Text: Knut Schwander
Von der Natur verwöhnt. Die sonnigen Hänge sind mit Reben bestockt, in der Rhône-Ebene wachsen dank dem warmen Föhn beste Aprikosen, Tomaten und Spargeln. Auf den Alpen der angrenzenden Tälern grasen die Kühe und liefern den Käsermeistern die Milch für ihre renommierten Walliser Käse. Wir haben fünf Küchenchefs, die alle mit GaultMillau-Punkten ausgezeichnet sind, nach ihren Geheimtipps unter den Walliser Produkten gefragt.
Grégoire Antonin: Aprikosen & Alp-Sérac. Grégoire Antonin im Restaurant Nuovo Bourg (15 Punkte) in Saillon mag die Walliser Aprikosen: «Eine pochierte Aprikose mit Rosmarin finde ich göttlich. Ich verwende Aprikosen auch für meine Chutneys und Konfitüren. Jetzt muss man zupacken. Die Aprikosen-Saison ist kurz, dauert kaum sechs Wochen.» Grégoire Antonin ist noch von einem anderen, typischen Walliser Produkt sehr begeistert: Sérac, ein frischer Molkenkäse von der Alp. Der Chef: «Ich schaue immer, wo ich gerade die allerbeste Qualität finde»; oft ist ein Affineur aus Leytron sein Lieferant. Am liebsten degustiert er ihn ohne jede Zugabe, um sich voll auf den Eigengeschmack zu konzentrieren. Auch gut: Sérac in kleine Würfel geschnitten, mit Haselnussöl und Fleur de sel gewürzt. «Das zu Trockenfleisch und Roggenbrot. Himmlisch!», schwärmt Antonin.
Damien Germanier: Spargeln. Damien Germanier in Sion (17 Punkte) liebt «die vielen Möglichkeiten, die Spargeln zu servieren». Dabei erinnert er sich gerne an seine Kindheit und an die Süsse der roh genossenen Spargeln. Für ihn hängt sehr vieles vom Terroir ab, und so sucht er sich seine Produzenten zwischen dem Chablais und dem zentralen Wallis sehr gezielt aus. Wie bereitet er sie am liebsten zu? «Ich stelle den ganzen Bund aufrecht in einen Topf und lasse ihn bei sanfter Hitze kochen. So bleiben sie knackig und sind wunderbar…».
Franck Reynaud: Vérjus. Nicht jedes Geheimnis preis gibt Franck Reynaud von der Hostellerie du Pas-de-l’Ours in Crans-Montana (18 Punkte), wenn er von seinem Lieblingsprodukt Vérjus spricht, den der Winzer Pierre Robyr für ihn aus den noch grünen, unreifen Traubenbeeren gewinnt. «Ich liebe diesen Saft mit seiner feinen Säure und verwende ihn für verschiedene Gerichte - wer wissen will für welche, der muss halt nach Crans-Montana kommen», sagt er augenzwinkernd. Ebenso begeistert ist er von den Tomaten, welche Romaine Arbellay in der Rhone-Ebene zieht und mit denen er ein ganzes Menü komponiert: «Sie sind unglaublich gut».
Bert De Rycker: Das Lamm von Naye. Bert De Rycker wirkt nur sieben Kilometer weiter, im Restaurant Rawyl in Randogne (15 Punkte). Er ist überrascht, mit welcher Passion sich seine Lieferanten ihren Produkten widmen, «das ganze Jahr hindurch für eine oft nur kurze Periode, wo sie auch wirklich liefern können.» Eines seiner Lieblingsprodukte sei «hyperlokal», lacht er: «Die Lämmer weiden direkt unter dem Restaurant, wer hier isst, sieht das Dach des Stalls und manchmal auch die Tiere». Der belgische Chef entbeint die Lämmer immer selber und schmort sie dann mit viel Gemüse, Kräutern und Rotwein, gut zugedeckt und 18 Stunden lang bei 71 Grad.
Jean-Yves André: Walliser Wein! Jean-Yves André vom Café Berra in Choëx (16 Punkte) setzt schon seit langem auf eine breite Auswahl an Walliser Weinen. So kann er die Winzer in seiner Region und ihre hervorragenden Produkte unterstützen. «Sie unseren Gästen zu empfehlen und zu kredenzen macht mir grosse Freude», sagt er. Jean-Yves André ist gleichzeitig ein guter Kenner der Walliser Käse, die er mit grosser Leidenschaft zu den Weinen kombiniert.
«Jedes Produkt hat eine Geschichte.» Jeder der fünf GaultMillau-Chefs empfiehlt seinen eigenen «Coup de coeur», aber alle fünf sind sich einig: Es ist entscheidend, gute Produkte aus allernächster Nähe zur Verfügung zu haben. «Wir haben das riesige Glück, in dieser Region zu wohnen. Diese Produkte sind ein Geschenk der Natur, wir können sie nicht hoch genug schätzen,» sagt Grégoire Antonin. Und Franck Reynaud ergänzt: «Hinter jedem Produkt stehen eine Frau oder ein Mann mit all ihrem Einsatz. Und das verleiht jedem Gericht eine eigene Geschichte.»
>> Fotos: Pixabay, Linda Photography, Olivia Pulver, Grégoire Antonin et DR