Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder, Lukas Lienhard
«Equalvoice» in der Küche. Gleiche Chancen – das ist im Luxushotel Eden Roc der Familie Kipp in Ascona kein leeres Wort. Chef der zwölfköpfigen Brigade im Traditionsrestaurant des Resorts ist eine junge Frau: Caterina Vosti, aufgewachsen an der Maggia, im Tessin sehr verwurzelt. Konversationssprache in der Küche ist italienisch, und der Frauenanteil ist hoch. Caterina ist akzeptiert bei ihrer Truppe: «Eine Frau als Chef? Das ist bei uns kein Problem.» General Manager Simon Spiller rühmt: «Frau Vosti kocht nicht nur sehr gut. Sie weiss auch, wie man ein grosses Team führt und motiviert.»
Bei Dani Humm, Nenad Mlinarevic & Andreas Caminada. Caterina Vosti führt das «Eden Roc», das klassische Restaurant im Resort (14 Punkte). Fürs grosse Gourmet-Spektakel ist Marco Campanella nebenan im «La Brezza» zuständig (17 Punkte). «Wir verstehen uns gut, helfen einander aus», freut sich die Chefin. Sie kennt sich übrigens auch in der grossen Gourmet-Küche sehr gut aus. Caterina war die erste Studentin von Andreas Caminadas «Fundaziun Uccelin», hospitierte sie bei den Stars: Bei Dani Humm, bei Nenad Mlinarevic und natürlich bei Maestro Caminada selbst. Eine Stage auf der grossen Uccelin-Tour hat sie besonders beeindruckt: Die Zeit bei Kult-Käser Flo Bienerth in der Sennerei Andeer GR.
Power-Pasta: Cavatelli mit Wurst! Chefin Caterina holte den ersten Applaus des Abends schnell ab: Ziegencrème (Capra büscion aus dem hintersten Verzascatal) auf Maggiabrot. Einfacher geht nicht. Besser auch nicht. Dann ein Pasta-Gang der Extraklasse: Hausgemachte kleine und feine Cavatelli mit einer Prise Safran, mit Brokkoli und unter Parmesan-Scheiben. Geheimwaffe bei diesem Gericht: Luganighe! Das grobe Brät dieser traditionellen Tessiner Schweinswurst sorgte für mächtig Power im tiefen Teller. Beim «Risotto mantecato all’erba» hat die Chefin auch noch eine kleine Überraschung auf Lager: Lumache (Schnecken).
Edel-Bouillabaisse im Hauptgang. Die Brigade setzt für ihre Fischsuppe auf das wunderbare Fleisch des ziemlich hässlichen Seeteufels und veredelt die sorgfältig angesetzte Brühe mit Vongole, Cozze und Meerspargeln; auch die Rouille dazu war untadelig. Ein kleiner Ausflug in die nachhaltig-gesunde Abteilung «Moving Mountain» musste natürlich auch sein: Die dunkle Spargelcrème mit Morcheln und Bärlauch war korrekt. Frühlingshaft-flirrend war sie nicht.
Feuer frei für die Maîtres. Langjährige Stammgäste mögen allenfalls der alten, klassischen «Eden Roc»-Küche von Cyrille Kamerzin nachtrauern, aber auch für sie ist gesorgt: Die freundlichen Maîtres legen eine kleine Karte mit «specials» auf: Châteaubriand, Branzino im Salz, Scampi und Stroganoff spektakulär aus der Flambierpfanne. Einen der «specials» liessen wir uns auch nicht entgehen: Die «Crèpe Suzette», routiniert zubereitet am Tisch, war hervorragend. Die Desserts des neapolitanischen Pâtissiers Daniele Russo allerdings auch: Cannolo wie auf Sizilien, gefüllt mit Edel-Ricotta, riesig und erstaunlich leicht.