Text: Stephan Thomas | Fotos: Nik Hunger

Porterhouse statt Capuns. «Es fehlt wirklich nur das Bier in der Hand», flachst David Esser, Chefkoch im «Alten Torkel» Jenins. Zusammen mit dem Pächter Oliver Friedrich steht der gebürtige Kölner auf der Restaurantterrasse vor dem rauchenden Green Egg. Oben scheint die Sonne, unten breiten sich die Weinberge aus. «Wir sind hier mitten im Rebenmeer. Da brauchen wir gar keinen Strand», ist Oliver Friedrich überzeugt. Auf dem Grillrost liegen zwei riesig kalibrierte Steaks, ein Tomahawk und ein Porterhouse. Das vorzügliche Fleisch ist - neben dem Wein natürlich - eines der Markenzeichen des «Torkel». «Dafür sucht man bei uns vergeblich nach Capuns und Coupes», sagt Oliver. Er hat den «Torkel», der zugleich «Huus vum Bündner Wii» ist, mit einem ganz auf den Rebensaft fokussierten Konzept neu platziert. Drinnen bereitet David Esser weitere Köstlichkeiten zu. Pochiert eine ganze Zunge, die nachher einen vorzüglichen Siedfleischsalat ergibt.

Alter Torkel, Jenins, David Esser (l), Koch, Oliver Friedrich, Veronika und Reto Ruof, Bauern, unterhalb Restaurant bei Ruofs Reben

Die vier von Jenins: Veronica & Reto Ruof (r.), David Esser und Oliver Friedrich (Alter Torkel).

Ein Kalb zur Hochzeit. Wir fragen uns, wer die Prachtsstücke auf dem Grill liefert. Antwort: Die Nachbarn, Veronica und Reto Ruof aus Jenins. Sie halten dreissig Tiere, zudem bewirtschaften sie die zwei Hektar Reben, die talseitig an den Torkel grenzen. Wir fahren auf die Alp Vadella, wo die Rinder Zwischenstation machen, bevor es im Sommer auf 2000 Meter hoch geht. Hier leben sie wie im Paradies. Rundum funkeln die Schneeberge; die Szenerie toppt jeden Heidi-Film. «Die Mutterkuhhaltung ist wirklich ein Maximum an Naturnähe. Mehr davon haben nur die Büffel in der Serengeti.» Reto gibt uns Tipps, was Wanderer bei der Begegnung mit Mutterkuhherden beachten sollten. «Laut reden oder pfeifen, damit die Kühe nicht erschrecken. 'Halt' rufen und die Arme ausstrecken, falls sie sich aggressiv zeigen. Wegrennen hilft nur bedingt. Auch eine ältere Kuh erreicht locker 40 Stundenkilometer. Schon einem dreitägigen Kalb kommt man nicht mehr hinterher.» Die Kuhglocken hört man bis weit hinunter ins Tal. Ruofs erkennen von Jenins aus einige der Tiere auf der Alp am Glockenklang. Veronica zeigt auf ein besonders hübsche schwarze Kuh: «Sie war unser Hochzeitsgeschenk.»

Alter Torkel, Jenins, Oliver Friedrich (l), Gatsgeber und David Esser, Koch, vor Eingang zum Restaurant

Gastgeber: Oliver Friedrich & David Esser.

Alter Torkel, Jenins, Tomahawk-Steak auf dem Grill

Spezialität des Hauses: Das Tomahawk-Steak.

Alter Torkel, Jenins, David Esser mariniert Tomahawk-Steak

Beef aus Jenins: Zubereitet von Chef David Esser.

Rare Ware. Werbung machen Ruofs ausser mit einer schlichten Homepage keine. Privatkunden und der Alte Torkel kaufen auch so alles weg. Oliver Friedrich bestellt immer ganze Tiere, wie er auch öfters den Winzern ganze Fässer abkauft. Der grosse Andrang auf der Terrasse rechtfertigt das. Etwas unterschätzt ist das Innere des historischen Torkels, was so viel bedeutet wie anderswo Trotte. Ein riesiger Pressbaum dominiert die Szenerie, die Bsetzisteine als Bodenbedeckung geben dem Ganzen einen urtümlichen Touch. Hier ist das Reich von Oliver Friedrich. Der gebürtige Freiburger hat an allerbesten Adressen gearbeitet: Bei Claus-Peter Lumpp im Hotel Bareiss in Baiersbronn, als Restaurantleiter und Sommelier bei Andreas Caminada im Schloss Schauenstein und als Head of Gastronomy and Wine im Park Hotel Vitznau. Danach hat er im Torkel seine ideale Stelle gefunden und ist mit Ehefrau Julia und Tochter Hannah hierher gezogen. Vieles ist hier anders als anderswo. Das Auffälligste: Die Speisekarte verzeichnet nicht Vorspeisen, Hauptgänge und Desserts, sondern dazu passende Weintypen. «Leicht frisch beschwingt» passt zur Einleitung, «vollmundig körperreich geschmeidig» zu gewichtigeren Tellern. Zu den Süssigkeiten - wie könnte es anders sein: «langanhaltend aphrodisierend».

Alter Torkel, Jenins, Terrasse, Blick Richtung Landquart

Ein Tisch mitten in den Rebbergen, alle Bündner Weine auf der Karte: Der «Alte Torkel», unbedingt reservieren!