Text: David Schnapp Fotos: Lucia Hunziker, Olivia Pulver, Claudia Link, HO
Auf in den Wald! Wenn in den noch braun-grauen Winterwäldern jetzt das erste Grün aus dem Boden schiesst, macht sich mancher Starchef selbst auf den Weg, um die würzigen Frühlingsboten zu sammeln. Bärlauch, die Pflanze aus der Familie von Zwiebel, Knoblauch und Schnittlauch, ist ein beliebtes Aroma in dieser Jahreszeit. «Als vor zwei Wochen auf Facebook die ersten Bärlauchbilder auftauchten, bin ich sofort bei mir zu Hause im Baselland in den Wald gegangen und habe die ersten jungen Triebe gesammelt», erzählt «Roots»-Chef Pascal Steffen.
Gut dosieren. Der talentierte Luzerner, der in Basel Furore macht (Entdeckung des Jahres 2019, 16 Punkte im GaultMillau) arbeitet gern mit Bärlauch, sagt aber auch: «Man muss ihn vorsichtig und gut dosiert einsetzen, weil er in grösseren Dosen dazu neigt, alles zu dominieren.» Deshalb stellte Steffen Würzmittel her, mit denen er präzise Akzente setzen kann. Aus 150g Bärlauch, 50g Blattpetersilie (für eine intensivere grüne Farbe) und 500g kaltgepresstem Rapsöl entsteht im Thermomix ein knallgrünes intensives Öl: 8 Minuten auf hoher Stufe bei 50°C mixen, abpassieren und kalt stellen – mehr braucht es nicht.
Rinderhaxe, Jus, Bärlauch. Mit fein gehacktem Bärlauch hat Pascal Steffen zum Beispiel den Jus zu einer Rinderhaxe mit Cima di Rapa gewürzt. Das Öl passe auch gut zu weissem Spargel, der demnächst komme, sagt er. «Wenn in den nächsten zwei Wochen die Sonne etwas scheint, wird es bald erste Blütenknospen geben, die ich ebenfalls sammle. Mit grobem Steinsalz bedeckt lagern die Bärlauchkapern dann in einem Gefäss und werden bei Bedarf herausgeholt und dünn aufgeschnitten oder gehackt: «Ich arbeite an einer Kaninchenrolle mit Karotte und einer Velouté oder einem Jus. Dazu würden die Kapern gut passen», verrät Steffen sein nächstes Rezept.
Pulver als Akzent. Beim Bärlauch gehe es immer darum, Nuancen zu erzeugen, findet Pascal Steffen. Eine weitere Möglichkeit sei deshalb das Trocknen der Blätter im Dehydrator, um dann ein feines Pulver herzustellen. «Ich bestäube gern gewisse Gerichte mit Bärlauch-, Estragon- oder Lauchaschepulver. So kann ich einen schönen Farb- und Aromenakzent setzen», erklärt er.
Von Basel nach Zürich: Auch am Uetliberg spriesst schon der erste Bärlauch und Stefan Heilemann, 17-Punkte-Chef im «Atlantis by Giardino», braucht bloss aus der Tür zu treten und steht schon nach wenigen Metern im Wald. «Das Frühjahr ist die schönste Zeit, weil uns die Natur wieder Lieferantin zur Verfügung steht», sagt Heilemann, der zum Zeitpunkt unseres Gesprächs gerade von einem ersten Waldspaziergang zurückgekehrt ist. «Am Uetliberg hat es genügend Bärlauch für ganz Zürich sagt er.»
Junge Blätter, fein gehackt. Am liebsten verwendet Stefan Heilemann die jungen grünen Blätter fein gehackt. «Sobald man den Bärlauch verarbeitet entwickelt er für meinen Geschmack eine zu strenge Knoblauch-Note», findet er. Eine Art Bärlauch-Signatur-Dish ist Heilemanns weisser Spargel, den er mit einer klassischen Hollandaise serviert. «Den fein gehackten Bärlauch ziehen wir unter die Hollandaise. Durch die Temperatur der Sauce können sich die ätherischen Öle entfalten», erklärt der talentierte Koch.
Ein weiterer Tipp vom Starchef: Zieht man die jungen Bärlauchtriebe samt den Wurzeln aus dem Boden, kommt eine kleine Zwiebel zum Vorschein: «Die ziehen wir ganz kurz in Butter an und kombinieren sie dann zum Beispiel mit Steinpilzen oder Morcheln, um ihnen ein hauchfeines Knoblauch-Aroma zu geben», verrät Stefan Heilemann.
Bärlauch? Bitte nicht! Nicht für jeden Chef ist Bärlauch die reine, grüne Freude. David Krüger vom «Opera» in Zürich etwa ist ein ausgewiesener Kräuter-Spezialist, er zieht zum Beispiel die Knoblauchsrauke dem Bärlauch vor. Und Tanja Grandits, die Königin der Aromen, verzichtet weitgehend auf den «Waldknoblauch». «Mir ist das Aroma zu vordergründig und zu streng», sagt sie. Der Bärlauch füge sich nicht gut in ihre fein abgestimmten Gerichte ein, findet die Chefin des Basler «Stucki» (18 Punkte). Im Mittagsmenü allerdings, das auch im «Stucki» etwas einfacher gekocht wird, kommt das populäre Zwiebelgewächs in den nächsten Wochen immer wieder mal zum Vorschein: zum Beispiel als Pesto oder kombiniert mit Gemüse.