Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Olivia Pulver, Joan Minder
Wohlfühlort Bauernschänke. Seit über vier Jahren ist die «Bauernschänke» (15 GaultMillau-Punkte) kulinarischer Hotspot im Zürcher Niederdorf. Das Aushängeschild: Nenad Mlinarevic. Doch der einstige 18-Punktechef steht nicht selbst am Herd. Das überlässt er einem anderen: Thomas Brandner ist der Mann hinter den Kulissen. Brandner ist zwar nicht schüchtern, drängt sich aber auch nicht in den Vordergrund. Er schmeisst das Daily Business, repräsentiert seinen Chef und Mentor so, dass es für den Gast keinen Unterschied macht. «Wenn ich mich an einem Ort wohl fühle, dann führe ich den Betrieb, als wäre es mein eigener», sagt Brandner.
Kärnten, Tirol, Zürich. Und Thomas Brandner fühlt sich sehr wohl. Trotz winziger Küche, wo sein Team Rücken an Rücken arbeitet. Familiär, heimelig, persönlich. So mag es der Österreicher. Aufgewachsen ist Thomas in Kärnten, wo seine Grosseltern ein Gasthaus betrieben. «Ich habs geliebt, wenn Oma den Holzofen eingeheizt hat. Ich habe schon als Kind mit ihr gekocht, Kekse gebacken oder Johannisbeersaft produziert. Auch wenn ich heute in der Heimat bin, gehe ich immer zur Oma zum Mittagessen», erzählt Brandner. Die Lehre machte er in einem gutbürgerlichen Restaurant, später zieht es ihn immer wieder ins 5-Sternehotel Hospiz am Arlberg. Acht Monate arbeitete er bei Heinz Winkler in Aschau in Bayern, knapp zwei Jahre war er bei Hubertus Real in Liechtenstein. Nach Zürich kam er zum ersten Mal, um in der Brigade von Antonio Colaianni im «Mesa» zu kochen.
Freie Hand bei der Karte. Der Konro-Grill ist heiss, es raucht wie wild, Thomas Brandner gibt dem Entrecôte den letzten Schliff. Dazu gibts einen marinierten Lattich mit Kräutercreme, Estragon-Butter, etwas Jus und eine grillierte Zitrone. Das Sauerteigbrot vom Eigenbrötler mit stets wechselnder Tunke gehört quasi zum Inventar. Die Königsmakrele wird gebeizt und mit einer Trüffel-Dashi versehen. Die Steinpilze kombiniert Brandner mit Labneh und Topinambur. In der «Bauernschänke» landen die Gerichte zum Teilen auf den Tellern. Das Sharing-Konzept hat sich bewährt. Nenad Mlinarevic hat den Stil zu Beginn vorgegeben, Thomas Brandner setzt heute nach seinem eigenen Gutdünken um. «Nenad lässt mir freie Hand bei der Karte. Aber wenn ich Fragen habe oder mit einem Gericht nicht weiterkomme, ist er immer da. Nenad ist mein Telefonjoker! Ich muss ihm nur einige Zutaten nennen und er weiss sofort, womit man den Teller ergänzen könnte.»
Dritter Tag: Koch des Jahres. Nenad und Thomas, das war sofort ein gegenseitiger «Match». Zum ersten Mal begegnet sind sich die zwei im Hospiz am Arlberg. «Nenad war Gastkoch, ich machte bei einem Wettbewerb für Jungköche mit. Nenad fand meine Gerichte mit Abstand am besten.» Einige Monate später hatte Nenad neue Stellen zu besetzen, Brandner zog an den Vierwaldstättersee und kochte in der «Focus»-Brigade. «An meinem dritten Arbeitstag wurde Nenad mit dem Titel ‹Koch des Jahres› ausgezeichnet.» Es folgte eine strenge Zeit. Das Restaurant war permanent ausgebucht, das Anrichten mit der Pinzette war Neuland für Brandner. Doch der Österreicher hat sich durchgebissen, wurde befördert und ist seither von Nenads Seite nicht mehr wegzudenken.
Nenads erster Apostel. Auch als Nenad Mlinarevic das Park Hotel Vitznau verlässt, zieht Brandner weiter. Er ist Nenads Sidekick bei verschiedenen Pop-ups und die erste Wahl bei der Frage nach dem Küchenchef in der «Bauernschänke». Brandner bezeichnet sich selbst scherzhaft als «Nenads ersten Apostel». Sieht man von der religiösen Komponente und der Tatsache, dass sich Nenad nicht für den Messias hält, ab, ist der Vergleich gar nicht so verkehrt. Thomas vertritt die Werte seines Chefs wie kein Zweiter, bringt sie dem Gast näher und hat die gleichen hohen Ansprüche an sich selbst, seine Mitarbeiter und die Qualität der Produkte. Und das soll sich so schnell nicht ändern. Brandner arbeitet auch beim nächsten Projekt von Nenad Mlinarevic und Valentin Diem mit: der Eröffnung des «Neumarkts» im November. Und für das Mega-Projekt Hauptbahnhof (Ende 2023) soll er die Rolle des Executive Chefs einnehmen. Auf die Frage, ob er nicht davon träumt, sein eigenes Ding zu machen, antwortet Thomas überraschend schnell und klar mit «Nein». Diskussion beendet.