Text: Anita Lehmeier I Fotos: Pascal Berger
VON NIDAU IN DEN BUCKINGHAM PALACE. Manchmal wirkt Anton Mosimann, 76, selbst ein bisschen erstaunt, wenn er aus seinem Leben erzählt und die Namen all derer nennt, für die er schon am Herd stand. Keiner hat mehr Royals, Staatspräsidenten, Hollywood-Stars, Diven und Rockgrössen bekocht als dieser schmale, freundliche Berner mit der farbigen Fliege am Hals und dem markanten Haarkranz unter Hut oder Mütze. Keiner hat mehr Orden und Auszeichnungen erhalten als der Wirtesohn aus Nidau, der früh auszog, die Welt zu erobern und mit seiner Nouvelle Cuisine das Kochen rund um den Globus veränderte. Seine fettreduzierten Rezepte, die er in Kochbüchern und Fernsehsendungen teilte, beeinflussten Hausfrauen ebenso wie Sterneköche. Anton Mosimann war zweifelsfrei einer der ersten Rockstars seiner Zunft, schon zu Zeiten, als dieser Begriff für Köche noch nicht geläufig war. Dabei liegt Mosimann nichts ferner als die Attitüde eines Stars oder einer lebenden Legende. Sein Auftreten ist das eines Gentlemans klassisch englischer Schule: zurückhaltend, ruhig, aufmerksam. Grosses Bild oben: Katrin und Anton Mosimann im «Victoria Jungfrau» Interlaken.
HANDSCHLAG VOM CHEF. Diese freundliche, bescheidene Art ist nicht Altersmilde, sondern seit jeher Mosimanns Charakter. «Bei vielen Chefs meiner Generation herrschte in der Küche ein Kasernenton, es wurde rumgebrüllt, es flogen Pfannen und Platten. Das habe ich als junger Koch öfter erlebt bei meinen Stellen hierzulande und im Ausland. Das schien mir sehr kontraproduktiv, so wollte ich nie führen. Ich setzte vielmehr auf Respekt und Motivation. Also habe ich als Chef jeden einzelnen meiner Brigade morgens mit Handschlag begrüsst. Und wenn ein Fehler passierte, wusste ich: Der geht auf meine Kappe. Da habe ich etwas zu wenig genau erklärt.»
DER SCHÖNSTE BERUF DER WELT. Ein Führungsstil, der zum Erfolg führte. Mosimann schaffte es damit an die Spitze. Und viele der tausend Köche, die laut Mosimanns Schätzung durch seine Schule und Küchen gingen, haben vom «soft leading» profitiert, Sterne und Punkte erobert. Im legendären «The Dorchester» in London, wo er als jüngster «Maître Chef des Cuisines» mit 28 Jahren antrat und als erster zwei Michelin-Sterne für ein Hotelrestaurant ausserhalb Frankreichs holte, hätte er stets Hunderte von Bewerbungen gehabt, Köche rissen sich um eine Stelle unter Mosimann. Welchen Rat hat er für Berufseinsteiger? «Zuerst einmal gratuliere ich zur Berufswahl: Leute zu bekochen, glücklich zu machen ist der beste Beruf der Welt! Dann rate ich zu einem seriösen Aufbau der Karriere, schön einen Schritt nach dem anderen.» Seinen Söhnen hat er einst nicht zum Kochberuf geraten: «Ein Koch in der Familie reicht! Nein, im Ernst, Mark und Philipp haben auch Berufe in der Gastronomie gewählt und führen heute mit Erfolg den Mosimann’s Private Dining Club weiter, den ich 1988 in einer ehemaligen Kirche gegründet habe. Ihr zweiter Fokus: internationale Grossanlässe. Bei ihnen ist die Marke Mosimann in besten Händen.»
Kochen für Kate & William. Grossanlässe waren schon lange Antons Ding: Ganze 45 Jahre lang kochte er immer wieder für den englischen Königshof, richtete Staatsbankette, Olympia-Caterings und Hochzeiten aus, zuletzt 2011 die von Prinz William und Kate Middleton – «meine schönste Hochzeit ever!» Apropos Liebe: Anton und Kathrin Mosimann feierten im April ihr 50-Jahre-Jubiläum - was ist das Geheimnis einer langen, guten Ehe? «Auch hier ist es Respekt! Und Ehrlichkeit. Ich habe Kathrin schon bei unserer Verlobung gesagt, dass für mich der Job immer an erster Stelle komme. Das war für sie nie ein Problem. Und wir haben oft am selben Ort, aber nicht im selben Betrieb gearbeitet. Vielleicht war das ebenfalls hilfreich.» In ihrer Verlobungszeit sei er auch schon mal nächtens über die Feuertreppe in Kathrins Zimmer geschlichen und im Morgengrauen wieder heimlich raus – eben ganz Gentleman.
BENZIN IM BLUT. Trotz seines unaufgeregten Auftretens sorgte Mosimann auf seiner Rally auf der Route der «Grand Tour of Switzerland» dennoch für Aufsehen, wenn er an seinen früheren Wirkungsstätten auftauchte. Anton und seine Frau Kathrin waren als Botschafter für Schweiz Tourismus und Swiss Deluxe Hotels nämlich mit ihrem Classic-Car-Cabriolet, einem Jaguar XKR 8 Baujahr 1998, unterwegs. Ein elegantes Schmucktruckli auf Rädern in augenfälligem Feuerrot. Natürlich original rechtsgesteuert, Mosimanns leben den Grossteil des Jahres in London, ein paar Monate am Lac Léman in Montreux. «Dreimal im Jahr reisen wir im Jaguar von England in die Schweiz», erzählt Anton Mosimann, dessen zweite grosse Leidenschaft schöne und schnelle Autos sind. Die loderte schon im kleinen Toni: «Unser Nachbar in Nidau arbeitete bei General Motors. Er fuhr einen Ami-Schlitten mit Heckflossen. «Der Sound und das Design faszinierten mich bereits als Bub, das Auto schien aus einer anderen Welt zu kommen. Und die interessierte mich. Noch bevor ich meinen Fahrausweis in der Tasche hatte, kaufte ich einen Triumph Spitfire. Weil ich als einziger Spross eines Wirtepaares schon von Kindsbeinen an im Restaurant und in der Küche mitgeholfen hatte, konnte ich mir diesen Traum erfüllen.» Später blieb er den britischen Marken treu. Viele Jahre seien es Jaguar E-Types gewesen, die er lenkte. Mosimann nahm auch an zahlreichen Rallyes rund um die Welt teil, unter anderen an der legendären Peking-Paris. «Im Nirgendwo in der Mongolei verloren wir den Anschluss an den Tross. Auf dem Markt von Ulan Bator fand ich Cervelats und Emmentaler, aus russischer Produktion. Ich machte daraus einen Wurst-Käse-Salat, der uns wie ein Luxusessen vorkam», erzählt Mosimann, diese Wundertüte voller Anekdoten. Einmal hätten sie auf einer Rallye nur eine Dose Ravioli auftreiben können, «für jeden gabs genau zwei Stück. Das Einzige, was wir an diesem Tag zu essen bekamen! Die matschige, geschmacklose Pasta erschien uns wie ein Festessen.»
KURVEN, PUNKTE, STERNE. Die «Mosimann Rally» war eine Rallye in die schönsten Swiss Deluxe Hotels» und zu den besten Chefs. Anton und seine Frau Kathrin wurden fürstlich bekocht: Im «Fairmont Le Montreux Palace» von Chef Thomas Vételé, im «Grand Hotel du Lac» in Vevey von Guy Ravet, der im Nebenamt Präsident der «Grandes Tables Suisse» ist, im «Le Grand Bellevue» Gstaad von Chef Francesco De Bartolomeis, im «Victoria-Jungfrau» Interlaken von Stefan Beer. Auch am Vierwaldstättersee wurden die Mosimanns freundlich empfangen: Im neu eröffneten «Mandarin Oriental Palace» in Luzern war Chef Gilad Peled der Gastgeber (Lahmacun & Piri Piri Alpenhuhn). Im «Park Hotel Vitznau» bewunderte Mosimann erst den Weltklasse-Weinkeller und liess sich dann auf der Seeterrasse des Märchenschlosses einen Lunch servieren, zubereitet von den Chefs Patrick Mahler, Raul Garcia und Felix Kattchin. Via Klausenpass, der berühmten Berg-Rallye-Strecke, gings nach Zürich ins «La Réserve Eden au Lac», wo sich die beiden Chefs Marco Ortolani und Domenico Zizzi persönlich um ihren VIP-Gast kümmerten. Letzte Station; «The Dolder Grand»; die Chefs Heiko Nieder und Julian Mai sorgten im «Saltz» für einen weiteren kulinarischen Höhenflug.
DIE SACHE MIT DER FLIEGE. Dass man in den Swiss Deluxe Hotels auf der Rally-Strecke von Montreux über das Berner Oberland via Luzern nach Zürich die Mosimanns freudig erwartet und auch namentlich begrüsst, ist bei Antons Bekanntheitsgrad kein Wunder. Zu seiner markanten Erscheinung gehören ja auch die Fliegen in vielen Farben. «Ich besitze über dreihundert davon! Meine erste hat mir meine Mutter umgehängt, das war ich sieben Jahre alt. Ich war erst skeptisch dem Halsbinder gegenüber. Aber sie sagte, dass die Herren Doktoren solche tragen. Das überzeugte mich – auch wenn dann kein Tokter aus mir wurde, nur ein Koch!» Eine als Junior erfolgreich gestartete Schwinger-Karriere hängte Anton übrigens bald an den Nagel. «Regelmässiges Training lag neben der Lehre nicht drin. Denn wie gesagt, der Job ging eben immer vor.» Zum Glück für die Welt des Genusses, wie heute feststeht. Jogging oder Gym stehen bei Senior-Chef dreimal die Woche auf dem fixen Programm, «für die Linie und fürs Wohlbefinden.»
AUF DER BUCKET LIST. Welchen grossen Wunsch hegt einer, der die ganze Welt gesehen, die höchsten Auszeichnungen seiner Zunft erhalten und die VIPs aus allen Sparten kennengelernt hat? «Ich bin eigentlich wunschlos glücklich. Was aber zuoberst auf meiner To-do-Liste steht, ist die Weiterarbeit an der Mosimann Collection, an deren Aufbau ich seit 2016 mitmache. Damit will ich der Nachwelt etwas erhalten.» Die Mosimann Collection in Le Bouveret VD sieht er weniger als ein Museum oder persönliches Denkmal, sondern als eine wertvolle Sammlung historischer Kochbücher, Artefakte, Originalrezepte, Bilder und Orden einer ungewöhnlichen Karriere, das junge Leute motivieren soll, den Kochberuf zu erlernen, «den schönsten Beruf der Welt», wie Anton Mosimann nicht müde wird zu betonen. Anekdoten, Bilder, Widmungen und Rezepte in reicher Fülle bietet auch die kiloschwere Autobiografie «Life is a circle», erschienen im Verlag Reinhardt, Basel.
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