Text: Stephan Thomas | Fotos: Nik Hunger
Riviera der Urschweiz. Für alle, die Bauen noch nicht kennen: Es ist ein Paradies. Die Strasse von Altdorf endet hier. Schroffe Felsen, die zum Urnersee abfallen, verhindern die motorisierte Weiterfahrt. Der See blinkt, am anderen Ufer steht die Tellskapelle, und Dampfschiffe fahren hin und her. In Bauen wachsen halbe Palmenwälder, denn das Klima ist fast mediterran. Die Vegetation hat zwei, drei Wochen Vorsprung auf jene im Nachbardorf. In diese Idylle wurde Alberik Zwyssig geboren, der sich später als Komponist des Schweizerpsalms hervorgetan hat. Diese feierliche Musik ist bis heute unsere Nationalhymne geblieben. Zwyssigs Erbe wird hier mit Stolz gepflegt. Vor dem Zwyssighaus steht das Denkmal des musikalischen Paters.
Mit Volldampf zum Mittagessen. 200 Jahre sind seither vergangen, Zwyssigs Geburtshaus ist nun ein vorzügliches Restaurant. Michael Engel kocht hier so gut, dass manche Gourmets eigens deswegen anreisen. Hervorragend bestückt ist auch der Weinkeller. Gastgeberin und Sommelière Angela Hug hat sich im Untergeschoss ein kleines Reich aufgebaut, das vor allem mit seinen Schweizer Flaschen brilliert. Michael, Stadtberner wie Angela auch, pflegt in der Küche ein grosses Repertoire. Gefragt werden aber immer wieder die gleichen Klassiker. Besonders seine Neuinterpretation der Hörndli mit Ghacktem. Die Hörndli haben nicht mehr ihre ursprüngliche Form, sondern fliessen als Espuma über das mit bestem Jus gehätschelte Fleisch. Ein paar Tupfer Apfelmus runden das Gericht ab. Optimiert hat Michael auch die Tagliatelle al Ragù. Das gezupfte Fleisch ist exzellent und meilenweit von der landläufigen «Bolo» entfernt. Geniesser aufgepasst: Die Plätze im Zwyssighaus sind beschränkt, vor allem auf der Terrasse. Die vier historischen Zimmer im Obergeschoss reserviert man ebenfalls mit Vorteil lange voraus. «Ein Mittagessen bei uns kombiniert man am besten mit einer Dampfschifffahrt», rät Michael. «Der Fahrplan liegt zum Glück so, dass das zeitlich genau aufgeht.»
Zu Besuch bei «Mythen Beef». Und bei Stier «Vimo». Wer heute eine anspruchsvolle Fleischküche bietet, hat immer eine ganz besondere Quelle. Bei Michael Engel ist es Apperts Hofladen in Schwyz. Hier reserviert sich Michael ganze Rinder, die er dann in wochenlanger Arbeit zu Gehacktem und Ragù verarbeitet. Wir besuchen das «Mythen Beef» auf der grosszügigen Weide, wenige hundert Meter vom Schwyzer Dorfzentrum gelegen. Mutterkuhhaltung ist hier selbstverständlich, und auch Stier «Vimo» ist auf der Weide. Apperts Betrieb ist nach alter Tradition breit abgestützt. Neben der Viehzucht pflanzen Apperts auch Äpfel, Birnen, Kirschen und Zwetschgen an. Halten entgegen dem allgemeinen Trend an alten Sorten wie Jonathan oder Gravensteiner fest. Die Kirschen sind enorm aromatisch und erinnern an Kindheitstage. Sie zeigen uns, wie vorzüglich diese Frucht sein kann, wenn die Qualität stimmt.
Ein fröhlicher Familienbetrieb! Die Apperts führen einen Familienbetrieb alten Schlags. Regula und Xävi können auf die junge Generation mit Silvia, Thomas, Petra und Felix zählen. Alle sind Frohnaturen und müssen nicht eigens aufgefordert werden, für die Foto zu lächeln. Das färbt auch auf die Tiere ab. Selbst Vimo lässt sich gerne ablichten, und die Kühe sind zutraulich. Nagen an unseren Hosen und zetteln kleine Kämpfchen mit uns an, um zu schauen, wer der stärkere ist. Auch eine Spielgruppe tummelt sich öfters auf dem Hof. Silvia dazu: «Hier lernen sie, dass das Essen nicht aus dem Supermarkt kommt.» Auf dem Stall - hier Gadä genannt - steht das Motto «Im schönsten Wiesengrunde». Kurz, eine heile Welt am Fusse der Mythen.