Fotos: Olivia Pulver, Paul Seewer
Tobias Hoesli, bald ist Ostern. Muss ich mich als Gastgeber an sämtliche Ernährungsweisen meiner Gäste anpassen?
Es ist sicher nicht freundlich, an den Feiertagen Forelle als Hauptgang zu servieren, wenn Sie wissen, dass jemand keinen Fisch mag... Doch bei einem Osterbrunch ist es ja überhaupt kein Problem, möglichst verschiedene Speisen vorzubereiten – so dass jeder etwas findet, das er gern hat. Sowieso, es geht bei einem solchen familiären Essen meiner Meinung in erster Linie ums Zusammensein, das sollte man zelebrieren.
Was sind typische Stolperfallen, wenn man vegane Gäste zufrieden stellen will?
(Lacht.) Mir kommt da eine Geschichte aus meiner Kindheit in den Sinn. Mit 18 bin ich Vegetarier geworden – mir war jedoch nicht bewusst das «Le Parfait» aus Hühnerleber gemacht wird. Meine Mutter hat mir beim Streichen des Brots zugesehen und dachte, der Junge weiss sicher, was er macht. Aber zurück zur Frage: Vorsichtig muss man bei Brot oder Teig sein – oft ist Milchpulver drin. Auch Margarine enthält, für viele wohl überraschend, manchmal tierische Fette... Halbfertige Produkte sind fast alle problematisch – da hilft das Vegan-Logo oder die Verpackung zu lesen...
Und wenn ich am Ostersonntag trotzdem Lammbraten auftischen möchte? Was serviere ich den Veganern stattdessen?
Womöglich sollten Sie dann eine Alternative parat haben. Vielleicht gibt es ja Gemüse und Bratkartoffeln dazu – und es stellt sich die Frage, ob man dazu ein veganes Schnitzel anbieten sollte.
Sie zögern, weshalb?
Ich bin ehrlich gesagt kein Fan solcher Fleischalternativen. Auch wenn man da wenigstens sicher ist, dass es 100 Prozent vegan ist. Ich neige eher dazu, im besagten Beispiel das Gemüse so zubereiten, dass es zum Star wird.
Und wenn ich trotzdem eine Alternative zu einem Braten möchte?
Hm, nehmen wir mal an, für die fleischessende Verwandtschaft machen Sie «Filet Wellington». Für die Veganer könnte man in dem Fall etwas Ähnliches machen. Gekaufter Blätterteig bei Coop und Migros – auch dies wissen wenige - enthält nämlich meist keine Butter... Ich schlage deshalb vor, dass Sie Schwarzwurzeln mit Pilzen in den Teig einrollen.
Und die Schwarzwurzeln im Teig dürfen in den gleichen Ofen wie das Fleisch?
Ich persönlich kenne niemanden, der da was dagegen hätte. Anders ist es übrigens im Sommer beim Grillieren: Es gibt Veganerinnen und Veganer, die ihren Getreidebratling keinesfalls auf dem gleichen Rost braten möchten wie ein Stück Fleisch.
Bleiben wir beim Osterfest. Wie mache ich Zopf ohne Ei?
Die Kuhmilch kann man inzwischen ja gut ersetzen, etwa mit Hafermilch. Bei solchen Rezepten muss man sich als Koch die Frage stellen: Welche Funktion hat das Ei? Ist es Trieb- oder Bindemittel? Sorgt es bloss für Feuchtigkeit, wie etwa in einem Kuchen? Je nachdem ändert sich auch die ideale Alternative. Generell gilt: Man kann Zutaten wie Ei sowieso nicht 1 zu 1 ersetzen, auch nicht mit einem Ei-Ersatz... Ich würde eine solche Rezeptur auf jeden Fall noch vor Ostern einmal ausprobieren.
Zu Ostern dürften die ersten Spargeln auf den Tisch kommen – ohne Hollandaise oder Béarnaise schmecken sie nur halb so gut. Was raten Sie hier?
Da wird es schwierig, diese Saucen vegan zuzubereiten – selbst wir haben mehrere Monate daran getüftelt. Und wer nach veganen Alternativen googelt, findet nicht unbedingt gute Rezepte. Stattdessen bieten sich Saucen mit Kräutern an, beispielsweise Salsa Verde, natürlich ohne Sardellen. Vegane Aioli oder andere Saucen auf veganer Mayo-Basis passen sicherlich ebenso gut.
Schokoladenhasen gibt es inzwischen vegan. Doch wie mache ich ein richtiges Dessert ganz ohne Ei, Honig und Rahm?
Jetzt komme ich doch noch mit einem detaillierten Rezept: 400 Gramm Seidentofu mit 90 Gramm Zucker vermixen, bis letzterer sich aufgelöst hat. 175 Gramm Couverture von möglichst guter Qualität schmelzen und darunterheben – fertig ist eine einfache Mousse au Chocolat. Mit Kräutern wie Thymian oder passenden Destillaten kann sie nach eigenem Gusto aromatisiert werden.
Und wie ist es mit Wein? Machen da die Veganer eine Ausnahme, auch wenn der Tropfen mit tierischen Produkten geklärt wurde?
Das Endprodukt ist ja eigentlich schon vegan, auch wenn beispielsweise Ei zur Klärung verwendet wurde.
Manche sind da trotzdem strikt.
Es ist keine Hexerei, vegane Weine aufzutreiben. Gut 90 Prozent der Weine aus der Bündner Herrschaft sind vegan, auch beim Grossverteiler dürfte es geschätzt jede zweite Flasche sein. Fragen Sie doch einfach den Weinhändler Ihres Vertrauens!
Zum Schluss: Ist es überhaupt sehr wahrscheinlich, dass beim Osterfest eine Veganerin oder ein Veganer am Tisch sitzt?
Rein prozentual ist die Chance dafür noch immer relativ klein. Aber je länger, desto häufiger kann es vorkommen, dass jemand nur wenig oder gar kein Fleisch isst. Generell ist es schön zu sehen, dass das Bewusstsein für nachhaltiges und gesundes Essen in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.
Was heisst das jetzt für Ostern?
Glücklicherweise kennt man die eigene Familie meist ziemlich gut – solche Ernährungsgewohnheiten wie auch Unverträglichkeiten kommen ja nicht überraschend. Im Zweifelsfalle liegt es, so finde ich, am Gast mitzuteilen, wenn er etwas nicht isst.
Oster-Rezept
>> Tobias Hoesli ist seit 2014 Gastgeber im Restaurant Marktküche in Zürich. Für seine vegetarische Küche ist er aktuell mit 15 Punkten im GaultMillau ausgezeichnet. Sein Restaurant ist an diesem Ostermontag geöffnet. www.marktkueche.ch
Dieser Artikel wurde überarbeitet und aktualisiert, er ist erstmals im März 2023 erschienen.