Text: David Schnapp
Attraktion Brot. Das Sauerteigbrot ist eine der Hauptattraktionen bei Sven Wassmer im «Memories». Im Sommer 2019 hat der talentierte Küchenchef sein Prestigelokal im Grand Resort Bad Ragaz eröffnet und seither kommt zu Beginn des Abends Patissier Andy Vorbusch mit einem grossen Laib Sauerteigbrot an jeden Tisch des Restaurants im Swiss Deluxe Hotel, um die dunkelbraune urtümliche Köstlichkeit den Gästen zu präsentieren.
Zurück zu den Ursprüngen. Weil das Restaurant zurzeit geschlossen ist und sich Mehl gemäss Meldung aus den Supermärkten des Landes grösster Beliebtheit erfreut, erklären Wassmer und Vorbusch, wie aus einfachsten Produkten ein wunderbares Lebensmittel entsteht. «Brot war mir immer wichtig, und ich wollte zu den Ursprüngen des Brotes zurückkehren, das aus nur drei Zutaten entsteht», erklärt Sven Wassmer seine Idee.
Täglich frisch. Empfängt das «Memories» in Bad Ragaz Gäste, wird jeden Tag um 17 Uhr gebacken, so hat das ofenfrische Brot noch etwas Zeit, um abzukühlen und kann dann aufgeschnitten und serviert werden. «Aufgebackenes Brot wollen wir auf keinen Fall», sagt Küchenchef Wassmer bestimmt.
Vorbuschs Methode. Entstanden ist das «Memories»-Brot aber nicht in der Restaurantküche, sondern zu Hause bei Andy Vorbusch, der zusammen mit Sous-Chef Benedikt Gerster monatelang herumprobiert hat, bis er mit dem Resultat zufrieden war. «Ich habe auch deshalb lange probiert, um eine möglichst einfache Methode zu finden, die immer funktioniert», erklärt Vorbusch. Zu Beginn braucht es aber bei jeder Methode einen so genannten Starter, aus dem der Sauerteig entsteht: Je ein Kilogramm helles Weizenmehl und Weizenvollkornmehl mischen. 2 dl lauwarmes Wasser in ein durchsichtiges Gefäss giessen und eine Handvoll der Mehlmischung dazugeben. Mit den Händen zu einem dicken klumpenfreien Teig verkneten, mit einem Küchentuch abdecken und 2–3 Tage bei Zimmertemperatur (ohne Sonneneinstrahlung!) stehen lassen.
Füttern des Starters. Wenn sich an der Oberfläche Blasen bilden, geht es weiter, ansonsten ruht die Kultur einfach noch etwas länger. Bildet sich eine dunkle Kruste an der Oberfläche, kann die einfach abgezogen werden. Sobald die Kultur anfängt wie eine Zitrone oder frischer Essig zu riechen, kann sie gefüttert werden: Dafür 80 Prozent der Mischung wegwerfen und durch ungefähr dieselbe Menge Wasser und Mehlmischung im Verhältnis 50:50 ersetzen. Wieder zu einem Teig mischen und diesen Vorgang alle 24 Stunden wiederholen. Nach ein bis zwei Wochen wird der Teig nach dem Füttern aufgehen und nach einiger Zeit wieder zusammenfallen, dann ist er bereit für mehr!
Backen zu Hause. Im «Memories» dauert das Brotbacken zwei Tage. Zu Hause macht man das so: Von der Starterkultur einen Esslöffel abnehmen und mit je 200g Wasser und 200g Mehlmischung füttern. Mit einem Küchentuch abgedeckt über Nacht stehen lassen. Das ist jetzt der Sauerteig! Wenn man am nächsten Morgen etwas davon in ein Glas Wasser gibt, sollte er nach oben steigen. Ab jetzt sollte man den Sauerteig verschlossen im Kühlschrank aufbewahren und alle zwei Tage herausnehmen, mit 50g Mehl und 50g Wasser füttern, etwas stehen lassen und wieder in den Kühlschrank stellen. Immer vor dem Backen nimmt man den Sauerteig aus dem Kühlschrank, füttert ihn wie beschrieben mit Mehl und Wasser und wartet, bis er aktiv wird, sein Volumen vergrössert und Blasen wirft.
Die Mehlmischung. Für das eigentliche Brot verwendet Andy Vorbusch 200g Sauerteig, den er in 700g lauwarmem Wasser auflöst. Nun kommen 900g Weissmehl Typ 550 (Grüninger Mühle, Flums) und 100g Vollkornweizenmehl (Gran Alpina) dazu; das Ganze wird von Hand vermischt, bis keine trockenen Mehlrückstände übrig sind. Jetzt beginnt die Autolyse, die 45 Minuten dauert. Nun kommen 25 grobes Meersalz und nochmals 50g Wasser hinzu, und man drückt den Teig zwischen den Fingern hindurch, bis er glatt ist.
Das Aufziehen. Es folgt die Ziehphase oder Stockgare. Dafür kommt der Teig in einen verschliessbaren Kunststoffbehälter und wird bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Alle 40 Minuten zieht man den Teig mit angefeuchteten Händen vorsichtig von jeder Seite auf und legt ihn jeweils über den Rest der Masse. Nach fünf bis sechs Vorgängen hat sich das Teigvolumen deutlich vergrössert, der Teig wird elastischer und löst sich leicht vom Behälter.
Zwischengaren. Den Teig auf die unbemehlte Arbeitsfläche stürzen, halbieren, die Oberseite bemehlen und jede Hälfte umdrehen. Jeweils in der Mitte falten und mit bemehlten Händen so schnell wie möglich zum einem rundem Laib formen (rundwirken). Mit einem Tuch abdecken und 45 Minuten für die Zwischengare ruhen lassen.
Formgebung. Zum Schluss zwei Gärkörbchen oder Schüsseln mit einem Tuch auslegen und mit Reismehl bestäuben. Für die abschliessende Formgebung bei jeden Teigling die vor einem liegenden Seite hochziehen, über die Mitte falten und etwas festdrücken. Nun nach rechts ausziehen, wieder zur Mitte falten, festhalten und von der linken Seite her wiederholen. Die obere Seite zu sich hinfalten, dann das ganze Paket von sich wegrollen und mit schnellen Bewegungen rundwirken. Nochmals kurz ruhen lassen, dann sorgfältig aufheben, umdrehen und in die Schüsseln/Gärkörbchen legen. Für 24 Stunden zugedeckt im Kühlschrank gehen lassen.
Backen. Zwei Stunden vor dem Backen die Teige bei Raumtemperatur stehen lassen, den Ofen auf 250 Grad vorheizen und einen Gusseisentopf samt Deckel in den Ofen stellen. Ein rundes Stück Backpapier zuschneiden, den Teig darauf stürzen und mit einem scharfen Messer das Brot nach Wunsch einschneiden. Dem Teigling mit dem Backpapier in den heissen Topf legen, den Deckel auflegen und 25 Minuten backen. Den Deckel abnehmen und nochmals etwa 20 Minuten backen, bis das Brot eine dunkelbraune Kruste hat. Auf einem Gitter mindestens eine Stunde abkühlen lassen.
Wichtige Zutat: Zeit. Brotbacken sei ein Handwerk, das wie das Kochen Intuition und Fingerspitzengefühl verlange, sagen Chef Sven Wassmer und Patissier Andy Vorbusch. Der Deutsche rät zu Geduld und dazu, ein Gespür für den Teig zu entwickeln, ihn zu beobachten, und ihm, aber auch sich selbst Zeit zu geben, um dieses ursprünglich Handwerk beherrschen zu lernen.