Text: Urs Heller I Fotos: Nik Hunger
Gelernt bei Harald Wohlfahrt. Die Jungs in der offenen Showküche des «Widder» am Zürcher Rennweg haben gerade besonders lange Arbeitstage. 18-Punktechef Stefan Heilemann verschreibt ihnen Wildküche und hat dafür bei seinem Hoflieferanten Fredy von Escher die anspruchsvollsten Teile besorgt: «Lièvre à la royal» und Grouse (Bild oben). Heilemann: «Ich habe das bei Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach in Baiersbronn gelernt. Und ich will, dass meine Jungs das auch lernen. Natürlich sind diese Gerichte «old school», und viele junge Mitarbeiter finden solche Gerichte uncool. Aber ein guter Koch muss auch das beherrschen!» Die Old School-Gerichte sind eine echte Challenge: Tagelange Vorbereitungen, eine sichere Hand bei den Garzeiten und beim Einsatz von Blut in den Saucen. Heilemann: «Für mich ist nie etwas anstrengend. Und spätestens, wenn die Gäste draussen im Restaurant ausflippen, wissen wir: Der grosse Aufwand hat sich gelohnt.»
Königsklasse: Lièvre à la royale. An den königlichen Hasen wagen sich nur wenige Chefs. In der Romandie Franck Giovannini und Philippe Chevrier – und in Zürich Heilemann. Das Ergebnis ist fantastisch: Der Wildhase wird in einem Strudelteig präsentiert und dann aufgeschnitten. Ein Blick auf die Tranche verrät, wieviel Arbeit dahintersteckt. Im Zentrum der kurz gebratene Rücken und Foie gras, drum rum die 30 Stunden (!) lang geschmorte Schulter und Fleisch von der Keule, dazu schwarzer Trüffel und reichlich Foie gras in der Sauce. Sauce! Eigentlich sind’s zwei: Eine klassische «Rouennais» wie aus dem Lehrbuch von Escoffier und ein Jus aus Hasenblut.
Moorhuhn. Und ein unglaublicher Gelee! Grouse kriegt man im «Widder» in verschiedenen Varianten. Besonders attraktiv das «Vorspeisen-Tuning». Stefan Heilemann kombiniert die leicht angeräucherte Brust vom schottischen Moorhuhn mit erstklassiger, französischer Entenleber. Eine Art «Terrine de luxe», mit Périgordtrüffel, Cassis und Rande. Unglaublich der elegante Gelee über Huhn und Leber. Die Brigade sammelt dafür Berge von Knochen, setzt einen Fond an. «Viel Aufwand», sagt Heilemann, «aber wir machen daraus eine Umami-Bombe.»
«Die Gams von Gratian». Zwischen Huhn und Hase eine Gams, zerlegt in ihre Einzelteile. «Eine Gams von Gratian». Heisst: Gratian Anda, der Besitzer der «Living Circle»-Hotelgruppe und leidenschaftlicher Jäger, hat die Gams im Tirol erlegt. Heilemann bedankt sich mit einer Essenz vom anderen Stern: Consommé double (oder triple?), mit Marroni, Liebstöckel-Öl und drüber eine grosszügige Portion weisser Trüffel. Und die Tortellini, die in der Essenz schwimmen? Unsere «Befürchtungen» werden bestätigt: Gams-Leber, Gams-Herz! Und die Gams-Zunge! Liegt dünn aufgeschnitten daneben, auf einem «French Toast», auf einem leicht angebratenen Tatar vom Gamsrücken. Der Gast dankt: Dem Koch und dem Schützen.
Zweimal auch mittags geöffnet. Im Swiss Deluxe Hotel «Widder» ist Wild gegenwärtig die Attraktion, aber nicht Pflicht. Alternativen auf der Karte: Der fantastische Balfego-Tuna, den der Chef mit Gamba Blanca aus Portugal kombiniert und mit einer beeindruckenden Dill-Vinaigrette serviert. Carpaccio vom Wagyu A5. Carabinero aus dem Atlantik. Rotbarbe aus der Algarve. Wolfsbarsch «Thai-Style», längst ein Klassiker auf der Karte. Und neue Desserts von Pâtissier André Siedl, diesmal Jostabeeren, Sauerampfer und Ingwer mit Kastanienhonig von den Terreni alla Maggia. Tipp für Zürcher Foodies: Am Donnerstag und Freitag ist das «Widder Restaurant» im Gegensatz zu anderen Top-Adressen wie «Dolder» und «Baur au Lac» auch mittags geöffnet.