Text: David Schnapp | Fotos: Simon Kurt
Sonnenstunden im Rheintal. Dass die Sonne hell und freundlich über dem Rheintal strahlt, ist kein ungewöhnliches Naturereignis. Die vielen hellen Stunden machen die Fläche in der Ostschweiz zu einem fruchtbaren Anbaugebiet. Der 37-jährige Hanspeter Seifert baut hier in der dritten Generation Gemüse an: «Der sandige Lehmboden mit viel Schiefergestein ist für uns eine ausgezeichnete Grundlage», sagt der sympathische Landwirt im Kapuzenpullover. Zu seinen prominen-testen Kunden zählt 18-Punkte-Chef Sven Wassmer, der am Morgen auf dem Weg zur Arbeit bei Seifert Halt gemacht hat. Wassmer ist in einem Mercedes-AMG SL unterwegs – auch der offene Sportwagen mit seiner bewegten Geschichte ist gewissermassen ein idealer Platz an der Sonne.
30 Hektaren Bio-Hof. Auf Hanspeter Seiferts 30 Hektaren wächst fast alles, was Sven Wassmer in der Küche des Restaurants Memories im Grand Resort Bad Ragaz brauchen kann: Demnächst sind Rosenkohl, Palmkohl und Flower Sprouts reif, an den Bäumen hängen rotgelbgrüne Äpfel, irgendwo zieht der Gemüsespezialist bunte Rüebli aus der Erde, und in einem der wenigen Gewächshäuser leuchten die Cherrytomaten wie kleine Lampions. Im Frühling werden Spargelspitzen aus der Erde schauen. Wassmer interessiert sich für die kleinen Snackgurken, mit denen Seifert gerade experimentiert. «Könntest du mir die mitsamt der Blüte liefern?», fragt der Koch. «Wenn wir früh genug Bescheid wissen, ist fast alles möglich», lautet die ermutigende Antwort.
Neues ausprobieren. Hanspeter Seifert probiert gerne Neues aus, «wenn es ökologisch Sinn macht», wie er sagt. In einem Grünstreifen findet er irgendwo im dichten Blattwerk eine Wassermelone; er trennt sie ab und schneidet sie später auf. Sie schmeckt süss und nach Sonne, aber ganz zufrieden ist der Bauer nicht, der Ertrag sei zu klein, wahrscheinlich hätte er das Unkraut entschlossener entfernen sollen: «Es funktioniert halt nicht immer», sagt er.
Magische «Herrschaft». Vom Rheintal geht es flott mit fröhlich röhrendem V8-Motor in die magische Bündner Herrschaft. Das kleine Weinbaugebiet hat es in den vergangenen Jahren zu Weltruhm gebracht. Verantwortlich für den Erfolg sind Winzer wie Martha und Daniel Gantenbein oder der junge Martin Donatsch in Malans, der den Betrieb in der sechsten Generation führt – «seit 125 Jahren in Familienbesitz», wie er stolz sagt. Mit seinen Pinots Noirs hat Donatsch zweimal in Folge den «Prix Champion du Monde» gewonnen, und die Weine erzielen Höchstpreise auf Auktionen. Aber Martin Donatsch ist der Erfolg fast unangenehm: «Es tut mir weh, wenn wir unseren Wein nicht jedem verkaufen können, der gerne etwas davon hätte.»
Der 44-Jährige ist der Chef im Rebberg und im Keller. «Ich mache jetzt seit 20 Jahren Wein und werde dabei immer ruhiger», sagt Martin Donatsch. Vater Tommy, ein Pionier der Schweizer Pinot-Noir-Produktion, steht bei Bedarf mit Rat zur Verfügung: «Ich mische mich nur ein, wenn ich gefragt werde», sagt er und kümmert sich um die betriebseigene Weinstube zum Ochsen. «Hier gibts die beste Gerstensuppe nördlich der Alpen», schwärmt Sven Wassmer. Und mit dieser Meinung ist er weit und breit nicht allein.
«Perfekter Ort.» Noch einmal steigt Sven Wassmer in den obsidianschwarzen SL 63 – Zeit für ein Mittagessen auf einer der schönsten Terrassen der Bündner Herrschaft. Der frühere Restaurantleiter auf Schloss Schauenstein, Oliver Friedrich, hat mit seiner Frau Julia den «Alten Torkel» in Jenins übernommen und daraus mit jugendlichem Elan eine Zentrale für Freunde des Bündner Weins gemacht. Beim Mittagessen mit Blick in die Reben gibt es Auberginen mit Feta und Brombeeren, hausgemachtes Pastrami mit Avocado und Burrata oder eine sanft gegarte Forelle mit Linsen, Estragon und Zitrone. «Das ist ein perfekter Ort», findet Sven Wassmer – und der ideale Abschluss einer Genussfahrt ins Grüne.
Malanser Original. Ein weiteres Original in Malans ist der 56-jährige Louis Liesch, der früher als Eishockey-Scout für den HC Davos tätig war und immer noch einige Spieler betreut. Vor allem aber produziert er seit 30 Jahren Wein nach strengen Demeter-Richtlinien. Liesch arbeitet mit Mondkalender, Horndünger und Kamillentee gegen Sonnenbrand, während schwache Reben mit Brennnesselgülle gestärkt werden. In seinem Weinberg pflegt er die Biodiversität – da wachsen Sonnenblumen, Gurken und Tomaten zwischen Chardonnay- oder Weissburgundertrauben. «Ich kenne jede Rebe und mache alles von Hand», sagt der eigenwillige Winzer, als er seine Idee von nachhaltiger Landwirtschaft erklärt.