frage eigentlich etwas präziser stellen: Welcher Star schickt den besten Statthalter ins Engadin? Im Swiss Deluxe Hotel «Badrutt’s Palace» können die grossen Meister ganz beruhigt sein. Marcel Skibba, talentiert und nervenstark, ist im «Igniv» ein sicherer Wert. Panagiotis Tziourtzioumis ist einer der besten Chefs in Mister Nobus weltweitem Imperium. Er hat sich ziemlich emanzipiert vom grossen Meister, macht im «Matsuhisa» St. Moritz selbstbewusst sein Ding: Tacos mit Kaviar. Toro mit Dry Miso und Yuzu-Dressing. Gyoza mit Wagyu. Chilenischer Seabass an frecher Sauce («Spicy Lime»). Beeindruckend! Erstklassig im Badrutt’s Palace auch die Patisserie. Pastry Chef Stefan Gerber wirbelt durch alle Restaurants, macht selbst die Engadiner Nusstorte selber und plant für Silvester den ganz grossen Auftritt.
Die wilde Peruanerin. Der Berliner Star Tim Raue weiss, dass man in St. Moritz nur mit einem A-Team bestehen kann. Also schickt er seine beiden besten Chefs (Lionel Schirmer, Christian Singer) ins «Kulm»; die Jungs bereiten Raues Signature Dishes zu und wissen auch, wie man Tims «Schärfe-Keule» gezielt einsetzt. Auch im zweiten «Kulm»-Signature Restaurant geht was: Die wilde Peruanerin Claudia Canessa kocht jedes Jahr besser. Unsere Empfehlung: «Tuna Acevichado Tartare», ein neues Hammergericht.
Gleich zwei «Italiener» im Carlton. Das Suitenhotel Carlton ist selten geöffnet (leider nur im Winter), aber dann sollte man hin: Exzellente italienische Küche, im Doppelpack! Im «Da Vittorio» schreiben die Fratelli und Weltstars Cerea die Karte. Diesen Winter führt ihr «cognato» (Schwager) Paolo Rota die Küchenbrigade an. Der Cerea-Code: Unglaublich frischer Seafood. Wunderbare Pasta. Gekocht wird trotz drei Michelin-Sternen in Bergamo wunderbar italienisch und ohne Effekthascherei. Eine Etage höher, im «Romanoff», kocht neu Heros De Agostinis. Der muntere Italiener hat lange und überall in Europa für den Römer Dreisterne-Koch Heinz Beck gearbeitet und darf dank einer «Sondergenehmigung» dessen Signature Dish (in Rom seit 1997 auf der Karte!) auch in St. Moritz zubereiten: Fagotelli! Alle Carbonara-Komponenten verpackt in ein kleines, wunderbares Ravioli.
Zanetti startet durch, Dalsass brillant. Notizen von einer ersten GaultMillau-Testrunde durchs Engadin: Fabrizio Zanetti im «Suvretta» ist die Entdeckung der Saison. Er hat an Selbstvertrauen zugelegt, verzaubert «alte» Klassiker, wagt sich an Wildgeflügel und «grosses pièces». Spitzenküche für bis zu 280 (!) Hotelgäste im beeindruckend schönen «Grand Restaurant» - das muss ihm erst einer nachmachen. Martin Dalsass im nahen Champfer bleibt der Platzhirsch. Seine neueste Leidenschaft: Alles ausser das Filetstück von Sepp Dählers Kabier (Siedfleisch, Rippe, Kalbskopf). Und unglaublich gute Verini-Spaghettini mit «Ricci di mare» (Seeigel) von den Färöer Inseln! Die «Ricci» gibt’s auch bei Paolo Casanova (GaultMillaus «Entdeckung des Jahres») in der «Stüva Colani» in Madulain. In Pontresina steht seit wenigen Tagen ein Pop-up der besonderen Art: Der «R-Experience Truck». Ein Aston Martin im Restaurant, Kreationen von 17-Punktechef Dario Cadonau.
Die Besten an der Piste. Auf der Sonnenterrasse des «El Paradiso» ist die VIP-Dichte am grössten und Küchenchef Frank Schuster sehr nervenstark; seine Bündner Gerichte gibt’s auch auf den Langstreckenflügen der SWISS (Business & First Class). Altmeister Reto Mathis ist sympathischer Gastgeber in der «Checha» auf Salastrains. Hinter dem «Suvretta House» gibt es eine Art Gourmet-Sessellift: «Chasellas» an der Talstation und «Trutz» neben der Bergstation sind zwei feine Adressen. Der «Kuhstall» («The Gourmet-Stall of Fame») ist am Corvatsch die berühmteste Skihütte.
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