Fotos: Erna Drion

Zineb Hattab, Sie sind mit Ihrem Team vorübergehend nach St. Moritz gezogen, wo Sie  im «Badrutts' Palace» ein Pop-up betreiben. Wie ist es, in einem Wintersportort, wo Kaviar und Hummer allgegenwärtig sind, vegane Gerichte  zu servieren?
Unser Ziel ist es, die Gäste mit Liebe zu Veränderung zu inspirieren. Das tun wir in unseren Restaurants in Zürich und jetzt auch im «Kle Palace» in St. Moritz. Unsere Leidenschaft ist es, pflanzenbasiert zu kochen und ein einladendes Ambiente zu schaffen. So schaffen wir einen Rahmen, um Gespräche anzuregen und die Menschen zu inspirieren, öfter pflanzlich zu essen. Uns war es einfach wichtig, die Essenz und die Identität des «Kle» zu bewahren. Gleichzeitig ist es für mein Team eine grossartige Gelegenheit, von einem so ikonischen Ort wie dem «Badrutt’s Palace» zu lernen. 

Wie reagieren die Gäste auf Ihre Küche?
Wir durften diese Erfahrung ja schon letztes Jahr während des St. Moritz Gourmet Festivals machen, wo wir bereits ein grosses Interesse an unserer Arbeit feststellen konnten. Die Gäste im «Kle Palace» sind sehr positiv überrascht. Viele haben noch nie ein Degustationsmenü auf Pflanzenbasis mit Getränkekombinationen erlebt.

Kle Palace in St. Moritz

Das «Kle»-Team aus Zürich verbringt den Winter in St. Moritz im «Badrutt's Palace».

Kle Palace in St. Moritz

Hot Dog New York Style: Zizi macht eine vegane Version des berühmten Street Food.

Wie ist es für Ihr Zürcher Team, eine «Saison» in den Bergen zu verbringen?
Da wir das «Kle» in Zürich vorübergehend geschlossen haben, ist das gesamte Team nach St. Moritz gezogen. Unser Leben ist aktuell wie eine Folge der Serie «Friends». Alle wohnen im selben Gebäude und verbringen viel Zeit miteinander, kochen, spielen Brettspiele oder machen Filmabende. Es ist sehr inspirierend zu sehen, wie Freundschaft am Arbeitsplatz uns allen ein Gefühl der Zugehörigkeit gibt.

Wie muss man sich das «Kle Palace» vorstellen?
Wir sind im ehemaligen «Igniv». Der Raum ist wunderschön und man hat einen atemberaubenden Blick auf den St. Moritzersee. Im «Kle Palace» ist die Speisekarte länger, viele Gerichte haben wir noch nie in Zürich serviert. Es gibt auch nur ein Seating pro Abend.  Für das Pop-up habe ich mir vorgenommen, eine Geschichte zu entwickeln, die die Vielfalt und das Potenzial unserer Küche zeigt und sowohl dem Service als auch den Gästen Spass macht, sich gemeinsam auf eine Reise zu begeben. Das Thema des Pop-ups ist, die Schönheit der Erde an den sogenannten «Gipfel der Welt» zu bringen. Wir beginnen mit dem Meeresgrund und machen mit jedem Gang an einem anderen Ort der Welt halt. Emily Barratt ist meine Küchenchefin in St. Moritz. Sie führt das Pop-up mit Liebe und Professionalität und ich kann ihr voll und ganz vertrauen.

Kle Palace in St. Moritz

Zizis Küchenbrigade hat eine gute Zeit in St. Moritz. Sie leben wie in einer Folge der Serie «Friends».

Welches ist Ihr bestes Gericht? 
Ich kann mich wirklich nicht entscheiden und jeder hat eine andere Meinung. Aber was ich sagen kann, ist, dass die «Haltestelle» New York ein sehr lustiges Gericht ist. Es handelt sich um einen Hot Dog, wie man ihn von diesen Strassenkarren kennt. Aber natürlich machen wir eine vegane Version. Mit einem Süsskartoffelbrötchen, Ketchup und Senf. Dazu gibt es unseren KFM – Kle Fried Mushroom. 

Während Sie in St. Moritz kochen, renovieren Sie im «Kle». Was machen Sie genau?
Die Küche wird ziemlich grundlegend renoviert, da die Geräte sehr alt sind und uns in den letzten Jahren viele Probleme bereitet haben. Die Veränderungen im Speisesaal werden dezent sein, denn wir wollen das Gefühl von Zuhause nicht verlieren, sondern nur die Beleuchtung und den Klang verbessern.

Werden sich dadurch die Gerichte oder sogar Ihr Küchenstil verändern?
Der Hauptzweck der Renovierung der Küche besteht darin, ein angenehmeres Umfeld für das Team zu schaffen und effizienter zu arbeiten. Die Speisekarte und die Gerichte werden sich weiterhin an den Jahreszeiten auf dem Hof orientieren, und natürlich wird es auch einige Einflüsse aus der Zeit in St. Moritz geben. Ich lasse mich von jeder Erfahrung inspirieren und in den kreativen Prozess einfliessen.

Kle Palace in St. Moritz

Die Engländerin Emily Barratt führt die Küche im St. Moritzer Pop-up. 

Kle Palace in St. Moritz

Kein Menü ohne Zizis Pasta. Aktuell sind die Teigtaschen gefüllt mit Muskatnuss, Thymian, Petersilie und Oliven.

Sie waren kürzlich auf den Malediven, um dort zu kochen. Wie schwierig ist es, Ihre Küche an eine völlig andere Region der Welt anzupassen? 
Ich muss sagen, dass mir das Kochen im Ausland am meisten Spass macht. Ich liebe es, auf die Märkte zu gehen und die lokalen Produkte zu riechen, zu berühren und zu schmecken, damit meine Fantasie neue Ideen entwickeln kann. Ich beschäftige mich ständig mit der Geschichte des Essens auf der ganzen Welt. Aber meine marokkanischen Wurzeln und meine Erfahrung in der Küche des «Cosme» in New York haben mir ein starkes Verständnis für Geschmacksprofile und den Umgang mit einer sehr vielfältigen Pflanzenwelt vermittelt. Auf den Malediven haben wir unsere Mais Tostada mit einer sehr schweizerischen Zutat wie Rande sowie mit grillierter Ananas kombiniert. Die erdigen und blumigen Noten der Rande harmonieren sehr gut mit der Säure und der Süsse der karamellisierten Ananas.

Sie haben zwei Ihrer Mitarbeiterinnen, Amona und Joy, für eine Stage nach Spanien ins «El Celler de Can Roca» geschickt. Wie wichtig ist es für Sie, dass das Team Gastronomie auf so hohem Niveau erleben kann?
Ich hatte während meiner Wanderjahre die Gelegenheit, an erstaunlichen Orten zu arbeiten. Diese Erfahrungen hatten einen enormen Einfluss darauf, wie ich arbeite. An vielen dieser Orte sind Stolz, Integrität, Hingabe und Engagement sehr präsent, und man kann sie bereits an der Oberfläche spüren. Ich sehe es als meine Verantwortung, mein Team bei seinem kontinuierlichen Wachstum zu unterstützen. Ich schaffe die Möglichkeit, dass sie an Orten arbeiten können, zu denen man nur sehr begrenzt Zugang hat oder man sich für ein halbes Jahr verpflichten muss. Alessandro Scaccia und Marius Kamber waren im «Noma» in Kopenhagen. Emily Barratt war bei Daniel Zeindlhofer im «Igniv». Johanna Kannewischer arbeitete im Serviceteam bei Tanja Grandits im Stucki. Wir unterstützen auch Weiterbildungen. Was wir dafür verlangen, ist Verantwortungsbewusstsein und Engagement für unser Ziel, Menschen zu inspirieren, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern.

Kle Palace in St. Moritz

Das Team an der Front: Restaurant-Managerin Amona Häusermann und Katerina Ntani, die verantwortlich ist für die alkoholfreie Getränkebegleitung.

Seit der Eröffnung des «Kle» 2020 haben Sie fast jedes Jahr ein weiteres Lokal eröffnet. Was können wir dieses Jahr von Ihnen erwarten?
(Lacht) Das ist die mit Abstand am häufigsten gestellte Frage. In diesem Jahr möchte ich mehr Zeit in meinen Küchen verbringen und weniger damit, Probleme im Büro zu lösen. Ein Restaurant zu besitzen und gleichzeitig Küchenchefin zu sein, ist keine leichte Aufgabe. Aber ich schätze mich glücklich, denn ich liebe jedes bisschen davon. Ausserdem habe ich ein unglaubliches Team von Köchen, denen ich vertraue, dass sie die Küchen täglich mit Liebe und Professionalität führen. Das wird es mir hoffentlich ermöglichen, mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. In den letzten zehn Jahren habe ich mich richtig ins Zeug gelegt, um dorthin zu kommen, wo ich heute bin. Aber meine Liebsten kamen dabei zu kurz. Das bedeutet nicht, dass meine Pläne abgeschlossen sind. Ich plane bereits das nächste Kochbuch. Aber ich möchte mir 2024 Zeit lassen und die Lokale «Kle», «Dar» und «Cor» erstmal wirken lassen.

 

>> Zineb «Zizi» Hattab ist Zürichs Vegan Queen. Ihren Job als Software Ingenieurin hängte Zizi an den Nagel, um bei Andreas Caminada und Massimo Bottura kochen zu lernen. 2020 eröffnete sie ihr erstes Restaurant «Kle» im Kreis 3. Später folgten das «Dar» (ehemals Maison Blunt) und die Weinbar «Cor». Zizi punktet mit ihrer veganen Küche: 15 Punkte und einen Michelin-Stern hat sie im «Kle», 13 Punkte gibt es für die Küche im «Dar».