Text: David Schnapp

Tanja Grandits, Sie haben schnell auf Take-Away umgestellt und beliefern das Quartier mit Mahlzeiten und Lebensmitteln. Ist das ein Geschäft oder eher Beschäftigungstherapie?

Am Anfang ging es darum, das «Stucki» belebt zu halten, und ich wollte auch den Lehrlingen eine Beschäftigung bieten. Mittlerweile können wir damit immerhin ein paar Rechnungen bezahlen. Letzte Woche haben wir alleine 260 Desserts meines Pâtissiers Julien Duvernay verkauft. Das ist ein tolles Ergebnis. Wir leisten mit dem Laden einen Beitrag zum Leben im Quartier. Das Feedback unserer Kunden und Gäste ist sehr gut, und uns macht das wiederum Spass.

 

Sie sind nicht nur Köchin, sondern auch Unternehmerin. Was bedeutet die Corona-Krise aus wirtschaftlicher Sicht für Sie?

Das kann ich zurzeit noch nicht überblicken. Es ist aber klar, dass es für uns nicht einfach wird. Viele Kosten laufen weiter, die Einnahmen sind überdurchschnittlich stark gesunken. Im Moment können wir immerhin überleben.

 

Sie sind Koch des Jahres 2020 mit einem geschlossenen Restaurant. Wie hart trifft Sie das?

Das Restaurant war vor der Schliessung bis Ende Mai ausgebucht. Das ist schon ein trauriger Moment, wenn man quasi auf dem Höhepunkt seines Schaffens so ausgebremst wird. Aber ich bin nicht der Typ, der hadert. Es wird weitergehen, das steht fest.

Tanja Grandits in ihrem Laden.

Anlaufstelle für Kulinarisches im Quartier: Tanja Grandits in ihrem «Stucki»-Laden.

Als Köchin verpassen Sie den Frühling, der in Ihren Menüs immer besonders ausdrucksstark zur Geltung kommt.

Darüber denke ich tatsächlich viel nach: Frühling ist meine liebste Zeit. Wenn alles grün wird, koche ich besonders gern. Gewisse Zutaten kann ich aber in meine Take-Away-Gerichte integrieren, wir bekommen zum Beispiel täglich frisch gestochenen Spargel aus dem Bruderholz. Das Lamm von Hans Boss aus Grindelwald, das wir lange vor dem Lockdown bestellt hatten, gibt es jetzt als Kotelett oder als fertiges Curry im Laden. Und ich habe mich sogar mit dem Bärlauch wieder versöhnt, den ich eine Zeit lang aus meiner Küche verbannt hatte. Jetzt bieten wir ihn als Pesto mit Erdnüssen an, das passt ganz gut zum Frühling.

 

Wie unterscheidet sich Ihre Krisen-Küche vom üblichen «Stucki»-Menü?

Vieles, was wir jetzt zum Mitnehmen anbieten, wäre für das Restaurant zu deftig. Andererseits macht es mir Freude, meinen Gästen eine andere Art von Küche anbieten zu können. Diese neue Einfachheit schätze ich, und werde sie sicher beibehalten. Wir werden auch in Zukunft noch Take-Away-Menüs anbieten.

 

Spitzenküche ist Hochleistungssport, ein volles Restaurant und aufwendige Menüs brauchen viel Konzentration jedes Mitarbeiters. Wie hat sich die Stimmung in der Küche verändert?

Es arbeiten ja nur wenige Leute, aber es ist tatsächlich nicht einfach, die Spannung aufrecht zu erhalten. Jetzt läuft den ganzen Tag laut Musik in der Küche, aber ich achte trotzdem darauf, dass wir die Konzentration nicht verlieren. Es fehlt die Fokussierung während dem Service, wo jeder Teller perfekt sein muss. Denn auch wenn wir einfacher kochen, steht «Stucki» auf den Gerichten. Eine gewisse Lockerheit herrscht, das ist in Ordnung, aber zu locker ist nicht gut.

Team Stucki Tanja Grandits

Die meisten Mitarbeiter arbeiten zurzeit nicht: das «Stucki» Team beim Mittagessen. Ein Bild aus besseren Zeiten.

Gibt es einen langen Weg zurück zur Normalität oder füllt sich das Restaurant nach der Wiedereröffnung von selbst?

Viele meiner Restaurant-Gäste kommen jetzt halt in meinen Laden. Sie warten nur darauf, dass sie wieder rausgehen dürfen. Sie wollen wieder geniessen. Sich mit Leuten an einen Tisch zu setzen, ist ein Ereignis, das ihnen wirklich fehlt. Ich mache mir also keine Sorgen. Viele warten nur darauf, dass das Restaurant wieder öffnet.

 

Nutzen Sie die Zeit, um neue Gerichte zu entwickeln oder an Feinheiten im Restaurant zu arbeiten?

Ehrlich gesagt, denke ich kaum über neue Gerichte nach. Ich freue mich zwar über Produkte wie den erwähnten Spargel, aber es fehlt mir der kreative Fluss, um Neues zu entwickeln. Ich habe aber die Terrasse gründlich reinigen lassen, damit alles in einem perfekten Zustand ist, wenn das Restaurant wieder aufgeht.

 

Planen Sie Änderungen am Restaurant oder am Menü?

Das «Stucki» bleibt, wie es ist. Das entspricht mir und stimmt so. Vielleicht ändern wir Details wie das Brot, aber eigentlich möchte ich genau so weitermachen, wie wir im März gezwungenermassen aufhören mussten.

 

Fotos: Digitale Massarbeit (2), Al Dente

 

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