Text: David Schnapp Fotos: Ellin Anderegg
Kein gewöhnlicher Lebenslauf. Thomas Bisseggers Lebenslauf entspricht nicht dem typischen CV eines Spitzenkochs, dessen Restaurant mit Punkten und Sternen ausgezeichnet ist. Der 32-jährige Aargauer hat nicht jahrelang in Top-Lokalen gekocht. Stattdessen hat er viel Zeit in Wettbewerbe investiert. Die Liste seiner Erfolge ist lang: Er ist zweifacher Weltmeister mit der Junioren-Kochnationalmannschaft (2007 und 2010), hat zweimal den Swiss Culinary Cup gewonnen und belegte mit der Schweizer Kochnationalmannschaft den zweiten Platz beim «Battle for the Lion 2014» in Singapur.
Koch durch Zufall. Dass er überhaupt Koch wurde, ist eher einem glücklichen Zufall als etwa familiärer Prägung zu verdanken: «Ich wollte eigentlich Informatiker werden. Während meiner Schnupperlehre musste ich in einem Restaurant helfen, Kabel zu verlegen. Ich habe den Leuten in der Küche zugeschaut, und danach wollte ich nur noch Koch lernen», erzählt Bissegger. Die Lehre hat er dann nicht in einem Spitzenrestaurant sondern in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden gemacht – «ein schönes Fundament», wie er sagt. Es folgten Stationen in der «Moospinte» beim legendären Oskar Marti oder im «Pur» in Pfäffikon.
Vom Berufsschullehrer zum Küchenchef. Heute ist Bissegger, der zuletzt sechs Jahre lang auch als Berufsschullehrer tätig war, Executive Chef des neuen Restaurants «1904 Designed by Lagonda», das vom Engadiner Starchef Dario Cadonau in Zusammenarbeit mit der Kultmarke Lagonda konzipiert wurde und vor kurzem mitten in Zürich eröffnet hat. «Den Schritt von der Berufsbildung in ein solches Prestigeprojekt habe ich mir natürlich gut überlegt», sagt Bissegger. Am Schluss sprach er sich dafür aus, «diese Riesenchance» zu packen, an einem solchen Standort ein Restaurant zu führen», das eher an die Verwirklichung eines Traums erinnert als an ein durchschnittliches Gastronomie-Startup.
«Jeder Teller gleich.» Mittags gibt es im «1904» einen einfachen Businesslunch, abends wird sichtbar mit Ambitionen gekocht. Die Gerichte präsentieren sich in schlichter Perfektion, aber «der Geschmack steht an erster Stelle», sagt der Küchenchef. Exaktheit und Pinzette gehören zum Grundwerkzeug Bisseggers, der in vielen Wettbewerben gelernt hat, «dass jeder Teller gleich aussehen muss». Gelernt hat er aber auch, dass nichts ohne die Mannschaft geht. «Zunächst möchte ich ein gutes Team aufbauen, dann können wir weitere Ziele in Angriff nehmen», sagt er. Auf Nachfrage gibt er zu, dass er mehr will, als bloss exakte Teller anzurichten – nur darüber reden möchte er eben nicht. Es spricht für Bissegger, dass er seine Ambitionen nicht an die grosse Glocke hängt und die richtigen Prioritäten setzt.
Im besten Restaurant der Welt. Thomas Bissegger ist ein überlegter, freundlicher junger Mann. Er ist wohl ehrgeizig, aber auch bescheiden genug, um zu wissen, dass es noch «eine Weile dauert, bis ich meine eigene Handschrift und meinen Stil gefunden habe», wie er sagt. Vor seinem Start in der Zürcher City hat Bissegger Stages im Ausland absolviert. «Daniel Humm ist menschlich und kochtechnisch ein Vorbild», sagt der Küchenchef über seine zwei Wochen im New Yorker «Eleven Madison Park». Wertvolle Erfahrungen habe er auch in der «Testkitchen» in Kapstadt gesammelt oder beim Schweizer Felix Episser, der heute in Burma lebt und kocht.
Roher Fisch mit Pflaumen. Asiatische Aromen und Techniken spielen auch in Thomas Bisseggers Küche im «1904» in Zürich eine Rolle, wie etwa beim Hamachi-Tatar zu sehen ist. Das rohe, leicht fettige Fleisch der Makrele wird auf fermentierten Pflaumen angerichtet. «Umeboshi» heissen die in Salz eingelegten Steinfrüchte in Japan. Bissegger aber hat sie «dem hiesigen Geschmack angepasst» und etwas milder zubereitet, so dass eine schöne Harmonie entsteht. Ein Bohnensud rundet dieses Gericht ab, das der Idee einer «weltoffene internationale Küche aus den besten Produkten» folgt, die Bissegger vorschwebt.
>> Website 1904 Designed by Lagonda
GaultMillau und Partner American Express scouten junge Chefs, die die Zukunft vor sich haben. Die ersten Namen auf der neuen Liste «Talente 2019»: Ale Mordasini, («Krone» Regensberg), Marco Campanella («La Brezza», Ascona), Giuseppe D’Errico («Ornellaia» Zürich) und Thomas Bissegger («1904 Designed by Lagonda», Zürich. Fortsetzung folgt.