Text: Isabel Notari | Fotos: Olivia Pulver
Christian Vogel, verdrängt vegetarisches Tatar den Klassiker aus Fleisch?
Hoffentlich nicht, aber er bekommt Konkurrenz, würde ich sagen.
Zum Beispiel von Ihrem Wassermelonentatar.
Offenbar. Die Gäste lieben es. Es sehe nicht nur aus wie Fleisch, weil es dunkel und rot ist, sondern schmecke auch so, sei aber viel erfrischender – so das Feedback. Sogar bei Blinddegustationen haben die Gäste nicht bemerkt, dass es kein Rindfleisch ist.
Sie wollten ein Tatar kreieren, das an das Original erinnert?
Das war eigentlich nicht die Idee. Wassermelone hat viele Nahrungsfasern, also Zellulose. Wendet man die Vakuumierungstechnik an, saugen sich die Fasern voll, und durch das Trocknen bleibt der ganze Geschmack hängen, man bekommt eben diese fleischige Textur. Ich habe schon immer mit Wassermelonen getüftelt, komplizierte Techniken angewendet. Beim Tatar betreibe ich jetzt, zugegeben, noch mehr Aufwand.
Verraten Sie in kurzen Worten, wie aus Melone ein Tatar entsteht?
Man nehme Wassermelone, abgetropftes Tomatenwasser, geröstete Peperoni, püriert, passiert und vakuumiert das Ganze fünf- bis sechsmal. Dann wird die Masse sechs Stunden lang getrocknet, mit der Röstiraffel geraspelt, damit es die Textur von geschnittenem Fleisch bekommt. Gesalzene Melone dazu, alles mit einer Tomaten-Peperoni-Marinade marinieren. So etwa die Kurzfassung.
Etwas für Fortgeschrittene! Womit überraschen Sie die Gäste im Herbst?
Es gibt ja die Melonen- und die Kürbissaison. Beides sind sogenannte Miststockgewächse von gleicher Grösse und mit gleichen Fasern. Da macht es Sinn, auch aus Kürbis Tatar herzustellen. Muskatkürbis etwas anschmoren, einen Teil grillieren, mit Gürkchen, Schalotten und Kapern abschmecken – das schmeckt!
Haben Sie einen Tipp, wie man Gemüse zu einem Tatar vorbereitet?
Nicht in Würfel oder gar Brunoise schneiden. Lieber kurz raffeln und ansalzen – dann erzielt man ein schönes Ergebnis, kann gut damit arbeiten, auch zu Hause.
Essen Sie selber aber auch mal ein klassisches Fleischtatar?
Ich liebe es! Tatar ist ein kleines, feines Gericht, das man immer essen mag, auch wenn der Hunger gar nicht gross ist. Leider hatte ich in letzter Zeit etwas Tatar-Pech. Wohin ich auch gehe – es ist ausverkauft (lacht). Das zeigt mir, wie beliebt der Klassiker immer noch ist, wenn er denn perfekt zubereitet ist.
Und was ist für Sie perfekt?
Grundvoraussetzung ist die Qualität des Fleisches. Filet muss es nicht sein, Rindshuft eignet sich genauso gut. Das Fleisch mit dem Messer klein schneiden. Dann kommt der Crunch rein – Cornichons, Schalotten, Kapern. Kapern sind für mich die wichtigste Zutat überhaupt. Denn sie haben die Salzigkeit und die Säure, die das Tatar braucht.
Ketchup, Worcestersauce?
Für mich nicht nötig. Ketchup bringt nur eine unnötige Süsse in das Gericht, die mit Worcestersauce wieder ausgeglichen werden muss. Für die Schärfe ist Sambal Oelek ideal oder sogar frischer Chili.
Was passt als Beilage zu Tatar?
Toast ist lasch, lieber etwas Knuspriges, Polenta-Chips beispielsweise. Die sättigen auch schön.
>> Christian Vogel, 31, kocht seit über einem Jahr im coolen Restaurant Birdy’s in Brunnen SZ für 15 GaultMillau-Punkte und hat soeben seinen ersten Michelin-Stern vom Himmel geholt. Überall, wo der Schwyzer zuvor gearbeitet hat, stand Tatar auf der Karte. Das hat ihn zu immer neuen Kreationen inspiriert. Und Vogel ist bekannt für seine ausgeklügelten Techniken in der Küche.