Fotos: Lukas Lienhard, Kim Leuenberger

Immer etwas Neues. In Andermatt wird gerade ein ganzer neuer Dorfteil zum Leben erweckt. «Reuss» heisst das Quartier und die Furkagasse ist so etwas wie eine idyllische Alpen-Version der Bahnhofstrasse mit Shops und Gastronomie. Mittendrin: ein neues Igniv-Restaurant aus der Ideenküche von Andreas Caminada. «Igniv» heisst Nest auf Rätoromanisch und erstmals ist das Sharing-Konzept eingebettet in ein ganzes Gebäude. Für die Innenarchitektur des Restaurants wie auch für die 17 Wohnungen im «Haus Maya» darüber ist das Büro der Mailänder Star-Designerin Patricia Urquiola zuständig. Bild oben: Küchenchef Valentin Sträuli.

Igniv Andermatt

Massgeschneidertes Mobiliar: Tische, Wandplatten und Leuchten wurden eigens für das «Igniv» Andermatt hergestellt.

Igniv Opening

Neuer Stil im Dorf: Architekt Neri D'Allesandro mit Raphael Krucker (CEO Andermatt Swiss Alps) und Designer Alberto Zontone (v.l.).

Verletzte Star-Designerin. Die gebürtige Spanierin, die auch für die Gestaltung der bestehenden «Igniv»-Filialen in Bad Ragaz, Zürich und Bangkok zuständig war, bleibt der Eröffnung allerdings fern. Sie hat sich am Knie verletzt und muss operiert werden. An Ihrer Stelle ist ihr Mann und Geschäftspartner Alberto Zontone von Mailand nach Andermatt gefahren. Zusammen arbeiten die beiden Designer für weltberühmte Marken wie Ferrari, BMW, die Luxus-Resorts Six Senses, den Möbelhersteller Cassina und viele andere mehr. Und seit zehn Jahren sind sie für die Caminada-Gruppe tätig. «Arbeite nur mit Leuten, die du magst», sei eines ihrer Prinzipien, erklärt Alberto Zontone die langjährige Partnerschaft. «Beim neuen Restaurant haben wir den Nestgedanken ins Zentrum gestellt, das Restaurant sollte nicht prätentiös sein, sondern eine Art repräsentieren, wie man sich auf entspannte Art in den Bergen wohl fühlen», sagt Zotone über das Design des neuen «Igniv». Gleichzeitig sei es darum gegangen, dass die Wohnungsbesitzer das Restaurant als eine Art Erweiterung ihrer eigenen privaten Räume empfinden.

Lack und Steine. Während die Gäste an eigens hergestellten, mit burgunderfarbenem Lack überzogenen Tischen sitzen und die ebenfalls massgeschneiderten Zement-Wände mit Natursteinchen bewundern, sorgt in der Küche der erst 28-jährige Zürcher Valentin Sträuli schon beim erst dritten Service in Andermatt für ein erstaunliches Niveau. Dabei geht der junge Mann, der zuletzt auf Schloss Schauenstein und davor als Sous-Chef von Daniel Zeindlhofer im «Igniv» in Zürich gearbeitet hat, durchaus mit einer gewissen Demut an die Sache heran: «Ich weiss, dass ich eine eigene Handschrift erst noch entwickeln muss», sagt er bei einem kurzen Gespräch am Pass. 

Igniv Andermatt

Genialer Hauptgang: gepökelte Ente mit BBQ-Jus und Zwiebeln.

Igniv Andermatt

Wohlfühlatmosphäre: Glitzercocktail von Gina Fischli aus der «Igniv Art Collection».

Igniv Andermatt

Bis zum Schluss überzeugend: Schokolade, Gewürzmilch und Karamell.

Zander, Kopfsalat, Ente. Und auch wenn er über seinen Job als Küchenchef sagt, das fühle sich noch ziemlich «surreal» an, scheint sich Sträuli in der neuen Rolle sichtlich wohlzufühlen. Für diese Annahme sprechen jedenfalls überzeugende Gerichte wie der flüssig gebeizte Zander mit Barbecue-Creme, Rettich und Koriander-Samen oder der frische Kopfsalat mit Joghurt und Kapuzinerkresse. «Winter-Menüs sind nicht so einfach», findet Valentin Sträuli. Deshalb sei der grillierte Kopfsalat mit verschiedenen Cremes und Vinaigrettes gut für die Balance. Schlicht genial ist die aufwendig zubereitete Entenbrust bei den Hauptgängen. Sie wird erst blanchiert, dann gepökelt, getrocknet und schliesslich gebacken. Geschmack und Textur sind so hervorragend, dass es dazu nicht mehr als etwas Zwiebel und einen BBQ-Jus braucht. Und immer wieder flicht Sträuli geschickt und selbstbewusst einen Schärfe-Akzent ein, etwas Kimchi-Pulver auf dem Kaisergranat oder Jalapeños auf einem Algen-Cracker mit Chimichurri etwa.

Team Igniv Andermatt

Ein Auge für Talente: Andreas Caminada mit Restaurantleiterin Hannah van den Nieuwenhuizen und Küchenchef Valentin Sträuli.

Stadt – Land. Seit November wohnen der Küchenchef und seine Partnerin und «Igniv»-Gastgeberin Hannah van den Nieuwenhuizen in Andermatt. Und obwohl sich der erklärte Stadtmensch bis vor kurzem nicht vorstellen konnte, aufs Land zu ziehen, fühlt sich das Paar wohl am neuen Ort: «Es hat mir gutgetan, aus Zürich herauszukommen. Man hat dort zwar alles, aber eigentlich auch mehr, als man wirklich braucht», sagt Valentin Sträuli. Und die gebürtige Niederländerin Hannah van den Nieuwenhuizen hat im ungewohnten Umfeld der Berge schon klare Vorstellungen entwickelt von der Atmosphäre, die sie mit ihrem Service-Team im gemütlich-eleganten Restaurant schaffen will: «Das ‹Igniv› soll ein Wohlfühlort sein. Man braucht keinen Anzug, um bei uns zu essen. Ich möchte, dass sich die Gäste hier einen schönen Abend mit Freunden, Familie oder Geschäftspartnern machen und in einem lockeren Ambiente geniessen können», sagt sie über die selbstgestellte Aufgabe.

Cicorino statt Wagyu. Valentin Sträuli in der Küche und Hannah van den Nieuwenhuizen an der Front sorgen für einen überzeugenden Start des neuesten «Igniv» in Andermatt. Aber ungeduldig sind weder Talentförderer Andreas Caminada, noch das Team im Restaurant selbst. «Wir sind hier in einem Dorfteil, der gerade erst entsteht. Es braucht Zeit, um ein neues Lokal in einem solchen Ort zu etablieren», sagt Caminada. Und Valentin Sträuli gibt zwar zu, dass er sich selbst unter Druck setze, aber er wisse auch, dass man eine eigene Handschrift nicht in ein paar Wochen entwicklen könne. Immerhin, das Selbstbewusstsein ist da, und es kling vielversprechend, wenn der 28-jährige Koch sagt: «Ich will keine Produkteküche machen. Wagyu und Kaviar kann jeder servieren. Es ist viel schwieriger, aus Cicorino Rosso ein Gericht zu machen, das die Leute feiern. Dahin will ich kommen.» 


www.igniv.com