Text: Kathia Baltisberger Fotos: Lucia Hunziker
Dreamteam. Die Gäste sind gegangen, doch Ruhe ist im «Stucki» noch nicht eingekehrt. Tanja Grandits steht mit ihrem Team in der Küche und feiert den erfolgreichen Tag. Plötzlich ertönt aus den hinteren Rängen ein lautes «hipp, hipp, hurra!» Und nochmal: «Hipp, hipp, hurra!» Tanja Grandits wurde mit dem Titel «Koch des Jahres» ausgezeichnet und erhält erstmals 19 GaultMillau-Punkte. Ihre Freude ist riesig, die Freude im 24-köpfigen Team fast noch grösser. Denn Tanja kann kaum oft genug betonen, dass dieser Erfolg nicht ihr Verdienst alleine ist, sondern eine Team-Angelegenheit. «Ich danke euch, jeder einzelne ist grossartig», sagt Tanja. Höchste Zeit, dieses Dreamteam etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Blindes Vertrauen. «Captain» dieser Mannschaft ist Marco Böhler. Der 34-Jährige ist Tanjas Küchenchef, ihre rechte Hand. Für Marco ist klar: «Für mich ist es wie der eigene Betrieb und so arbeite ich auch.» Marco rechnet, plant und braucht nicht für jede Entscheidung Tanjas Einverständnis. «Ich habe keine klaren Vorgaben, auch nicht beim Einkaufen. Tanja vertraut mir da blind.» Und trotzdem stellt sich die Frage: Hat man bei so viel Talent, Motivation und 14 Jahren im «Stucki» nicht irgendwann Lust auf etwas ganz Eigenes? «Meine Eltern haben einen Betrieb und sind langsam in einem Alter, in dem sie nicht mehr alles alleine machen können», erzählt Böhler. «Natürlich würden sie sich freuen, wenn ich den Betrieb übernehmen würde. Aber im Moment habe ich ehrlich gesagt zu wenig Zeit, um darüber nachzudenken.»
Keiner will weg. Auch Julien Duvernay ist eine Instanz: Der Franzose war 2018 «Patissier des Jahres», jetzt ist seine Chefin im Punkte-Olymp. Ist da eine Steigerung überhaupt noch möglich? «Man ist nie perfekt. Ich versuche immer wieder neue Sachen und verbessere mich bei den Details», sagt Julien. Auffallend: Die Angestellten in Tanjas Team sind keine Kinder von Traurigkeit. Hier wird immer gelacht. Fabian Wehrli ist Souschef und Stehaufmännchen der Truppe. «Ich habe nie schlechte Laune», sagt er. «Man muss es doch lustig haben in der Küche. Und wenn es ernst gilt, sind wir sofort hochkonzentriert.» Auch Fabian ist seit Jahren dabei, macht aber keine Anstalten, den Betrieb zu wechseln. «Solange es mir hier gefällt, steht das nicht zur Debatte.» Denn Tanja liegt das Wohl ihrer Mitarbeiter enorm am Herzen. «Manchmal will man im Leben ja auch etwas anderes sehen. Deshalb erlaubt mir Tanja, zwei Monate zu reisen», erzählt Wehrli.
Mentorin. Tanjas Küche ist aber nicht nur ein wohliges Nest, es bietet jungen ambitionierten Köchen auch Möglichkeiten. André Kneubühler, 25, kochte schon bei Daniel Humm, Andreas Caminada oder Anton Mosimann. Tanja ist ein weiterer grosser Name und eine gute Mentorin. «Sie kann locker mit den anderen mithalten! Sie unterstützt mich extrem, hat mir auch Zeit gegeben, um beim Marmite Youngster mitzumachen», sagt Kneubühler. Natürlich hat der Chef Poissonnier den Wettbewerb gewonnen. Auch junge Frauen kommen im Team nicht zu kurz. Magdalena Brandstätter, 25, wollte eigentlich nur ein Praktikum im «Stucki» machen. Jetzt ist sie seit 2,5 Jahren im Team. «Dass Tanja eine Frau ist, hat bei der Jobwahl keine Rolle gespielt. Mir gefällt einfach ihre spezielle, verspielte Küche», sagt Magdalena. Aber: «Zum Arbeiten ist es bei einer Frau schon viel schöner. Es ist alles viel feiner und trotzdem hat Tanja eine klare Linie.»
Küche vs. Service? Das Küchenteam ist gut aufgestellt. Und wie sieht es an der Front aus? Hier ist Grégory Rohmer zusammen mit Sommelier Christian Juppe verantwortlich. «Es gibt nur ein Team», stellt Rohmer klar. «Wo die Küche aufhört, fangen wir an. Das gibt eine gewisse Kontinuität.» Doch der Maître d’hôtel, der seit zwei Jahren im «Stucki» ist, gibt zu: «Am Anfang war es gar nicht so leicht in dieses Team hineinzukommen, weil so ein Zusammenhalt besteht. Aber jetzt ist das wie eine grosse Familie.» Die schwarze Brigade hatte an der «Koch des Jahres»-Feier einen überzeugenden Auftritt. Grégory Rohmer verblüffte die Gäste mit seiner (Schweizer) Weinauswahl: Pinot Noir aus Schaffhausen (Markus Ruch, Hallau), Païen aus Saillon VS (Valentina Andrei), Flétrie aus Vétroz VS (Faienne Cottagnoud). «Die Weine passten perfekt zu Tanjas Küche», freute sich Swiss Wine Chef Nicolas Joss.
Family Affair. Familie ist das Wort, das hier am häufigsten fällt. Wie sieht das das Familienoberhaupt? «Ja, es ist wirklich wie eine Familie, man verbringt so viel wertvolle Zeit miteinander. Ich habe grossen Respekt vor jedem einzelnen. Mit diesem Team kann man auch das Unmögliche schaffen.» Und welche Rolle übernimmt die Chefin? «Als Mutter sehe ich mich eigentlich weniger», sagt sie und überlegt erneut. «Wobei: Manche Mitarbeiter führen sich schon wie Kinder auf.» Tanja lacht, ihre Mitarbeiter auch. Die Küchenparty geht weiter.