Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder, Sylvan Müller
Aus Hongkong nach La Punt. Frage Nummer 1 unter Feinschmeckern und Köchen im Engadin: «Warst Du schon beim Baron?» Der Baron, das ist der Engländer James Baron, ein ausgesprochen sympathischer, begabter Kerl, der noch vor wenigen Tagen im «Landmark Mandarin Oriental» in Hongkong gekocht hat und jetzt mit seiner Frau Natacha und Töchterchen Ariya nach La Punt gezogen ist. Gekommen, um zu bleiben: Er will die 450jährige «Krone Säumerei am Inn» von Regula und Beat Curti auf ein neues Level führen und auch eine Rolle spielen, wenn neben dem historischen Gasthof der «InnHub La Punt» eröffnet wird, ein moderner Co-Working Space, ein Rückzugs- und Inspirationsort für kluge Köpfe, gebaut von Sir Norman Foster. Barons Referenzen: Vier Jahre bei Didier de Courten in Sierre. Drei Jahre bei Andreas Caminada auf Schloss Schauenstein. 18 GaultMillau-Punkte im «Tannenhof» St. Anton. Zwei Michelin-Sterne im Mandarin Oriental Hongkong (Restaurant Amber).
Die Überraschung: Der Baron mag’s klassisch. Kommt ein Koch aus Hongkong, hat man so seine Vorstellungen: Raffinierte Dashi, tiefe Ponzu, begeisternde Vinaigrettes. Nix da: James mag’s klassisch. Hans Haas (ex-«Tantris» München) ist sein Idol. Den Eckart Witzigmann verehrt er auch und hat am 75. Geburtstag der deutschen Ikone gekocht. Also gibt es im kleinen (zu kleinen?) Gourmetrestaurant «La Chavallera» (Die Säumerin) Vertrautes: Rahm, Nussbutter, Albufera, Champagnersauce. Ingredienzen mit Applaus-Garantie.
Saibling, Milken, Taube. Ein Nachtessen bei James ist ein wunderbarer Ritt durch neun Gänge. Highlights: Der Saibling. Er war geschmacklich perfekt. Aber es ist eine Challenge, ihn in der kleinen Schale zusammen mit den riesigen Kopfsalatblättern knigge-gerecht zu essen. Die Milke. Top-Qualität, mit viel Gefühl gebraten, mit Heu, Sauerampfer und Sahne serviert. Taube, mit einem etwas gewöhnungsbedürftigen Waldstaudenroggen-Risotto und Eierschwämmli serviert. Drei Gänge und eine Botschaft: Der Baron, kaum gelandet, kennt aus seinen sieben Jahren in der Schweiz die besten Produzenten im Land: Curdin Capeder liefert ihm den Saibling aus dem Val Lumnezia. Kult-Metzger Ludwig Hatecke beschaffte das Kalbsbries. Für Vögel aller Art ist der Zürcher Artisan en Comestibles Fredy von Escher zuständig. Und den besten Käser hat er auch schon engagiert: Willi Schmid aus dem Toggenburg liefert ihn den wunderbaren Bergkäse, der in La Punt in einem Süssepaket serviert wird – mit Zopf & Honig. James, Liverpool-Fan und Golfer (Hcp 15): «Natürlich bin ich ehrgeizig. Aber wir lassen uns Zeit.» Histoire à suivre.
Neuer Chef im «Kempi». James Baron ist nicht der einzige neue Chef im Tal. Neu ist auch Gian Nicola Colucci, auch er ein Mann mit internationaler Vergangenheit: «Danieli» Venedig, verschiedene «Four Seasons» in Kanada. Mit ihm wird das Ristorante Da Adriano noch italienischer: Gamberi rossi aus Venedig mit «Aqua di pesce» und Melonen. Grandiose «Ravioli del Plin di Magro di Vitello» mit Barolo-Schmorsauce. Risotto mit Vongole, Zitrone und schwarzem Pfeffer. Pünktlich zum Start zur Wintersaison kommt ein heimlicher Star ins Kempinski und übernimmt die «Cà d’Oro»: Leo Ott, im Sommer bei Mattias Roock im «Castello del Sole» Ascona.
Die magischen «Suvretta»-Terrassen. Die schönsten Engadiner Sonnen- und Sommerterrassen? Der GaultMillau empfiehlt, die Schwellenangst zu überwinden und im noblen «Suvretta House» zu reservieren. Die Terrasse vor der «Stube» ist ein magischer Ort. Man geniesst zwischen Lerchen und Arven ein ziemlich rassiges Ceviche vom Branzino mit Baru, der Powernuss aus dem brasilianischen Urwald, Polenta-Gnocchi und Swiss Black Angus Chain Steak, feinstes Lamm vom Zuozer Bauern Andri Casty oder einen saftigen «second cut» vom Holzkohlegrill. Executive Chef Fabrizio Zanetti vertraut die «Suvretta Stube» einem begabten neuen Mann an: Der Tessiner Kevin Fontana gibt hier Gas. Auch die Chasellas-Terrasse (gehört zum «Suvretta»-Imperium) ist ein Traum. Chef Marco Kind kocht immer besser, will in die nächste Punkteliga. Best of: Tataki vom Kingfish & Tatar vom Bluefin. Swiss Shrimps in allen Varianten. «Strammer Max von der Wachtel»!
«Kronenhof»: Pasta im Pavillon. GaultMillau-Tipp in Pontresina. «Le Pavillon», ein historisches Holzgebäude an bester Lage, im grossen Park des «Kronenhofs». Freie Sicht ins Val Roseg, unkomplizierte Küche. Wir empfehlen die Sektion Pasta auf der Karte: Ravioli al Brasato. Hausgemachte Tagliatelle mit «weisser» Bolo (Kalbfleisch). Chef Fabrizio Piantanida ist sehr gut in Form, zaubert abends im «Kronenstübli» ein paar Prachtgerichte auf den Teller: Tatar vom Gambero Rosso aus Mazara del Vallo unter einem Tomatengelee, mit einer erstklassigen Stracciatella. Trilogie von der Taube bereits zur Vorspeise. Hummer-Bisque der Extraklasse.
«Talvo»: Die 18-Punkte-Terrasse. Fine Dining outdoor? Gibt’s, auf dem schattigen Holzdeck von 18-Punktechef Martin Dalsass im «Talvo» Champfer. Der Südtiroler Chef ist gegen fixe Menüs, stolz auf sein imposantes à-la-carte-Angebot und hat mit seinem designierten Nachfolger Kevin Fernandez ein paar wunderbare Sommergerichte entwickelt: Pfirsich-Ceviche mit bretonischem Hummer, Balfego-Tuna mit Gurke, Radieschen und Yuzu-Glacé, Pasta in Form von Olivenblättern mit Black Tiger und Zitronenschaum, Brennnessel-Risotto mit Burrata und rotem Pfeffer. Best of Engadin.
PS. Der Pasta-Tipp mitten in St. Moritz: Tagliolini mit Gambero Rosso und Zitronen! By Chef Pietro Spotti im «Dal Mulin». Service auf dem Trottoir.